Anfechtbarkeit einer automatisierten, vom Computer erstellten Erklärung

Gericht

OLG Frankfurt/M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

20. 11. 2002


Aktenzeichen

9 U 94/02


Leitsatz des Gerichts

Auch eine automatisierte, vom Computer erstellte Erklärung (hier: zu niedriger Kaufpreis in einer automatisierten Auftragsbestätigung wegen einer nicht erkannten Formeländerung) unterliegt den Regeln der Willenserklärung und ist damit einer Anfechtung zugänglich.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. betreibt ein Onlinekaufhaus für Computer und Computerzubehör. Sie hält unter einer Internetadresse ein Warensortiment aus diesem Bereich zur Onlinebestellung bereit. Am 25.4.2001 bestellte der Kl. bei der Bekl. über das Internet einen Computer der Marke Apple Powermac G4 733 zu einem Bruttopreis von DM 93,55. Darüber hinaus orderte er am selben Tag einen Computermonitor „Apple Studio Display 15.1 Zoll TFT Flat Panel“ sowie einen weiteren Computer „Apple Powermac G4“ zu einem Gesamtbruttopreis von DM 106,84. Bei der Abgabe seiner Bestellung bezog sich der Kl. auf Preise, die von der Bekl. auf ihrer Homepage unter der Rubrik „Preisbrecherangebote“ für die vorgenannten Produkte in einer entsprechenden Preisliste zum Zeitpunkt der Abgabe der Bestellung genannt worden waren. Tatsächlich beliefen sich die Nettopreise der bestellten Geräte auf DM 1.809,48 für den Computer-Monitor und auf DM 6.550,86 bzw. DM 7.214,66 für die beiden Rechner. Zu den Preisunterschieden ist es gekommen, weil auf Grund einer Formeländerung in der Software des Providers bei der Übertragung der Daten an diesen zusätzlich standardmäßig zwei Kommastellen berücksichtigt wurden. Durch diese zusätzliche Kommasetzung verringerte sich der Preis jeden Artikels auf 1% des von der Bekl. tatsächlich geforderten Betrags.

Die vom Kl. aufgegebenen Bestellungen wurden von der Bekl. sofort mit zwei Mails bestätigt. Zwischen Eingang der Bestellungen und Absendung der Bestätigungen lag jeweils 1 Minute. Am Folgetag wies die Bekl. den Kl. in einer E-Mail darauf hin, dass ihm falsche Preise für die von ihm bestellten Produkte übermittelt worden seien. Ferner wurden dem Kl. die richtigen Preise mitgeteilt und angefragt, ob auch unter Zugrundelegung dieser er an der Bestellung festhalte.

Der Kl. forderte die Lieferung der bestellten Geräte zum Preis von DM 200,39, was die Bekl. ablehnte.

Entscheidungsgründe


Aus den Gründen:

Der Kl. kann von der Bekl. nicht gem. § 433 Abs. 2 BGB2001 a.F. Lieferung der beiden Computer und des Computermonitors Zug um Zug gegen Zahlung von EUR 102,46 verlangen. Wirksame Kaufverträge, auf die der Kl. sein Begehren stützen könnte, sind zwischen den Parteien nicht zu Stande gekommen. Die Bekl. hat nämlich ihre auf Abschluss der Kaufverträge gerichtete Willenserklärung wirksam angefochten mit der Folge, dass diese Willenserklärungen gem. § 142 BGB nichtig sind. Es fehlt deshalb an miteinander korrespondierenden Willenserklärungen und damit an entsprechenden Kaufvertragsschlüssen.

1. Die Angebote der Bekl. auf ihrer Homepage, in der die streitgegenständlichen Geräte unter der Rubrik „Preisbrecher“ aufgeführt waren, stellten noch kein rechtlich bindendes Angebot i.S.v. § 145 BGB dar. Bei ihnen handelte es sich lediglich um die noch unverbindliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum). Der Website der Bekl. kam lediglich die Funktion eines ansonsten gedruckten Prospekts oder Katalogs zu, mit denen üblicherweise nur vorvertragliche Informationen übermittelt werden (vgl. Glatt, Vertragsschluss im Internet, S. 40, 41; Dilger, Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Internet, S. 31 ff.).

Indem der Kl. unter Übernahme der auf der Website der Bekl. angeführten Preise bei dieser die streitgegenständlichen Geräte bestellte, gab er ggü. dieser einen entsprechenden Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags i.S.v. § 145 BGB ab. Gegenstand dieses Antrags war die Lieferung der Geräte zu einem Gesamtpreis von (DM 93,55 + DM 106,84 =) DM 200,39. Dieses Angebot hat die Bekl. zunächst auch angenommen. Die Annahme erfolgte mittels zweier automatisierter Computererklärungen (Mail Link) vom selben Tage, in denen es unter Bezugnahme auf die jeweiligen Auftragsnummern heißt: „Vielen Dank für Ihren Auftrag, den wir so schnell als möglich ausführen werden.“ Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont konnten diese Erklärungen nur i.S.e. rechtsverbindlichen Annahme der Angebote verstanden werden. Diese Mitteilungen beinhalteten nicht bloß die Bestätigung des Eingangs der Bestellung auf elektronischem Wege, wie sie nunmehr, nach Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz - seit 1.1.2002 - geboten ist (§ 312e Abs. 1 Nr. 3 BGB). Dem steht der Wortlaut der beiden Mails entgegen. Der Hinweis auf die schnellstmögliche Ausführung des Auftrags kann nur als Annahme der vom Kl. unterbreiteten Angebote interpretiert werden. Wenn der Lieferant lediglich den Zugang bestätigen möchte, sich die Annahme des Angebots aber noch offen halten will, muss er dieses eindeutig klarstellen (vgl. zur neuen Rechtslage insoweit: Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e Rdnr. 46).

2. Ihre beiden Annahmeerklärungen hat die Bekl. jedoch wirksam angefochten.

a) Zur Anfechtung war die Bekl. gem. § 120 BGB berechtigt. Auch eine automatisierte, vom Computer erstellte Erklärung unterliegt den Regeln der Willenserklärung und ist damit einer Anfechtung zugänglich. Dass es sich vorliegend bei den Annahmeerklärungen um derartige automatisierte Computererklärungen handelt, wird aus dem Zeitablauf deutlich. Ausweislich ihres Inhalts sind die Bestätigungen des Auftrags des Kl. jeweils eine Minute nach Eingang der Bestellung erfolgt. Auch aus dem sonstigen Text wird deutlich, dass es sich um Erklärungen handelt, die von einem Rechner infolge einer entsprechenden Programmierung automatisch erstellt und dann an den Computer des Kl. elektronisch übermittelt wurden. Da aber der Rechner nur Befehle ausführt, die zuvor mittels Programmierung von Menschenhand festgelegt worden sind, hat jede automatisch erstellte Computererklärung ihren Ursprung in einer menschlichen Handlung, die von dem Erklärenden veranlasst wurde und die auf seinen Willen zurückgeht. Auch Computererklärungen sind deshalb als Willenserklärungen dem jeweiligen Betreiber zuzurechnen.

b) Eine Erklärung des Inhalts, nämlich zum Preis von DM 93,55 bzw. DM 106,84, dem Kl. die drei streitgegenständlichen Artikel zu liefern, hat die Bekl. nicht abgeben wollen. Vielmehr glaubte sie, mit dem Kl. auf der Basis der von ihr vorgegebenen Preise zu kontrahieren. Der Irrtum, der der Bekl. hier unterlaufen ist, unterliegt den Regeln des Übermittlungsirrtums gem. § 120 BGB. Zurückzuführen ist dieser Irrtum auf eine von der Bekl. nicht erkannte Formeländerung in der Software durch den Provider, die letztlich bewirkte, dass die von der Bekl. in ihrem Auftragssystem korrekt erfassten glatten DM-Beträge unter Setzen zweier Kommastellen (aus DM 7.215 wurden DM 72,15) in die Datenbank des Providers und von dort in die Internetdatenbank transportiert wurden. Zwar betraf diese unrichtige Übermittlung nicht unmittelbar die beiden Annahmeerklärungen der Bekl. Gegenstand der unrichtigen Übermittlung des zwischengeschalteten Providers war die invitatio ad offerendum, auf Grund derer der Kl. seine Vertragsangebote abgab. Die unrichtige Übermittlung der invitatio ad offerendum wirkte bei der infolge der entsprechenden Programmierung automatisch erstellten und dann an den Rechner des Kl. elektronisch übermittelten Annahmeerklärung der Bekl. noch fort. Bei diesem Geschehensablauf hatte die Bekl. keine Möglichkeit, den Fehler bei der Übermittlung zu bemerken oder gar zu korrigieren.

Nach Auffassung des Senats kann dieser Fall nicht anders zu beurteilen sein, als wenn man die „invitatio ad offerendum“ der Bekl. bereits als bindendes Angebot angesehen hätte, das der Kl. angenommen hätte. In diesem Falle lägen unzweifelhaft die Voraussetzungen des § 120 BGB vor, weil der eingeschaltete Provider die ihm zur Verfügung gestellten Preise nicht korrekt weitergegeben und falsche Zahlen in die Homepage der Bekl. eingestellt hat. Die invitatio ad offerendum ist zum Vorteil des Anbieters entwickelt worden, um dessen Interessenlage Rechnung zu tragen, dass er sich in dieser Situation noch nicht sofort und endgültig binden will. Diese Konstruktion kann ihm jedenfalls dann nicht zum Nachteil gereichen, wenn die Folgen einer unrichtigen Übermittlung oder eines Irrtums bei einer invitatio ad offerendum unverändert bei der Annahme noch fortwirken.

c) Entgegen der Auffassung des Kl. ist die Anfechtung durch die Bekl. auch wirksam erklärt worden. Die E-Mail der Bekl. an den Kl. erfüllt die Anforderungen einer Anfechtungserklärung i.S.v. § 143 Abs. 1 BGB. Unerheblich ist, dass die Formulierung „Anfechtungserklärung“ in dem Schreiben nicht enthalten ist. Es reicht aus, wenn die Erklärung erkennen lässt, die Partei wolle aus einem in den §§ 119 ff. BGB genannten Gründen das Geschäft nicht gelten lassen. Dem genügt der Inhalt des Schreibens, denn aus ihm wird die Absicht der Bekl. deutlich, an ihre Erklärung wegen eines Übertragungsfehlers, der zur Übermittlung falscher Preise geführt habe, nicht weiter festzuhalten (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe, VersR 1992, 1121).

d) Die Anfechtung erfolgte auch fristgemäß i.S.v. § 121 Abs. 1 BGB. Nachdem die Bekl. von dem Anfechtungsgrund Kenntnis hatte, hat sie unverzüglich, nämlich bereits am Tag nach Abgabe der fehlerhaft übermittelten Willenserklärungen, die Anfechtung erklärt.

e) Sind die zum Vertragsabschluss führenden Willenserklärungen wirksam angefochten, entfällt mangels Vertrags ein Anspruch des Kl. auf Lieferung und Übereignung der beiden Rechner und des Monitors Zug um Zug gegen Zahlung von EUR 102,46.

Rechtsgebiete

Internetrecht