Widerrufsrecht bei Online-Auktion

Gericht

AG Kehl


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

19. 04. 2002


Aktenzeichen

4 C 716/01


Leitsatz des Gerichts

Bei einer Online-Auktion handelt es sich nicht um eine Versteigerung im Sinne des § 156 BGB, sondern um ein Vertragsangebot gegen Höchstgebot. Somit gelten für Online-Auktionen das allgemeine Kaufrecht und die Regeln zum Fernabsatz und Verbrauchsgüterkauf. Das Widerrufsrecht nach den Regeln zum Fernabsatz ist nicht ausgeschlossen, da der Ausschluss nur bei Fernabsatzverträgen greift, die in der Form von Versteigerungen (§ 156 BGB) geschlossen werden. Von Ausschluss erfasst sind nur Versteigerungen im Rechtssinne, d.h. Verträge, die entsprechend § 156 BGB durch das Gebot eines Teilnehmers und den Zuschlag des Versteigerers zu Stande kommen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. nimmt den Bekl. auf Bezahlung von vier bei einer Online-Auktion erworbenen Ringen in Anspruch. Der Kl. bietet auf der Website der Firma X gewerblich Schmuck zur Ersteigerung an. Die AGB der Firma X, denen sich beide Parteien unterworfen haben, lauten auszugsweise wie folgt:

§ 7. Vertragsschluss. (1) Indem der Nutzer als Anbieter zwecks Durchführung einer Online-Auktion einen Artikel auf die X-Website einstellt, gibt er ein verbindliches Angebot zum Vertragsschluss über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter eine Frist, binnen derer das Angebot durch ein Gebot angenommen werden kann (Laufzeit der Online-Auktion). Das Angebot richtet sich an den Bieter, der während der Laufzeit der Online-Auktion das höchste Gebot abgibt, das die im Angebot gegebenenfalls zusätzlich festgelegten Bedingungen (…) erfüllt.

(2) Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots an. (…)

(3) Mit Ablauf der Online-Auktion (…) kommt zwischen dem Anbieter und dem das höchste Gebot abgebenden Bieter ein Vertrag über den Erwerb des von dem Anbieter in die X-Website eingestellten Artikels zu Stande.

Der Bekl. ersteigerte im November 2000 vier Ringe zu 545 DM, 1010 DM, 715 DM und 355 DM. Der Kl. hatte in seiner Annonce den Ringen sog. „V-Preise“ von 8700 DM, 19900 DM, 18900 DM und 4900 DM zugeordnet. Nachdem der Kl. für die Ringe keine Zertifikate beibringen konnte, teilte ihm der Bekl. mit E-Mail vom 29. 11. 2000 mit, dass er die Ringe weder bezahle noch abnehme. Mit Schreiben vom 27. 12. 2000 verweigerte der Bekl. Bezahlung der Ringe, da die angegebenen „V-Preise“ unrichtig seien. Der Kl. ist der Auffassung, dass der Bekl. zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet sei, da zwischen den Parteien wirksame Verträge zu Stande gekommen seien. Anfechtungs- oder Widerrufsrechte stünden dem Bekl. nicht zu, da er keine unrichtigen Angaben zum Wert oder der Beschaffenheit der Ware gemacht habe. Mit „V-Preis“ habe er seinen „erwünschten Verkaufspreis“ angegeben.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Der Kl. hat gegen den Bekl. keinen Anspruch auf Bezahlung der streitgegenständlichen Ringe, da der Bekl. den zu Stande gekommenen Kaufvertrag durch seine E-Mail vom 29. 11. 2000 wirksam gem. § 3 I FernAbsG, § 361a BGB widerrufen hat.

1. Zwischen den Parteien sind nach Ablauf der Online-Auktion (§ 7 III AGB der Firma X) durch die jeweiligen Angebote des Kl. und die Annahme durch den Bekl. gem. §§ 145 , 147 BGB, §§ 7 I und II der AGB der Firma X vier Kaufverträge i.S. von § 433 BGB zu Stande gekommen (so im Ergebnis auch BGH, NJW 2002, 363 [364]). Es liegt dagegen kein Vertragsschluss i.S. von § 156 BGB vor, weil der Bekl. gem. § 7 I AGB der Firma X Angebote des Kl. angenommen hat. Bei Versteigerungen i.S. von § 156 BGB nimmt jedoch der Versteigerer ein Angebot des Bietenden an (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 156 Rdnr. 1). Diese Fallgestaltung besteht ersichtlich nicht.

2. Der Bekl. hat jedoch seine auf die vier Vertragsschlüsse gerichteten Willenserklärungen durch seine E-Mail vom 29. 11. 2000 wirksam widerrufen.

a) Das Fernabsatzgesetz ist auf die im November 2000 geschlossenen Verträge gem. § 6 FernAbsG zeitlich anwendbar.

b) Der Kl. ist unstreitig gewerblich tätig und damit Unternehmer i.S. von § 1 FernAbsG, § 14 I BGB; der Bekl. ist unstreitig Verbraucher (§ 1 I FernAbsG, § 13 BGB). Die Verträge wurden online, und damit unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen (§ 1 I , II FernAbsG).

c) Das Widerrufsrecht ist nicht gem. § 3 II Nr. 5 FernAbsG ausgeschlossen. Gemäß dieser Vorschrift besteht ein Widerrufsrecht nicht bei Fernabsatzverträgen, die in der Form von Versteigerungen (§ 156 BGB) geschlossen werden. Dieser Ausschlusstatbestand erfasst nur Versteigerungen im Rechtssinne, d.h. Verträge, die entsprechend § 156 BGB durch das Gebot eines Teilnehmers und den Zuschlag des Versteigerers zu Stande kommen (vgl. Palandt/Heinrichs, § 3 FernAbsG Rdnr. 12). Eine solche Vertragsgestaltung bestand zwischen den Parteien - wie ausgeführt - auf Grund der vereinbarten AGB der Firma X gerade nicht (offen gelassen auch vom BGH, NJW 2002, 363; vgl. zu den Unterschieden auch KG, NJW 2001, 3272). Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall kommt nicht in Betracht, da zum einen eine Regelungslücke nicht vorliegt und zum anderen die Gründe des Verbraucherschutzes, die zum Erlass des Fernabsatzgesetzes geführt haben (vgl. Palandt/Heinrichs, Einf. FernAbsG), dagegen sprechen.

d) Der Widerruf erfolgte durch E-Mail vom 29. 11. 2000 form- (vgl. Palandt, § 361a Rdnr. 18) und fristgerecht, weil der Kl. den Bekl. bisher auf sein Widerrufsrecht nicht hingewiesen hat (§ 3 I 2 FernAbsG).

3. Die Klage war bereits aus diesen Gründen im Ergebnis abzuweisen. Auf die Frage, ob Anfechtungsgründe vorliegen, kommt es nicht an. Es kann auch offen bleiben, ob dem Zahlungsanspruch des Kl. ein aufrechenbarer Anspruch des Bekl. auf Schadensersatz (Befreiung von der Verbindlichkeit im Wege der Naturalrestitution) gem. §§ 3 , 13 VI Nr. 1 S. 1 UWG entgegensteht. Irreführend i.S. von § 3 UWG ist die Angabe des Kl. „V-Preis“ in jedem Fall, weil ihre Bedeutung unklar und mehrdeutig ist (vgl. zu einem ähnlichen Fall: OLG Stuttgart, NJW-RR 1998, 622 = WRP 1997, 873 [877]).

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht