„Emilie-Extra” als Vorname eines Mädchens rechtlich zulässig
Gericht
OLG Schleswig
Art der Entscheidung
Beschluss über weitere Beschwerde
Datum
13. 08. 2003
Aktenzeichen
2 W 110/03
Gegen „Emelie-Extra” als Vorname eines Mädchens bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die nicht verheiratete Beteiligte zu 1) gebar ein Mädchen und beantragte ggü. der Beteiligten zu 2), der zuständigen Standesbeamtin, in die betreffenden Personenstandsregister als Vornamen „Emelie-Extra” einzutragen. „Emelie” sei der Name der Figur auf dem Kühler von Autos der Marke „Rolls Royce” und „Extra” die Bezeichnung für ein Flugzeug; sie und ihr Lebengefährte – der Kindesvater – seien auch Piloten, weshalb sich ein Bezug zur Fliegerei ergebe. Außerdem sei ihres Wissens in Griechenland „Extra” ein gängiger Mädchenvorname. Nach Mitteilung des griechischen Generalkonsulats in Hamburg, dass dies nicht zutreffe, legte die Beteiligte zu 2) den Eintragungsvorgang dem AG zur Entscheidung vor. ...
Gründe:
Die vom LG geäußerten Bedenken gegen die Eintragung des Vornamens „Emelie-Extra” in die betreffenden Personenstandsregister halten einer rechtlichen Nachprüfung (§§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 546 ZPO) nicht stand. Das LG hat nämlich die Grenzen des der Mutter zustehenden Rechtes, ihrem Kind einen Vornahmen eigener Wahl zu geben, zu eng gezogen und damit den Begriff des Rechts zur Personensorge (§ 1626 Abs. 1 BGB) unrichtig angewandt.
1. Als Bestandteil der Personensorge steht den Eltern, hier der Beteiligten zu 1) als alleinsorgeberechtigter Mutter, bei der Namenswahl der gleiche – verfassungsrechtlich durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützte – Spielraum zu wie bei der Erziehung des Kindes im Übrigen. Der Sorgeberechtigte ist daher bei der Namenswahl nicht an Tradition und Herkommen oder allgemeinverbindliche Regelungen in der Weise gebunden, dass nur eine bestimmte Namensgebung zulässig wäre. Vielmehr ist die Wahl des Vornamens grundsätzlich frei und nur insoweit beschränkt, als diese nicht der Individualisierungsfunktion der Namensgebung selbst und im Übrigen der allgemeinen Sitte und Ordnung (BGHZ 29, 256 [259];30, 132 [134 ff.]; 73, 239 [241]) oder dem Kindeswohl widerspricht (BayObLG v. 13.12.1983 – BReg.1 Z 79/83, MDR 1984, 493 = NJW 1984, 1362 [1362]; OLG Zweibrücken v. 16.9.1983 – 3 W 79/83, NJW 1984, 1360; OLG Karlsruhe StAZ 1998, 342; OLG Schleswig StAZ 1998, 288). Denn das Recht zur Vornamensgebung ist kein Mittel der Persönlichkeitsentfaltung der Eltern, sondern „dienende Freiheit” im Interesse des Kindes: Dieses trägt den ihm von den Eltern gegebenen Namen im Grundsatz zeitlebens, mit dem Namen aber auch die Folgen, welche aus einem Vornamen der persönlichen Entwicklung eines Menschen drohen können.
Verbietet sich deshalb eine im allgemeinen Bewusstsein herabsetzende, verächtlich machende oder der allgemeinen Lächerlichkeit preisgebende Vornamensgebung, so verringert sich die in einer derartigen Namensgebung liegende Gefährdung des Kindeswohles auch nicht schon dadurch, dass ein im hiesigen sozial-kulturellen Kontext lächerlich wirkender Name in ganz anderen, vorzugsweise im Ausland belegenen, Kulturkreisen durchaus gebräuchlich ist (wie hier Staudinger/Coester, BGB, 2000, § 1616 Rz. 75, bedenklich daher etwa LG Münster StAZ 1984, 129). Selbst in einer kulturell zunehmend verflochtenen Welt stellt die Gebräuchlichkeit eines im hiesigen Kontext unbekannten Namens an einem anderen Ort der Welt lediglich ein – wenn auch gewichtiges – Indiz dafür dar, dass eine entspr. Namensgebung unter Berücksichtigung der konkreten sozio-kulturellen Einbindung des Kindes dem Kindeswohl nicht widerspricht, zumal die notwendige Identifikationsfunktion des Vornamens auch durch die Vergabe weiterer – das Kind eindeutig etwa als männlich oder weiblich identifizierender – Vornamen gewährleistet werden kann (BGHZ 73, 239 [241 f.]). Auf den konkreten sozial-kulturellen Kontext und die sich hieraus ergebende konkrete Gefahr für das Kindeswohl kommt es schließlich auch bei der Vergabe von „Fantasienamen” oder der Umwidmung von Sachbezeichnungen in Personennamen an (vgl. Dortmund StAZ 1999, 149 für die Beifügung des Namens „Jazz”, wenn der Kindesvater ein Jazzmusiker ist). Andererseits dient der Aspekt des Kindeswohls – wie allgemein aus § 1666 BGB entnommen werden kann – allein der Begrenzung des Gestaltungsermessens der Eltern, nicht aber dessen Ersetzung durch staatliche Entscheidung. Daher vermag das Verbot einer Namenserteilung nur durch eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls gerechtfertigt zu werden (i. E. ebenso BayOBLG StAZ 1994, 315 zum Vornamen „Sonne” für ein Mädchen; OLG Celle StAZ 2001, 327 zum Vornamen „Leines” für einen Jungen; LG Köln StAZ 1999, 147 [148] zum Vornamen „Fanta” für ein Mädchen; OLG Zweibrückenv. 16.9.1983 – 3 W 79/83, NJW 1984, 1360 [1361] zum Vornamen „Philipp Pumuckl” für einen Jungen; OLG Karlsruhe StAZ 1998, 344 f. zum Vornamen „Speedy” für einen Jungen; OLG Schleswig, StAZ 1998, 288 f. zum Vornamen „Prestige” für einen Jungen).
2. Dem dargelegten Maßstab halten die sowohl vom AG als auch vom LG geäußerten Bedenken im Ergebnis nicht stand. Denn jedenfalls in der gewählten – und durch die Bindestrich-Namensgebung noch verfestigten – Kombination mit dem völlig unbedenklich einen weiblichen Vornamen darstellenden Vornamen „Emelie” erfüllt die Namensgebung „Emelie-Extra” die aus der Individualisierungsfunktion eines Vornamens herrührenden Anforderungen (a)). Auch hat die Beteiligte zu 1) und Beschwerdeführerin zwar bisher noch nicht die hinreichende Gebräuchlichkeit des Vornamens „Extra” nachweisen können (b)). Jedoch kommt es letztlich hierauf nicht an, weil jedenfalls in der Bindestrich-Kombination mit dem Vornamen „Emelie” die Beteiligte zu 1) sich zu Recht auf ihr Namensfindungsrecht beruft und eine hinreichende Gefahr der Beeinträchtigung allgemeiner Ordnungsvorstellungen und insb. einer Kindeswohlbeeinträchtigung durch Lächerlichkeit der Namensgebung nicht besteht (c)).
a) Zutreffend haben AG und LG ausgeführt, dass eine Namensgebung „Extra” jedenfalls nach für den Senat offenkundigem durchschnittlichem deutschen Sprachverständnis keinesfalls eine unzweifelhafte Namensgebung mit einem Personennamen darstellt, sondern eher die Heranziehung einer präpositionellen Eigenschaftsbeschreibung i.S.v. „außerhalb, hervorgehoben” o.ä. lateinischen Ursprungs. Daher hätte der Senat keinen Zweifel an der Unzulässigkeit einer entsprechenden Namensgebung, wenn die Beteiligte zu 1) ihrer Tochter allein den Namen „Extra” geben wollte. Auch etwa die Vornamen „Prestige” (OLG Schleswig StAZ 1998, 288 f.) „Jazz” (AG Dortmund StAZ 1999, 149) oder „Sonne” (BayOBLG StAZ 1994, 315) oder „Speedy” (OLG Karlsruhe StAZ 1998, 342) wurden zu Recht jeweils nur deshalb für zulässig erachtet, weil übrige Vornamen die Funktion einer geschlechtsbezogenen Zuordnung ermöglichten. Dies ist jedoch auch vorliegend der Fall.
b) Ebenfalls noch zutreffend hat das LG darauf hingewiesen, dass sich aus den ihm von der Beteiligten zu 1) vorgelegten Auszügen aus etymologischen Wörterbüchern keinesfalls die behauptete Gebräuchlichkeit eines weiblichen Vornamens „Extra” ergibt. Die – i.Ü. auch in der Stellungnahme der Namensberatungsstelle der Universität Leipzig weiter ausgeführte – Möglichkeit des sprachlichen Zusammenhangs des Vornamens „Extra” mit ähnlich klingenden Namen wie „Estra”, „Estrella”, „Exousia” oder „Exaltatiòn” o. ä. mag von sprachwissenschaftlichem Interesse sein, gibt aber noch keine Antwort auf die namensrechtlich allein bedeutsame Frage nach der tatsächlichen Gebräuchlichkeit und Geläufigkeit des Vornamens „Extra”. Soweit die in der erwähnten Stellungnahme enthaltene Formulierung „im romanischen und auch englischen Sprachraum ließen sich aber ebenso solche weiblichen Vornamen wie z.B. Estera, Estra, Extra, Esta, Exi, Essie und Etti nachweisen” Veranlassung zu weiterer Sachverhaltsaufklärung geben könnten, könnte der Senat diese im Rechtsbeschwerdeverfahren zwar nicht mehr vornehmen. Jedoch kommt es auf sie auch nicht mehr an, da der Senat aus anderen Gründen abschließend zu entscheiden vermag.
