Zulässige Image-Werbung mit unerwünschten E-Mails bei Spendenaktion
Gericht
AG Hannover
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
19. 02. 2003
Aktenzeichen
526 C 15759/02
Auszüge aus den Gründen:
I. Dem Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 I BGB auf Erstattung der durch die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten zu. Die Bekl. hat nicht in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Kl. eingegriffen, indem sie dem Kl. ohne dessen Willen eine E-Mail mit einem Spendenaufruf im Internet übersandte.
Ein unmittelbarer und zielgerichteter Eingriff in den Gewerbebetrieb ist nur dann gegeben, wenn sich der Eingriff gegen den Betrieb als solchen richtet und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betroffen sind. Dies ist jedoch unter Heranziehung der Kriterien für die Wettbewerbswidrigkeit von E-Mail-Werbung im Rahmen des § 1 UWG zu beurteilen (LG Berlin, NJW-RR 2000, 1229 = CR 2000, 622; LG Berlin, MMR 1999, 43 = CR 1999, 187 [188]), wonach derjenige, der im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.
Vorliegend ist insoweit bereits zweifelhaft, ob die streitgegenständliche E-Mail eine zu Zwecken des Wettbewerbs vorgenommene Handlung darstellt. Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs ist erst dann gegeben, wenn in objektiver Hinsicht ein Tun vorliegt, das geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil desjenigen einer anderen Person zu fördern (BGH, NJW 1983, 1737). Zwar hat die Bekl. durch den Spendenaufruf keinen unmittelbaren finanziellen Vorteil erlangt, mit dem sie ihre wettbewerbsrechtliche Position hätte verbessern können. Der Spendenaufruf, in dem der Firmenname der Bekl mehrfach und (teilweise) auch in optisch hervorgehobener Art und Weise genannt wird, ist aber unter dem Gesichtspunkt der Förderung des geschäftlichen Ansehens objektiv geeignet, den eigenen Wettbewerb der Bekl. zu fördern.
Ein Verstoß gegen § 1 UWG kommt aber darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn in subjektiver Hinsicht die Absicht vorliegt, den eigenen Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter dem eigentlichen Beweggrund zurücktritt (BGH, NJW 1983, 1737). Insoweit ist bei Wirtschaftsunternehmen bei Vorliegen einer auf den Wettbewerb bezogenen Handlung in der Regel auf eine entsprechende Absicht zur Förderung des Wettbewerbs zu schließen (Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 21. Aufl., Einl. UWG Rdnr. 235). Daraus darf aber keineswegs der Schluss gezogen werden, dass jede Handlung, die objektiv wettbewerbsfördernde Wirkung nach sich zieht, nach dem Recht des unlauteren Wettbewerbs zu beurteilen ist, zumal wenn die Handlung aus z.B. sozialen oder weltanschaulichen Zwecken erfolgt (vgl. Baumbach/Hefermehl, Einl. UWG Rdnr. 235). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in der E-Mail der Bekl. kein konkretes Produkt beworben wird und auch im Übrigen keinerlei Hinweise auf den konkreten Tätigkeitsbereich der Bekl. enthalten sind, stellt sich somit in der Tat die Frage, ob das (gleichzeitig vorhandene) Bewusstsein, mit dem Spendenaufruf das eigene geschäftliche Ansehen zu mehren, ein eigenständig prägendes Element darstellt und vor dem Hintergrund des karitativen Zwecks nicht vernachlässigt werden muss.
Die abschließende Entscheidung dieser Frage kann aber dahingestellt bleiben, da das Verhalten der Bekl. nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest nicht als sittenwidrig i.S. des § 1 UWG angesehen werden kann.
§ 1 UWG dient nicht nur dem Schutz der Wettbewerber, der Abnehmer und Lieferanten, sondern auch dem Verbraucher und der Allgemeinheit. Die Feststellung eines Verstoßes gegen § 1 UWG setzt daher eine sorgfältige Abwägung der betroffenen Güter und Interessen voraus (Baumbach/Hefermehl, Einl. UWG Rdnr. 83).
So ist eine gefühlsbetonte Werbung, die an Gefühle des Umworbenen wie z.B. Hilfsbereitschaft, Spendenfreudigkeit oder soziale Verantwortung appelliert, als wettbewerbswidrig anzusehen, wenn diese geeignet ist, einen Kunden irrezuführen oder unter Ausnutzung der Gefühle des Kunden eine (Kauf-)Entscheidung in unsachlicher Weise zu beeinflussen (Baumbach/Hefermehl, § 1 Rdnr. 185). Sittenwidrig ist ein Verhalten aber nur dann, wenn sich ein Unternehmen das Mitgefühl oder die soziale Hilfsbereitschaft für eigennützige Zwecke planmäßig zu Nutze macht, ohne dass irgendein sachlicher Zusammenhang mit der Leistung, wie den Eigenschaften einer Ware, ihrer Herstellungsart oder Preiswürdigkeit besteht (Baumbach/Hefermehl, § 1 Rdnr. 186a; BGH, NJW-RR 1987, 991 = GRUR 1987, 534 [535]). Dies vermag das Gericht aber entgegen der Auffassung des Kl. nicht festzustellen.
Im vorliegenden Fall ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Bekl. nicht mit einer konkreten Leistung wirbt, sondern nur zu einer Beteiligung an einer Auktion zu Spendenzwecken aufruft. Das im Rahmen der Auktion angebotene Produkt ist nicht von der Bekl. hergestellt worden, sondern ist das Produkt einer Drittfirma. Die E-Mail der Bekl. enthält auch unmittelbar keinerlei Hinweis zu der konkreten Beschaffenheit des Produkts. Dazu bedarf es vielmehr des Aufrufs einer völlig anderen Homepage.
Angaben zum Tätigkeitsbereich der Bekl. fehlen in der E-Mail. Der Werbeeffekt erschöpft sich mithin allein in der mehrfachen Namensnennung. Zudem hat die Beteiligung an der durch die Bekl. veranstalteten Auktion bzw. Verlosung keinerlei wirtschaftlich messbaren Nebeneffekt.
Darin liegt aber ein erheblicher Unterscheid zu dem vom BGH entschiedenen Fall zum „McHappy-Tag“ (s. BGH, NJW-RR 1987, 991 = GRUR 1987, 534f.). Der BGH billigt in dieser Entscheidung die Wertung des BerGer., dass die Spendenaktion eine Werbemaßnahme darstelle, die der allgemeinen Umsatzsteigerung und Gewinnerzielung diene. Die Werbung solle nämlich nicht nur auf das Restaurant aufmerksam machen und ihm ein positives Image verleihen. Sie verleite außerdem zu einem Besuch des Restaurants, wodurch nicht nur der Umsatz des beworbenen Produkts („Hamburger“), sondern der gesamten Produktpalette gefördert werde (BGH, NJW-RR 1987, 991). Die Spendenaktion bezog sich also auf ein konkretes Produkt des Werbenden und diente unmittelbar der Umsatzsteigerung aller Produkte des in der Restaurantbranche tätigen Werbenden.
Im vorliegenden Fall stellt jedoch allein das zu erwartende positive Image der Bekl. das Ergebnis der Werbewirkung dar, die zwangsläufig mit der Initiative zur Veranstaltung der Spendenaktion einhergeht.
Nur diese Bewertung berücksichtigt zudem in ausreichender Weise, dass das Schutzgut des § 1 UWG in erster Linie der Leistungswettbewerb ist. Die Norm missbilligt im Interesse des Schutzes der Wettbewerber und sonstigen Marktbeteiligten Verhaltensweisen, welche die Funktionsfähigkeit des an der Leistung orientierten Wettbewerbs im wettbewerbsrechtlichen Handeln einzelner Unternehmen oder als Institution stören (BVerfG, NJW 2002, 1187). Es bedarf mithin der konkreten Feststellung einer auf die Sittenwidrigkeit aufbauenden Gefährdung des Wettbewerbs. Diese Feststellung ist aber notwendig, da jeder Marktteilnehmer üblicherweise einer Vielzahl von suggestiven Werbeeinflüssen ausgesetzt ist, ohne dass darin eine entsprechende Gefährdung des Leistungswettbewerbs gesehen werden kann (BVerfG, NJW 2002, 1187). Ein Großteil der heutigen Werbung ist nämlich durch das Bestreben gekennzeichnet, durch gefühlsbetonte Motive Aufmerksamkeit zu erregen und Sympathie zu gewinnen (BVerfG, NJW 2002, 1187).
Bei Würdigung aller in Betracht zu ziehenden Umstände ist nach Auffassung des Gerichts eine konkrete Gefährdung des Wettbewerbes zu verneinen. Im Vordergrund der E-Mail steht der mit der Spendenaktion verfolgte humanitäre Aspekt. Dies wird mit dem unmissverständlichen Hinweis auf das Hilfsprojekt „Nachbarn in Not“ des Deutschen Roten Kreuzes und der Möglichkeit, von dort eine Spendenquittung zu erhalten, ausgedrückt. Eine konkrete und spürbare Verletzung des Leistungswettbewerbs vermag das Gericht darin nicht zu sehen, so dass die Sittenwidrigkeit im Ergebnis zu verneinen ist.
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