Kein Beseitigungsanspruch nach Ablauf der Ausschlussfrist

Gericht

AG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

08. 03. 2002


Aktenzeichen

118 C 362/98


Leitsatz des Gerichts

§ 47 nordrhein-westfälisches NachbarG schließt sechs Jahre nach Anpflanzung von Bäumen einen Beseitigungsanspruch aus.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand


Tatbestand:

Die rechtsschutzversicherten Kläger begehren die Beseitigung von 4 Lebensbäumen (Thuja plicata) im benachbarten Garten der Beklagten, wobei die Parteien Eigentümer und Bewohner der jeweils benachbarten Grundstücke sind. In der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2001 schlossen die Parteien einen Teil-Vergleich, um eine Jahresringanalyse zu ermöglichen und hiermit verbundene mögliche Schadensersatzansprüche der Beklagten bezüglich des zu untersuchenden Baumes zu regeln. Die Beklagten pflanzten entlang der Grenze zum Grundstück der Kläger die streitgegenständlichen Lebensbäume. Drei Lebensbäume befinden sich in unmittelbarer Nähe zu der aus Fertigteilen bestehenden Garage auf dem Grundstück der Kläger. Einer dieser Bäume wurde zudem in der Nähe einer plattierten Terrasse auf dem Grundstück der Kläger gepflanzt. Der vierte Lebensbaum wurde in der Nähe des den Klägern gehörenden Schwimmbeckens gepflanzt. Die Kläger behaupten, die vier Lebensbäume seien frühestens im Jahr 1994, mutmaßlich im Jahr 1996 gepflanzt worden. Sie sind der Ansicht, dass diese Bäume nicht entsprechend den vom Nachbarrechtsgesetz NRW (NachbG NW) geforderten Abständen zur Grundstücksgrenze angepflanzt worden seien. Überdies behaupten die Kläger, von den Bäumen ginge ein starker Wurzelwuchs aus. Hierdurch bestehe die Gefahr, dass die Wurzeln unter den Garagenboden, die Terasse sowie zu den Wasserleitungen des Schwimmbeckens wucherten und Schäden zu befürchten seien.

Die Kläger beantragen,

  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die auf dem Grundstück des Beklagten ... an der Grenze zum Grundstück befindlichen vier Thuja plicata Atrovirens (Riesenlebensbäume) wie in der anliegenden Skizze punktförmig eingefügt und mit dem Buchstaben W, X, Y und Z bezeichnet, zu beseitigen;

  2. hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, die auf dem Grundstück der Beklagten ... an der Grenze zum Grundstück befindlichen vier Thuja plicata Atrovirens (Riesenlebensbäume) wie in der anliegenden Skizze punktförmig eingefügt und mit den Buchstaben W, X, Y und Z bezeichnet, außerhalb der Vegetationsperiode (September bis März des Jahres) alsbald zu beseitigen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die erforderlichen Abstände zur Grundstücksgrenze seien eingehalten worden. Ferner behaupten sie, die vier streitgegenständlichen Bäume wiesen keine Gefahr für die Garage, die Terasse oder das Schwimmbecken hervor. Die Bäume seien auch schon im Frühjahr des Jahres 1992 eingepflanzt worden. Sie erheben die Einrede der Verjährung und tragen darüber hinaus vor, sie seien bereit, wie in der Vergangenheit, die Bäume kurz zu halten. Hierzu erklären sie, dass üblicherweise diese Thujas als Hecke gehalten würden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen, durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten sowie die Anhörung der Sachverständigen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten und die Vernehmungsniederschriften, wegen des übrigen Parteivorbringens auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf Beseitigung der vier streitgegenständlichen Lebensbäume nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher Anspruch sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 41 Abs. 1 Ziffer 1 a NachbG NW herleitet; denn dieser Anspruch ist gemäß 47 NachbG NW verjährt.

Bis zur nach § 209 Abs. 1 BGB alter Fassung verjährungsunterbrechenden Zustellung der Klageschrift sind nämlich mehr als 6 Jahre vergangen. Dies ist zum einen dem überzeugenden Ergebnis der Jahrringanalyse durch den Sachverständigen Dr. Lechnino zu entnehmen.

Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang an der Qualifikation des vor Ort tätigen Sachverständigen Becker geäußert haben, der immerhin von der Landwirtschaftskammer Rheinland nach Ersuchen des Gerichts mit Schreiben vom 13.09.1999 dem Gericht als qualifiziert vorgeschlagen worden ist, ist dies schon deshalb unerheblich, weil diese auf das Ergebnis der Jahrringanalyse keine Auswirkung hat. Auf Tatsachenebene überzeugt nämlich zum einen die einmalige Richtungsänderung in der Bildung von Reaktionsholz im Anschluß an den Jahrring 1992, zum anderen spricht überzeugend auch das Jahrringdiagramm durch den deutlichen Abfall der Jahrringbreite im Jahr 1992 dafür, dass die untersuchte Pflanze im Jahr 1992 im Garten gepflanzt worden und dann am selben Ort verblieben ist. Diese Tatsachen können nicht durch die gerügte angebliche mangelnde Qualifikation des Sachverständigen Becker auf Grund mangelhafter Informationsweiterleitung beeinflußt werden. Es handelt sich hierbei nämlich um Meßdaten, die sich aus den untersuchten Stammscheiben selbst ableiten lassen. Eine Kostennutzenrelation spielt im vorliegenden Fall zwar keine Rolle, aber es sind überdies keine weiteren dem Fall angemessenen Tatsachen erhellenden Maßnahmen zur Altersbestimmung der streitgegenständlichen Lebensbäume ersichtlich. Gegen eine Untersuchung der Wurzelballen, falls überhaupt vorhanden, spricht, dass der zwischen den Parteien geschlossene Teil-Vergleich diese Möglichkeit nicht mehr berücksichtigt und eine Beschädigung der Bäume durch die Untersuchung zu erwarten ist, was angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme den Beklagten nicht mehr zuzumuten ist. Durch eine Untersuchung der Wurzelballen würden viele Wurzeln verletzt, was nach aller Wahrscheinlichkeit die Entwicklung der Bäume beeinträchtigen würde. Es mag im Einzelfall zwar triftige Gründe geben, eine derartige Untersuchung trotzdem herbeizuführen. Angesichts der auf sämtlichen Fotografien erkennbaren geringen Wuchsdichte der Lebensbäume, ihrem gepflegten, für ihre Umgebung förderlichen Aussehens sowie dem Umstand, dass überhaupt keine gegenständlichen Beeinträchtigungen durch die Bepflanzung aufgezeigt werden konnten, sind weitere Untersuchungen zur Altersbestimmung aber nicht mehr verhältnismäßig. Die Mittelzweckrelation zwischen einem Substanzeingriff in intaktes Ziergewächs und einem immateriellen Affektionsinteresse an der Beseitigung ist vorliegend zu Gunsten der Beklagten im Sinne eines Erhalts der Pflanzenwelt zu entscheiden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Ergebnis der Sachverständigengutachten die Zeugenaussagen der Zeugen ... und ... bestätigt, die sämtlich bekundet haben, dass die streitgegenstandlichen Thujas in den Jahren 1991/92 gepflanzt wurden. Die Zeugen waren durchaus glaubwürdig, was durch das Ergebnis des Gutachtens auch bestätigt wird.

Ein Anspruch aus 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der vier Lebensbäume wegen möglicher Beschädigungen an Einrichtungen auf dem Grundstück der Kläger ist auch nicht aus anderen Gründen begründet. Ausweislich des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch die Sachverständigen Becker und Suflet ist nämlich belegt, dass Schäden an der Garage, der Terrasse oder dem Schwimmbecken und seinen Versorgungsleitungen der Kläger nicht entstanden sind und auch nicht ohne weiteres zukünftig befürchtet werden können. Die Sachverständige Prof. Dr. Suflet konnte den ordnungsgemäßen baulichen Zustand der Terrasse und des Schwimmbeckens bestätigen. Die Schäden am Dach der Garage der Kläger beruhen allein auf dem unfachmännischen Aufbau der Fertigteile der Garage.

Die Gefahr einer Beschädigung besteht auch künftig deshalb nicht, weil das Gericht den Sachausführungen des Sachverständigen Becker bezüglich des Wurzelverhaltens von Lebensbäumen folgt. Dieser hat überzeugend dargelegt, dass die Wurzelbildung der streitgegenständlichen Bäume grundsätzlich vom Umfang der Krone abhängig ist. Dies bestätigt auch das Wuchsverhalten des freigelegten Baumes, der erkennbar über keine besonders starke Wurzelbildung verfügte. Auch die Anhörung des Sachverständigen Becker bestätigte, dass von den Wurzeln der zurückgeschnittenen Bäume mangels entsprechenden Drucks keine Gefahr für die Garage, die Terrasse oder das Schwimmbecken nebst Versorgungsleitungen ausgehen kann. Trotz der Rüge an der Qualifikation des Sachverständigen Becker folgt das Gericht dessen Ausführungen, denn das Ergebnis dieser Beweisaufnahme ist stichhaltig, es entspricht den Ausführungen der entsprechenden Nachschlagwerke bezüglich der Rhezologie, der Lehre von der Wurzelbildung. Ferner unterstützen die Fotografien die vom Sachverständigen betroffenen Aussagen. Das Gericht weist deshalb in diesem Zusammehang ausdrücklich darauf hin, dass natürlich die Kosten für dieses Gutachten nicht niedergeschlagen werden.

Die weiteren Ausführungen der Kläger liegen neben der Sache und bedürfen keiner weiteren Erörterung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.


Streitwert: 1.022,58 EUR.


Walterscheidt
Richter am Amtsgericht

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht