Vertragschluss im Internet-Handel - Erhalt nicht bestellter Ware
Gericht
LG Gießen
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
04. 06. 2003
Aktenzeichen
1 S 413/02
Auch im Internethandel entspricht es der Verkehrssitte, dass die Erklärung der Annahme des in der Bestellung per E-Mail liegenden Vertragsangebots dem Antragenden nicht mitgeteilt wird; das Vertragsangebot wird jedoch in der Regel weder durch automatisierte Antwort-E-Mails des Versandhändlers, noch konkludent durch Zusendung anderer als der bestellten Waren angenommen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bekl. betreibt einen Computerhandel mit Online-Shop. Der Kl. bestellte per E-Mail am 18. 3. 2002 drei auf der Web-Site der Bekl. mit 79 Euro beworbene sog. Switches „Typ D-Link DES-1024“. Er erhielt noch am gleichen Tag zwei E-Mails der Bekl., in denen diese sich u.a. für die Bestellung bedankte und ihm eine Kundennummer zuwies. Am 28. 3. 2002 lieferte die Bekl. Switches eines anderen Typs, die der Kl. als nicht bestellt zurückwies. Die Bekl. berief sich auf eine Verwechslung bei der Eingabe in die Preislisten für ihre Homepage und bot dem Kl. eine Gutschrift oder die Switches „Typ D-Link DES-1024“ zu einem teureren Preis an.
Das AG hat einen Vertragsschluss zu den vom Kl. vorgetragenen Bedingungen angenommen und der auf Erfüllung des Kaufvertrags zu einem Stückpreis von 79 Euro gerichteten Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Bekl. hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Die Kammer geht - ebenso wie das AG und auch die Parteien - davon aus, dass die Werbung auf der Web-Site der Bekl. kein verbindliches Angebot, sondern lediglich eine sog. invitatio ad offerendum darstellt. Das Angebot zum Kauf von drei Switches „D-Link DES-1024“ zum Einzelpreis von 79 Euro ist in der klägerischen E-Mail vom 18. 3. 2002 zu sehen. Die Antwort-E-Mail gleichen Datums um 18.38 und 20.51 Uhr stellen bei objektiver Betrachtung keine Annahme des klägerischen Angebots dar. Hinsichtlich der zeitlich früheren Nachricht an den Kl. ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut(„keine Auftragsbestätigung“). Der abschließende Satz „Wir wünschen Ihnen viel Freude mit der Sie in Kürze erreichenden Bestellung“ kann aus Sicht des Empfängers nicht als bindende Vertragsannahme angesehen werden (§§ 133 , 157 BGB). Dagegen spricht die erwähnte, eindeutige Klarstellung zwei Zeilen zuvor, dass keine Auftragsbestätigung erklärt wird. Dagegen spricht auch der Erklärungsinhalt des letzten Satzes, der bei lebensnaher Betrachtung nur viel Freude an den bestellten Sachen wünscht, welche zeitnah beim Besteller eingehen werden. Unter Berücksichtigung des kurzen Zeitablaufs kann dieser Erklärung nicht die für jeglichen Versandhandel unübliche Bedeutung beigemessen werden, verbindlich das Vertragsangebot ohne weitere Prüfung beispielsweise auch der Lagerkapazität oder auch der Angaben der Bestellung bereits jetzt zu den Konditionen der Bestellung annehmen zu wollen. Bei der - möglicherweise automatisierten - Antwort des „Alternate Online Teams“ handelt es sich vielmehr nur um eine höfliche Bestätigung des Eingangs der Bestellung und die sinngemäße Zusage, diese zeitnah zu bearbeiten.
Ähnlich verhält es sich bei der E-Mail von 20.51 Uhr. Mehr als eine Mitteilung der Kundennummer und der Abgabe an die Versandabteilung ist in dieser Nachricht nicht zu sehen.
In diesem Zusammenhang ist zudem festzuhalten, dass sich die Bestellung per E-Mail insoweit nicht von sonstigen Versandhandelsbestellungen per Telefon oder Fax unterscheidet. Beim Versandhandel entspricht es der Verkehrssitte (vgl. § 151 S. 1 BGB), dass das Vertragsangebot in Form der Bestellung nicht gesondert vor Auslieferung der Ware angenommen wird (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 151 Rdnr. 4; Staudinger/Bork, BGB, 12. Aufl., § 151 Rdnrn. 2, 7, 17; Kramer, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 151 Rdnr. 51, jeweils m.w.Nachw.). Die Lieferung der bestellten Sache stellt in solchen Fällen entweder die (konkludente) Annahmeerklärung dar (so dass es keines Rückgriffs mehr auf die Regelung des § 151 BGB bedarf, vgl. Staudinger/Bork, § 151 Rdnrn. 2, 7, 17) oder die äußere Kundgabe des Annahmewillens durch die Erfüllungshandlung selbst (vgl. Kramer, in: MünchKomm, § 151 Rdnr. 50).
Wird, wie vorliegend, nicht bestellte Ware zugesandt, stimmen Angebot und Annahme oder Kundgabe des Annahmewillens nicht überein mit der Folge, dass der Vertrag zu den Bedingungen, wie sie die Bestellung des Kunden vorgegeben hat, nicht zu Stande gekommen ist (vgl. Staudinger/Bork, § 151 Rdnr. 17; Kramer, in: MünchKomm, § 151 m.w. Nachw.). Insoweit folgt die Kammer der Argumentation der Berufungserwiderung nicht. Die objektiv erkennbare Betätigung des Annahmewillens durch Vornahme der Erfüllungshandlung setzt auch i.S. des § 151 BGB voraus, dass beide Parteien von der identischen Kaufsache ausgehen. Dies muss auch dann gelten, wenn im Sinne der Berufungserwiderung die Manifestierung des Annahmewillens auf den Zeitpunkt der Absendung der Ware vorverlegt wird. Denn auch zu diesem Zeitpunkt will der Vertragspartner nur das Angebot annehmen, das sich auf die zum Versand gebrachte Ware bezieht und nicht eine Warenbestellung, die andere Kaufgegenstände zum Inhalt hatte. Nur die diesbezüglich vorgenommenen Dispositionen können eine objektiv erkennbare Ausübung des Annahmewillens darstellen.
Das in der Übersendung der anderen Computerswitches liegende neue Vertragsangebot (§ 150 II BGB) hat der Kl. nicht angenommen; Anhaltspunkte für die Annahme, dass die vom Kl. mit der Bestellung gewollte Lieferung auch ohne Vereinbarung über den Typ der Switches geschlossen worden wäre (§ 155 BGB), liegen nicht vor. Mangels Vertragsschluss kommt es schließlich auf die Problematik der (rechtzeitigen) Vertragsanfechtung nicht an.
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