Parabolantennen von in Deutschland lebenden Ausländern an Wohnungseigentum

Gericht

OLG Schleswig


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

12. 02. 2003


Aktenzeichen

2 W 217/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Das Interesse der Wohnungseigentümer an einer optisch nicht beeinträchtigten Fassade steht zurück hinter dem Interesse eines ausländischen Mieters (oder Wohnungseigentümers) eine Parabolantenne anzubringen, wenn nur mit dieser Antenne Programme aus dem Heimatland empfangen werden können.

  2. Ein Wohnungseigentümerbeschluss, der Parabolantennen einen bestimmten Standort zuweist, ist nicht bindend, wenn am festgelegten Standort die gewünschten ausländischen Programme nicht empfangen werden können.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Beteiligte zu 1), eine Wohnungseigentümerin, hat ihre Wohnung an die Eheleute P. (im Folgenden: Mieter) vermietet, die dort mit ihren 4 schulpflichtigen Kindern leben. Die Mieter und ihre Kinder sind italienische Staatsangehörige. Sie können über den Kabelanschluss der Anlage keine italienischen Programme empfangen. Deshalb installierten sie über der Balkonbrüstung der Wohnung der Beteiligten zu 1) eine Satellitenempfangsanlage, die auf Eutelsat ausgerichtet ist. Damit können die öffentlich-rechtlichen Programme Italiens empfangen werden.

Die Beteiligte zu 3), die Verwalterin der Anlage, forderte die Beteiligte zu 1) seit dem 29.3.2001 mehrfach zur Beseitigung der Parabolantenne auf, da die Installation einer Satellitenempfangsanlage einer Ausnahmegenehmigung der Wohnungseigentümergemeinschaft bedürfe; dieser obliege insb. die Auswahl eines Standorts. Die Beteiligte zu 1) stellte daraufhin einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung für die Satellitenempfangsanlage ihrer Mieter und bat um die Zuweisung eines geeigneten Standorts.

Am 14.2.2002 haben die Beteiligten zu 2), weitere Wohnungseigentümer, beim AG den Antrag gestellt, die Beteiligte zu 1) zu verpflichten, die Parabolantenne vom jetzigen Standort zu entfernen und es künftig zu unterlassen, eine solche Anlage erneut im Bereich ihres Balkons an von außen sichtbarer Stelle anzubringen oder von Dritten anbringen zu lassen. Diesem Antrag hat das AG mit Beschluss vom 2.5.2002 stattgegeben. Dagegen hat die Beteiligte zu 1) form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt.

Am 24.4.2002 fasste die Wohnungseigentümerversammlung unter dem Tagesordnungspunkt (TOP) 14 „Verschiedenes” mehrheitlich den folgenden Beschluss:

„Die Wohnungseigentümerversammlung beschließt, dass der Mieter der Miteigentümerin Frau G. seine Satellitenanlage abbauen soll und stattdessen die Antenne auf den Balkonboden stellt.”

Die Beteiligte zu 1) hält diesen Standort für völlig ungeeignet, da ein Empfang fast unmöglich sei.

...

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die bisherigen Feststellungen des LG rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Beteiligten zu 2) einen durchsetzbaren Anspruch auf Entfernung der am Gemeinschaftseigentum angebrachten Parabolantenne gegen die Beteiligte zu 1) haben.

Es ist insb. noch nicht hinreichend geklärt, ob sich ein solcher Anspruch aus den §§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, 15 Abs. 3 WEG ergibt. Das wäre allenfalls dann zu bejahen, wenn die Parabolantenne nicht ohne die Zustimmung der Beteiligten zu 2) am Gemeinschaftseigentum hätte angebracht werden dürfen. Nach den §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG darf ein Wohnungseigentümer eine solche bauliche Veränderung ohne die Zustimmung anderer Wohnungseigentümer vornehmen, wenn dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Bei der Beurteilung dieser Frage bedarf es einer Abwägung der beiderseits geschützten Interessen; dabei ist auf Seiten des Wohnungseigentümers, der die Parabolantenne selbst angebracht hat oder von seinen Mietern hat anbringen lassen, neben seinem Eigentumsrecht (Art. 14 GG) vor allem sein Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) oder ggf. das seines Mieters zu berücksichtigen und auf Seiten der widersprechenden Wohnungseigentümer ihr durch die Installation der Parabolantenne berührtes Eigentumsrecht (vgl. BVerfG NJW 1995, 1665; v. 11.7.1996 – 1 BvR 1912/95, NJW 1996, 2858; OLG Hamm DWE 2002, 106). Beide Interessen sind durch Grundrechte geschützt, von denen grundsätzlich keines dem anderen vorgeht; maßgebend für die Entscheidung kann daher nur sein, welche Beeinträchtigung im konkreten Fall schwerer wiegt (BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147). Hier ist bei dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländern – wie den Mietern der Beteiligten zu 1) – zu berücksichtigen, dass sie ein besonderes Interesse daran haben, sich mit Hilfe der Programme ihres Heimatlandes über das dortige Geschehen zu informieren und die kulturelle und sprachliche Bindung aufrechtzuerhalten; diese Möglichkeit eröffnet – wie auch im vorliegenden Fall – i.d.R. nur eine Satellitenempfangsanlage; das besondere Interesse ausländischer Wohnungseigentümer und Mieter an der Installation einer solchen Antenne hat deshalb i.d.R. Vorrang vor dem geschützten Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an der auch optisch ungeschmälerten Erhaltung ihres Eigentums (vgl. BVerfG NJW 1995, 1665). In entsprechenden Fällen darf ein Wohnungseigentümer eine Parabolantenne daher grundsätzlich ohne die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer anbringen oder von seinem Mieter anbringen lassen. Das bedeutet indessen nicht, dass den Interessen der anderen Wohnungseigentümer in solchen Fällen gar nicht Rechnung zu tragen wäre. Nach § 14 Nr. 1 WEG darf vielmehr auch eine grundsätzlich zulässige Parabolantenne die anderen Wohnungseigentümer nicht über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen. Sie darf daher nur an einem zum Empfang geeigneten Ort installiert werden, an dem sie die anderen Wohnungseigentümer möglichst am wenigsten beeinträchtigt – insb. den optischen Gesamteindruck der Wohnungseigentumsanlage möglichst am wenigsten stört (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 22 Rz. 190; BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147). Das LG hat bislang indessen keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob der von den Mietern der Beteiligten zu 1) ausgewählte Standort diesen Anforderungen genügt. Wenn das zu verneinen sein sollte, wäre die Installation der Antenne an diesem Ort gem. § 22 Abs. 1 Nr. 1 WEG nur mit Zustimmung aller Beteiligten zu 2) zulässig gewesen. Da es daran fehlt, wäre die Beteiligte zu 1) gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, 15 Abs. 3 WEG verpflichtet, die Parabolantenne vom gegenwärtigen Standort zu entfernen.

Die Beteiligte zu 1) könnte dem Beseitigungsbegehren der Beteiligten zu 2) insb. nicht mit Erfolg entgegenhalten, ihr sei die Erfüllung dieser Verpflichtung im Hinblick auf den Widerstand ihrer Mieter unmöglich. Nach § 14 Nr. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer vielmehr zumindest verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren darauf hinzuwirken, dass seine Mieter unzulässige Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums unterlassen (vgl. BGH v. 29.11.1995 – XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 714). Es kann indessen nicht davon ausgegangen werden, dass die Beteiligte zu 1) diese Verpflichtung bereits erfüllt hat. Im Übrigen hat die Beteiligte zu 1) im Verhältnis zu ihrem Mieter auch das Recht, einen Platz für die Installation der Parabolantenne zu bestimmen, an dem die Antenne einen ordnungsgemäßen Empfang gewährleistet und am wenigsten stört (vgl. dazu grundsätzlich BVerfG v. 9.2.1994 – 1 BvR 1687/92, MDR 1994, 547 = NJW 1994, 1147). Dieses Recht kann die Beteiligte zu 1) notfalls gerichtlich gegen ihre Mieter durchsetzen.

Wenn der ausgewählte Standort den genannten Anforderungen dagegen entspräche, wäre die Installation der Parabolantenne an diesem Ort grundsätzlich ohne die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zulässig gewesen. Ein Anspruch der nicht zustimmenden Wohnungseigentümer auf Beseitigung nach den §§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, 15 Abs. 3 WEG bestünde daher grundsätzlich nicht. Die zustimmenden Wohnungseigentümer hätten die Antenne infolge ihrer Zustimmung ohnehin zu dulden.

Den anderen Wohnungseigentümern steht bei der Auswahl des Standorts für eine Parabolantenne zwar auch ein gewisses (Mit-)Direktionsrecht und Beurteilungsermessen zu (vgl. OLG Düsseldorf WE 1996, 71). Dieses (Mit-)Bestimmungsrecht ist aber nur oder erst dann zu berücksichtigen, wenn es auch verbindlich ausgeübt wird (zu der vergleichbaren Problematik im Mietrecht: BVerfG WuM 1996, 82). Im vorliegenden Fall haben die Wohnungseigentümer zwar mit Beschluss vom 24.4.2002 eine Standortwahl getroffen, und dieser Beschluss ist bestandskräftig geworden. Er entfaltet jedoch keine Bindungswirkung, wenn – wie von der Beteiligten zu 1) behauptet – am ausgewählten Standort kein ordnungsgemäßer Empfang italienischer Programme gewährleistet ist. In diesem Fall hätte die Beteiligte zu 1) zumindest einen Anspruch auf Änderung des Beschlusses vom 24.4.2002. Ein solcher Anspruch besteht, wenn außergewöhnliche Umstände das Festhalten an einer beschlossenen Regelung als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßend erscheinen lassen (vgl. OLG Hamm, DWE 2002, 106; BayObLG v. 9.2.1994 – 2Z BR 127/93, MDR 1994, 582 = BayObLGReport 1994, 27 = NJW-RR 1994, 658; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 21 Rz. 87). Diese Voraussetzungen lägen bei dem Beschluss vom 24.4.2002 vor, wenn an dem von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossenen Standort kein ordnungsgemäßer Empfang gegeben wäre. In diesem Fall wäre die verfassungsrechtlich geschützte Informationsfreiheit der Mieter der Beteiligten zu 1) im Hinblick auf ihr besonderes Interesse an dem Empfang italienischer Programme durch den Beschluss vom 24.4.2002 so schwerwiegend beeinträchtigt, dass die Standortbestimmung als in hohem Maße unbillig und treuwidrig anzusehen wäre. Ein Anspruch auf Änderung eines Beschlusses wegen grober Unbilligkeit besteht zwar grundsätzlich nur, wenn sich die Unbilligkeit aus Umständen ergibt, die erst nach dem Beschluss hinzugetreten sind (vgl. OLG Hamm DWE 2002, 106; BayObLG v. 9.2.1994 – 2Z BR 127/93, MDR 1994, 582 = BayObLGReport 1994, 27 = NJW-RR 1994, 658). Etwas anderes hat nach Überzeugung des Senats im Hinblick auf die besondere Bedeutung der verfassungsrechtlich geschützten Informationsfreiheit jedoch ausnahmsweise dann zu gelten, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit einem Beschluss rechtsmissbräuchlich in die verfassungsrechtlich