Kein Beseitigungsanspruch nach Ablauf der Ausschlussfrist

Gericht

AG Leverkusen


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

09. 12. 1997


Aktenzeichen

20 C 344/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Allein wegen der Höhe der Bäume ergibt sich kein Anspruch aus § 1004 BGB. Bei der Entziehung von Licht und Luft durch Bäume auf einem Nachbargrundstück handelt es sich um eine negative Einwirkungen, die nicht nach § 1004 BGB abwehrbar ist.

  2. § 47 nordrhein-westfälisches NachbarG schließt sechs Jahre nach Anpflanzung von Bäumen einen Beseitigungsanspruch aus. Diese materielle Ausschlussfrist läuft auch ab dem Zeitpunkt, ab dem eine Hecke die zulässige Höhe überschreitet.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen 9/10, der Beklagte 1/10 der Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.700,00 DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dem Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Kläger gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 400,00 DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien sind Nachbarn. Das Grundstück der Kläger ist mit einem 2-geschossigen Haus bebaut. Die Terrasse auf der rückwärtigen Seite des Hauses liegt nach Südwesten. An die Terrasse schließt sich ein etwa 15 m langer Garten an, der an ein unbebautes Grundstück grenzt, was wiederum abschüssig an der Straße Auf dem Berg endet. Der Beklagte ist Eigentümer eines Hauses auf der Straße Auf dem Berg, aus Sicht des Hauses der Kläger rechts von dem unbebauten Grundstück. Das Haus des Beklagten endet etwa in Höhe des Endes des unbebauten Grundstücks. Sein Garten ist tiefer als das unbebaute Grundstück und grenzt aus Sicht des Hauses der Kläger an der rechten Seite am Grundstück etwa 10 - 12 m tief an. Es endet etwa 5 m vor dem Haus der Kläger. Das Grundstück der Kläger und das Haus sind rund 1,2 m höher als die gemeinsame Grenze. Das Grundstück des Beklagten fällt noch weitere 1,2 m bis zu seinem Haus ab. In Höhe des Endes des Gartens der Kläger - vom Haus her gesehen - befindet sich die Rückwand der Garage des Beklagten, die in das Haus integriert ist. In der Rückwand ist eine Entlüftung für eine Staubsaugeranlage im Haus des Beklagten.

Um 1983 oder 1985 pflanzte der Beklagte ab der Rückwand seiner Garage bis zum Ende seines Grundstücks 2 Reihen Fichten, etwa 17 Stück, im Abstand von 1 bis 2 Metern zur gemeinsamen Grenze. Die Bäume sind inzwischen teilweise über 8 m, teilweise über 10 m hoch. Im Jahr 1993 wurden die Bäume nach Aufforderung der Kläger seitlich beschnitten. Die Bäume sind inzwischen zu einer dichten Wand gewachsen. Hinter den Fichten stehen auf dem Grundstück des Beklagten 6 Eiben, sowie eine Blutpflaume und eine Blutbuche, die in den Jahren 1995 und 1996 gepflanzt worden sind.

Die Kläger sind der Ansicht, der Beklagte müsse die Fichten zurückschneiden. Sie behaupten, sie hätten ab dem frühen Nachmittag keine Sonne mehr auf der Terrasse. Die Zimmer seien dunkel. Sie sind der Ansicht, die Fichten würden eine Hecke darstellen. Solche Hecken dürften nur 6 m hoch werden, ansonsten würde der Grenzabstand des § 41 Nachbargesetz gelten, der nicht eingehalten ist. § 47 Nachbargesetz greife nicht ein, weil sich die Parteien über die Form der Grenzbepflanzung einig geworden seien. Die Kläger behaupten eine entsprechende Vereinbarung aufgrund eines Aufforderungsschreibens von ihnen an den Beklagten. Im übrigen habe der Beklagte keine schützenswerten Interessen, weil eine Höhe von 6 m ausreiche, um den Klägern die Sicht auf das Grundstück des Beklagten zu nehmen. Das Blasgeräusch aus der Rückwand der Garage sei so stark, daß man nicht mehr schlafen könne.

Die Kläger haben zunächst beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die 17 Fichten auf 6 m zurückzuschneiden, die 6 Eiben, die Blutpflaume und die Blutbuche zu entfernen, sowie den Beklagten zu verpflichten, zukünftig den Betrieb einer Anlage zu unterlassen, die dazu führt, daß aus einem Rohr, daß 1 1/2 m von der vorgenannten Grenze entfernt aus der Rückwand der Garage des Beklagten geführt wird, zeitweise starke pfeifende Blasgeräusche ertönen.

Im Termin am 18.11.1997 haben die Parteien sich bzgl. der Eiben, der Blutbuche, der Blutpflaume und des Ausblasrohres verglichen.

Nunmehr beantragen die Kläger, den Beklagten zu verurteilen,

  1. auf seinem Hausgrundstück ..., die 10 Fichten, die entlang der südöstlichen Grundstücksgrenze mit einem Abstand von 1 m (+/- 25 cm) zur Grenze des Grundstücks der Kläger hin stehen auf eine Höhe von 6 m zurückzuscheiden;

  2. die parallel zu vorgenannten Fichtenreihe stehende 2. Fichtenreihe, bestehend aus weiteren 7 Fichten, die in einem Abstand von etwa 2 m (+/- 25 cm) zur Grenze stehen, ebenfalls auf vorgenannte Höhe unter 6 m zurückzuschneiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, ein Entfernungsanspruch bestehe aufgrund von § 47 Nachbargesetz nicht mehr.

Das Gericht hat mit Beschluß vom 28.10.1997 durch Inaugenscheinnahme des Grundstücks Beweis erhoben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Ortstermins vom 18.11.1997 verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Den Klägern steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zurückschneiden der Fichten auf 6 m zu.

1. Anspruch ergibt sich nicht aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Soweit sich die Kläger auf ein Schreiben ihrerseits an den Beklagten zum Vertragsschluß berufen, ist dies unsubstantiiert. Durch ein Aufforderungsschreiben allein wird ein Vertrag nicht begründet.

2. Ansprüche aus § 1004 BGB bestehen nicht.

Zwar sind die Grenzabstände gem. § 41 Abs. 1 Nr. 1 a Nachbargesetz/NW, die 4 m für stark wachsende Bäume betragen, unterschritten. Die Bäume wurden aber bereits im Jahre 1983 oder 1985 gepflanzt, so daß die Regelung des § 47 Nachbargesetz eingreift. Die Kläger hätten innerhalb der dort vorgegebenen Zeit von 6 Jahren einen Anspruch auf Rückschnitt oder Entfernung gehabt. Mit Zeitablauf ist dieser Anspruch ausgeschlossen. Es kommt dabei allein auf den Zeitpunkt der Anpflanzung vor und nicht etwa auf den Zeitpunkt, ab dem die Bäume stören (Schäfer, Nachbarrechtsgesetz NW, 10. Aufl., § 47 Anm. 2).

Auch wenn man die Fichtenreihen als Hecke ansehen will, ist der Anspruch aus § 1004 BGB ausgeschlossen aufgrund § 47 Nachbargesetz. Zwar gilt die Ausschlußfrist des § 47 Nachbargesetz in den Fällen, in denen der Abstand unmittelbar von der Höhe der Anpflanzung abhängig ist, erst ab dem Zeitpunkt, wenn der vom Gesetz vorgesehene Abstand infolge des Wachstums der Anpflanzung nicht mehr gewahrt ist (vergl. Schäfer, AAO). Nach § 42 Nachbargesetz verändert sich mit der Höhe der Hecke der vorgeschriebene Grenzabstand, so daß Hecken der Regelung unterfallen. Die Frist des § 47 Nachbargesetz beginnt damit bei Überschreiten der vorgeschriebenen Höhe. Diese wird durch den Begriff Hecke vorgegeben. Unter Hecke wird dabei verstanden, eine nicht baumhohe geschlossene Bepflanzung. Eine Beschränkung für den Begriff Hecke wird auf etwa 3 m Höhe bezogen (Schäfer, AAO § 42 Anm. 1 mit weiteren Nachweisungen). D. h. die Frist des § 47 Nachbargesetz beginnt dann zu laufen, wenn diese Höhe bei einem Grenzabstand von mehr als 1 m überschritten ist. Die Bäume wurden 1983 oder 1985 gepflanzt. Unabhängig wie groß damals die Bäume waren, ist davon auszugehen, daß sie bereits vor mehr als 6 Jahren die Höhe von 3 m überschritten haben, zumal sie heute über 8 bzw. über 10 m hoch sind und bereits im Jahre 1993 Streit der Parteien wegen der Bäume und der Schattenwirkung bestand. Von daher greift auch dann, wenn man wie die Kläger von einer Hecke ausgeht, die Ausschlußfrist des § 47 Nachbargesetz ein.

Allein wegen der Höhe der Bäume ergibt sich kein Anspruch aus § 1004 BGB. Bei der Entziehung von Licht und Luft durch Bäume auf einem Nachbargrundstück handelt es sich um eine sogenannte negative Einwirkung, die nicht nach § 1004 BGB abwehrbar ist vergl. Parlant - Bassenge, BGB, 56. Aufl., § 903 RdNr. 9 mit weiterer Nachweisung).

