Schäden durch Wurzelüberwuchs
Gericht
AG Siegburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
18. 08. 1998
Aktenzeichen
5a C 545/97
Der Eigentümer eines Grundstücks, das durch Wurzelüberwuchs geschädigt worden ist, hat einen Schadensersatzanspruch.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist dem Grunde nach gegeben.
Bereits aus § 1011 BGB ergibt sich, daß ein Miteigentümer die auf einer Eigentumsverletzung beruhenden schuldrechtlichen Ansprüche aller Miteigentümer geltend machen kann. Selbst wenn der Ehemann der Klägerin Miteigentümer des Grundstücks wäre, würde sich daher an der Aktivlegitimation der Klägerin nichts ändern. Abgesehen davon hat das Gericht auch eine Auskunft des Grundbuchamtes eingeholt, die ergab, daß die Klägerin Alleineigentümerin des Grundstückes ist, auf dem die Garage steht. Das Ergebnis der Einholung der Auskunft ist nicht mehr zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 6. Juli 1998 gemacht worden, weil der Beklagte in diesem Termin zur Durchführung der Beweisaufnahme die Aktivlegitimation der Klägerin nicht mehr in Frage gestellt hat. Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB, i.V.m. § 1004 BGB. Der Eigentümer eines Grundstücks, das durch Überwuchs geschädigt worden ist, hat einen Schadensersatzanspruch (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 86, S. 2648).
Der Beklagte ist Störer i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB. Die Störereigenschaft ist auch nicht ausgeschlossen, wenn - wie vom Beklagten behauptet - sich der Baum, dessen Wurzeln die Schäden an der Garage der Klägerin verursacht haben, selbst gesetzt haben sollte. Zwar ist § 1004 BGB nicht anwendbar, wenn die Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht (Palandt, 57. Aufl., § 1004 BGB, Rdn. 5). Auch wenn Naturkräfte die Störungen auslösen, sind ihm jedoch die Beeinträchtigungen dann als Störer zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn sie erst durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden sind (BGH NJW 93, 1855). Letzteres muß insbesondere dann gelten, wenn der Eigentümer einen Baum zwar nicht selbst gepflanzt hat, den Sämling aber bis zur Größe eines Baumes hat wachsen lassen; dies ist der Anpflanzung eines Baumes gleichzusetzen. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte den Baum selbst angepflanzt hat (vgl. dazu auch BGH NJW 1995, 395, 396) . Für die Anwendung von § 1004 BGB kommt es auch nicht darauf an, ob der Baum vor oder nach Errichtung der Garage gepflanzt worden ist bzw. sich selbst gepflanzt hat (vgl. dazu BGH NJW 1991, 2826, 2827). Schließlich ist die Anwendung von § 1004 BGB auch nicht durch § 47 Nachbarrechtsgesetz NW ausgeschlossen (Schäfer, Nachbarrechtsgesetz NW, 2. Aufl., Vorbemerkung Nr. 32 vor §§ 40-48). Zwar hat die Klägerin nicht innerhalb der in § 47 Nachbarrechtsgesetz NW festgelegten Fristen Klage auf Beseitigung der unmittelbar an der Grenze stehenden Anpflanzungen erhoben. Dadurch ist jedoch nur der Anspruch auf Beseitigung der Anpflanzungen wegen Nichteinhalten des Grenzabstandes ausgeschlossen. Wenn Wurzeln dieser Anpflanzungen auf dem Nachbargrundstück Schäden anrichten, ist weiterhin insoweit ein Anspruch auf Beseitigung bzw. Schadensersatz gegeben. Die Rechtswidrigkeit wird durch die Eigentumsverletzung indiziert (Palandt, 57. Aufl., § 1004, Rndnr. 9). Ein Rechtfertigungsgrund liegt nicht vor. Das für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden ist zumindest seit den beiden Schreiben der Klägerin Ende 1988 und Anfang 1989 gegeben. Seitdem mußte der Beklagte mit einer Schädigung der Garagenwand durch das Wurzelwerk rechnen. Daß mit diesen Schreiben nicht nur die Entfernung der an der Garagenwand stehenden Sträucher verlangt wurde, sondern die Entfernung der gesamten Grundstückgrenzbepflanzung einschließlich des Baumes, ergibt sich bereits aus dem Inhalt der Schreiben selbst. Daß auch der Beklagte dies so verstanden hat, läßt sich seinem Schreiben bzw. dem seiner Prozeßbevollmächtigten vom 18.11.1996 entnehmen. In Reaktion auf die gegnerische Aufforderung zur Entfernung der auf dem Grundstück des Beklagten stehenden Gehölze wird nämlich darauf hingewiesen, daß die Entfernung dieser Gehölze bereits mit Schreiben vom 2.12.88 verlangt worden und ein Beseitigungsanspruch daher gemäß § 47 des Nachbarrechtsgesetzes ausgeschlossen sei. Auch der Beklagte sieht hier also den Baum von der damaligen Entfernungsaufforderung umfaßt.
Die Höhe des Schadensersatzanspruches richtet sich danach, welche Schäden an der Garage von dem Baum verursacht worden sind bzw. welche auf Baumängel zurückzuführen sind. Unter Bestätigung der Feststellungen des Sachverständigen Bilo ist auch der Sachverständige Welbrink zu dem Ergebnis gelangt, daß sowohl Schäden durch den Baum entstanden sind, die beseitigt werden müssen, als auch Maßnahmen zur Abdichtung der Garage notwendig sind. Der Sachverständige hat im Termin nachvollziehbar und ausführlich dargestellt, wie entsprechend dieser Verantwortlichkeit die in dem Angebot der Firma ... GmbH ausgewiesenen im Kostenansatz angemessenen Kosten aufgeteilt werden müssen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sind demnach von der Klägerin 2.998,60 DM und von d ein Beklagten 4.156,28 DM zu tragen. Die in sich schlüssigen Darlegungen des Sachverständigen sind von den Parteien auch in keiner Weise beanstandet worden.
Allerdings ist eine Mitverursachung durch die Klägerin als der in ihrem Eigentum Geschädigten gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen. Die Klägerin trifft ein Mitverschulden daran, daß der Schaden so hoch geworden ist. Sie hätte 1988, als sich der Schaden bereits abzeichnete, den Beklagten nicht nur auffordern dürfen, die Anpflanzungen zu beseitigen. Selbst wenn man berücksichtigt, daß ein Rechtsstreit unter Nachbarn unerfreulich ist, hätte die Klägerin nach der Aufforderung nicht rund 8 Jahre untätig bleiben dürfen, zumal ihr damaliger Anwalt im Schreiben vom 1.1.1998 angekündigt hatte, sie - die Klägerin - würde sich wieder bei dem Beklagten melden. Andererseits war auch für den Beklagten erkennbar, daß die Schäden an der Garagenwand im Laufe der Jahre fortschritten. Im Hinblick darauf ist ein Mitverschulden der Klägerin in Höhe von 30 % angemessen, so daß von den Kosten, die auf den Beklagten entfallen (4.156,28 DM) 30 % (1.246,88 DM) abzuziehen sind, somit der Beklagte 2.909,40 DM als Schadensersatz zu zahlen hat.
Streitwert: 7.093,20 DM
Wurm
Richterin
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