geschützte Informationsfreiheit eines Wohnungseigentümers oder seines Mieters eingreift (zur fehlenden Bindungswirkung bei rechtsmissbräuchlichen Beschlüssen vgl. auch BayObLG WE 1997, 154) oder wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit ihrem Beschluss zwar dem erkannten Recht auf Informationsfreiheit Rechnung tragen will, diesen Zweck aber mit ihrer beschlossenen Standortbestimmung für eine Parabolantenne verfehlt, weil der ausgewählte Standort keinen ordnungsgemäßen Empfang gewährleistet. In beiden Fällen besteht grundsätzlich kein rechtlich schutzwürdiges Interesse der anderen Wohnungseigentümer an einer Bindungswirkung des einmal gefassten Beschlusses, während das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Informationsfreiheit des auf die Parabolantenne angewiesenen Wohnungseigentümers oder Mieters es in hohem Maße gebietet, den Beschluss zu ändern. Die besondere Bedeutung dieses Grundrechts ist auch bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen, ob dem durch einen Beschluss beeinträchtigten Wohnungseigentümer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch auf Änderung des Beschlusses zuzubilligen ist (zur Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 GG bei der Konkretisierung von Generalklauseln vgl. grundsätzlich BVerfG NJW 1995, 1665). Im vorliegenden Fall war die Wohnungseigentümergemeinschaft ersichtlich darüber informiert, dass die Mieter der Beteiligten zu 1) grundsätzlich einen Anspruch auf die Installation einer Parabolantenne haben. Das ergibt sich nicht nur aus den außergerichtlichen Schreiben der Beteiligten zu 3) an die Beteiligte zu 1), sondern auch aus dem Beschluss vom 24.4.2002 selbst. Die Wohnungseigentümerversammlung hätte keinen neuen Standort für die Parabolantenne bestimmen müssen, wenn sie davon ausgegangen wäre, dass die Beteiligte zu 1) und ihre Mieter gar keinen Anspruch auf den Betrieb einer solchen Anlage haben. Wenn die Wohnungseigentümer aber – zutreffend – von einem solchen Anspruch ausgingen, dann verstand es sich von selbst, dass sie einen Standort auswählen mussten, der auch einen ordnungsgemäßen Empfang gewährleistete. Wenn die Wohnungseigentümer davon bewusst abgesehen hätten (was nicht unterstellt wird), wäre ihre Standortwahl rechtsmissbräuchlich und aus den vorstehenden Gründen schon deshalb gem. § 242 BGB unverbindlich. Wenn sie dagegen irrtümlich angenommen hätten, dass der mit Beschluss vom 24.4.2002 ausgewählte Standort geeignet sei, hätten sie den Zweck ihrer Standortwahl verfehlt und ihre Auswahl wäre zumindest deshalb nicht bindend. Es wäre mit Treu und Glauben unvereinbar, die Beteiligte zu 1) und ihre Mieter an einem Beschluss festzuhalten, der schwerwiegend in ihre verfassungsrechtlich geschützten Rechte eingreift, obwohl das mit dem Beschluss gar nicht beabsichtigt, sondern es vielmehr gerade auch dessen Ziel war, ihre Rechte soweit wie möglich zu wahren.