c) Der Beteiligten zu 1) kann die Berufung auf das Recht zur freien Namenserfindung im Ergebnis nämlich schon deshalb nicht verwehrt werden, weil der gewählte zusätzliche Namensbestandteil „Extra” einen über eine bloße Buchstabenfolge hinausgehenden Klang- und Aussagegehalt hat und dieser nach durchschnittlichem Sprachverständnis allgemeine Ordnungsvorstellungen und insb. Kindesinteressen jedenfalls nicht derart schwerwiegend beeinträchtigt, dass ein Verbot der Namensgebung verhältnismäßig wäre.
Unzweifelhaft handelt es sich nach Feststellung des LG bei der Bezeichnung „Extra” nicht um einen bloßen Ausruf oder eine sonstige umgangssprachliche Floskel („Hallo”, „He” oder „Naja”), welcher auch nach Auffassung des Senats Namensqualität fehlen würde (vgl. auch Staudinger/Coester, BGB, 2000, § 1616 Rz. 45). Auch ist gerade der vom LG angenommene Aussagegehalt i.S.v. „besonders, außergewöhnlich” geeignet, ähnlich sinngebend zu wirken, wie etwa die Beifügung der weiteren Vornamen „Sonne” (BayOBLG StAZ 1994, 315) oder „Prestige” (OLG Schleswig StAZ 1998, 288 f.). Keinesfalls handelt es sich bei derartigen Vornamen um „banale Sachbezeichnungen” (so aber insb. Hepting/Gaaz, Bd. 2 IV Rz. 768).
Was schließlich die Beurteilung der Auswirkungen einer derartigen Sinngebung auf die Entwicklungsperspektive des Kindes anbelangt, so muss diese letztlich zwiespältig ausfallen: Nicht von der Hand zu weisen ist die vom LG hervorgehobene Gefahr, die Trägerin eines solchen Namens „eher lächerlich zu machen”. Denn nicht auszuschließen ist die Möglichkeit, dass das Kind der Beteiligten zu 1) mit einem derartigen – auch als hervorhebende Werbebezeichnung bei Markenartikeln bekannten – Namen gerade im Schulkindalter entspr. gehänselt wird; Bemerkungen wie „du willst wohl immer eine Extra-Wurst” oder „du bist ja immer extra” liegen nicht fern. Insoweit wird eine außergewöhnliche Namensgebung für die namensgebenden Eltern auch immer eine gesteigerte elterliche Verantwortung zum Schutz ihrer Kinder vor derartigen Hänseleien beinhalten. Andererseits erscheint selbst ein derart inhaltlich verstandener Name „Extra” zugleich als Auszeichnung und Ansporn. Insoweit liegt es aber nicht wesentlich anders als beim Senat für zulässig erachteten weiteren Vornamen „Prestige” (OLG Hamburg StAZ 1998, 288) oder bei den für zulässig erachteten Namen „Speedy” (OLG Karlsruhe StAZ 1998, 344) oder „Mikado” (OLG Braunschweig StAZ 1998, 209 [210], alles Namen, deren Sinngehalt sowohl positiv als auch negativ aufgenommen werden kann. Bereits unter Verhältnismäßigkeitsaspekten ist für das Verbot einer Namenserteilung jedoch ein deutliches Überwiegen der negativen Bedeutungsmerkmale und damit eine erhebliche Gefahr der Herabwürdigung des Kindes zu fordern. Umso weniger kommt ein Verbot der Namenserteilung in Betracht, wenn – so liegt es hier – die streitige Namenserteilung nicht als alleinige Namensgebung erfolgt, sondern in Kombination mit einem „unproblematischen” Namen oder Namensbestandteil. Denn dann hat der Betroffene zumindest in der sozialen Realität es selbst mit in der Hand, die Namensverwendung zu steuern, mag dies auch bei der gewählten Bindestrich-Kombination schwerer als bei der schlichten Aneinanderreihung von Vornamen fallen.
Nach alledem bestehen gegen die Eintragung des Vornamens „Emelie-Extra” in die betreffenden Personenstandsregister nicht die von den Vorinstanzen geltend gemachten rechtlichen Bedenken. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind daher aufzuheben und die Standesbeamtin anzuhalten, von ihren Bedenken Abstand zu nehmen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die beantragte Eintragung zu befinden.
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