Es bedarf daher der Aufklärung, ob die Parabolantenne einen ordnungsgemäßen Empfang italienischer Programme gewährleistet, wenn sie auf dem Balkonboden der Wohnung der Beteiligten zu 1) aufgestellt wird. Wenn diese Frage zu bejahen sein sollte, wäre die beschlossene Standortwahl der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zu beanstanden und damit auch für die Beteiligte zu 1) verbindlich. Die Beteiligte zu 1) wäre daher verpflichtet, die Parabolantenne von ihrem jetzigen Standort zu entfernen. Anderenfalls wäre die beschlossene Standortwahl nicht verbindlich. Das LG hätte dann von Amts wegen (§ 12 FGG) zu klären, ob die Parabolantenne gegenwärtig so angebracht ist, dass sie die anderen Wohnungseigentümer möglichst am wenigsten beeinträchtigt. Wenn das nicht der Fall sein sollte, hätte die Beteiligte zu 1) die Antenne ebenfalls vom gegenwärtigen Standort zu entfernen. Anderenfalls dürfte die Antenne gem. §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG zumindest so lange am jetzigen Standort verbleiben, bis die Wohnungseigentümer verbindlich einen anderen geeigneten Standort bestimmt haben.

Eine Aufklärung der vorstehenden Punkte erübrigt sich nicht schon allein deshalb, weil die Beteiligte zu 1) nach dem Beschluss vom 24.4.2002 ohnehin verpflichtet wäre, die Parabolantenne vom gegenwärtigen Standort zu entfernen. Das hat die Wohnungseigentümerversammlung zwar ebenfalls beschlossen. Der Durchsetzung dieses Beschlusses stünde jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen, wenn die zugleich beschlossene Auswahl des Standorts für die Parabolantenne nicht bindend und die Antenne am gegenwärtigen Standort grundsätzlich zulässig wäre. Solange es an einer verbindlichen Standortbestimmung der Wohnungeigentümer fehlt, können die Beteiligten zu 2) die Beseitigung einer grundsätzlich zulässigerweise installierten Parabolantenne nicht verlangen. Ein solches Beseitigungsbegehren ohne gleichzeitige verbindliche Standortbestimmung wäre rechtsmissbräuchlich, weil die Beteiligten zu 2) damit zumindest vorübergehend – unter Umständen monatelang – bewusst die Ausübung des verfassungsrechtlich geschützten Informationsrechts der Mieter der Beteiligten zu 1) vereiteln würden, obwohl dieses Recht ersichtlich nicht zu ihrer Disposition steht. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung wäre der Beteiligten zu 1) nicht schon allein deshalb verwehrt, weil sie vor der Installation der Parabolantenne am Gemeinschaftseigentum keinen Beschluss der Wohnungseigentümergemeischaft über diese Maßnahme herbeigeführt hat. Ein solcher Beschluss ist bei entspr. baulichen Veränderungen vielmehr weder erforderlich noch ausreichend. Wenn eine bauliche Veränderung andere Wohnungseigentümer nicht über das in §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt, darf ein Wohnungseigentümer die bauliche Veränderung ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer (also auch ohne Beschlussfassung) vornehmen. Anderenfalls bedarf es der Zustimmung aller beeinträchtigten Wohnungseigentümer und nicht eines Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Zustimmung zu baulichen Veränderungen unterliegt gem. § 22 Abs. 1 WEG grundsätzlich nicht der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft. Es stellt deshalb auch keine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 862 BGB dar, wenn ein Wohnungseigentümer eine nach den §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG zustimmungsfreie bauliche Veränderung ohne vorherige Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft vornimmt. Es ist ihm daher grundsätzlich auch nicht verwehrt, dem Verlangen der anderen Wohnungseigentümer nach Beseitigung der baulichen Veränderung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands seine Berechtigung zur Vornahme der baulichen Veränderung entgegenzuhalten. § 862 BGB findet gem. § 866 BGB keine Anwendung, wenn Wohnungseigentümer über die Zulässigkeit einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums streiten, weil Gegenstand eines solchen Streits die Grenzen des dem einzelnen Wohnungseigentümer zustehenden Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums sind.

Da der Beschluss vom 24.4.2002 im Falle eines unzulässigen Eingriffs in die Informationsfreiheit nach § 242 BGB zumindest keine Bindungswirkung entfaltete, kann im Rahmen der vorliegenden Entscheidung offen bleiben, ob eine Beseitigungsverpflichtung der Beteiligten zu 1) überhaupt wirksam durch den Mehrheitsbeschluss vom 24.4.2002 begründet werden konnte (zu dieser Problematik vgl. grundsätzlich Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 22 Rz. 231a m.w.N.) und ob dieser Beschluss nicht ohnehin wegen eines unzulässigen Eingriffs in den Kernbereich des Wohnungseigentums nichtig wäre, wenn er die verfassungsrechtlich verbürgte Informationsfreiheit unzulässig beeinträchtigte (vgl. dazu allgemein Staudinger/Bub, 12. Aufl., § 21 WEG Rz. 11 und 130; Depenheuer WE 1994, 124).

Die nach den vorstehenden Ausführungen noch erforderlichen Ermittlungen kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht selbst vornehmen. Deshalb war die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das LG zurückzuverweisen.

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Vorinstanzen

LG Itzehoe, 1 T 94/02; AG Pinneberg, 68 II 11/02

Rechtsgebiete

Mietrecht