Anspruch der Kläger folgt desgleichen nicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis gem. § 242 BGB.

Dieses Institut stellt eine Ausprägung für den besonderen Bereich des notwendigen Zusammenlebens von Grundstücksnachbarn dar, aus dem Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme entspringen. Angesichts der weitreichenden Regelungen des BGB und der Nachbarrechtsgesetze ist es nur in zwingenden Ausnahmefällen anwendbar (Parlant-Bassenge, AAO, § 903 RdNr. 13).

Ein solcher Ausnahmefall ist nach der Inaugenscheinnahme des Grundstücks der Kläger am 18.11.1997 nicht ersichtlich. Eine bedeutende Störung durch die Bäume des Beklagten konnte nicht festgestellt werden. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, daß das Haus der Kläger höher als das Grundstück des Beklagten gelegen ist, so daß sich die Höhe der Bäume nur teilweise auswirkt. Entscheidender ist aber die Lage der Bäume zum Haus der Kläger. Steht man auf der rückwärtigen Terrasse des Hauses der Kläger, beginnen die Bäume auf der rechten Seite in einem Abstand von seitlich 3 m und einer Entfernung von 3 - 5 m und ziehen sich parallel zur seitlichen Grundstücksgrenze der Kläger hin. Man schaut von der Terrasse bzw. den dortigen Fenstern nur auf die Bäume, wenn man nach rechts sieht. Nach vorne ist das Grundstück in voller Breite offen, weil davor ein unbebautes, zur Straße hinabfallendes Grundstück ist. Die seitlichen Fenster des Hauses werden von den streitgegenständlichen Bäumen nicht abgeschattet, weil die Baumreihe bereits vor Beginn des Hauses endet, d. h. diese Bäume führen nicht zu einer Verdunkelung, sondern allenfalls weitere auf dem Grundstück des Beklagten zur Grenze des anderen Nachbarn stehende Bäume. Da die Terrassenseite von vorne in voller Breite Licht bekommt, kann allenfalls eine geringfügige Schattenwirkung durch die Bäume des Beklagten eintreten. Beim Ortstermin war sie nicht erkennbar. Soweit sich die Kläger darauf berufen, sie hätten am frühen Nachmittag keine Sonne mehr, ist dieser Vortrag falsch. Beim Ortstermin wurde um 15.05 Uhr festgestellt, daß die Sonne noch in Höhe der Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks zum Nachbarn auf der linken Seite stand. Das Grundstück des Beklagten befindet sich demgegenüber auf der rechten Seite. D. h. erst wenn die Sonne von links über das gesamte Grundstück der Kläger bis nach rechts auf die Seite des Beklagtengrundstücks gewandert ist, kann eventuell eine Schattenwirkung durch die Bäume eintreten. Dies dürfte erst gegen Abend der Fall sein, im Sommer wegen der Zeitumstellung noch später. Weil die Bäume aus Sicht der Terrasse in nordwestlicher Richtung stehen, besteht sogar die Möglichkeit, daß selbst beim Rückschnitt auf 6 m die Sonne wegen ihren Standes hinter den Bäumen verschwindet. Insgesamt kann damit nicht von einer größeren Beeinträchtigung durch die Bäume des Beklagten ausgegangen werden, so daß die Klage unbegründet ist.

Die Nebenentscheidungen folgen aus 91, 91 a, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Soweit die Parteien sich teilverglichen haben, ist der Rechtsstreit erledigt. Der Beklagte hat einen Teil der Kosten zu tragen, weil er wegen der Eiben, die 1995/1996 gepflanzt worden sind und in ihrem Abstand § 41 Abs. 1 Nr. 1 a Nachbargesetz nicht entsprechen, unterlegen wäre. Blutpflaume und Blutbuche sind nicht als stark wachsende Pflanzen anzusehen, diesbezüglich wäre die Klage abgewiesen worden. Ein Anspruch, den Betrieb der Anlage zu unterlassen, war desgleichen nicht ersichtlich. Die Staubsaugeranlage war beim Ortstermin unmittelbar in der Rückseite der Garage hörbar, auf der etwa 15 m entfernten Terrasse der Kläger konnte sie nur bei angestrengtem und genauem Hinhören überhaupt noch wahrgenommen werden. Dies ist bei Geräuschen, die nur zeitweilig auftreten, hinnehmbar und als unwesentlich im Sinne von § 906 BGB zu bezeichnen. Insofern hätten die Kläger die Kosten zu tragen gehabt. Die Eiben werden wegen der vorrangigen Bedeutung der Fichten für die Kläger und wegen ihres geringen Wuchses mit 800,00 DM vom Streitwert her angesetzt.

Streitwert:
8.000,00 DM

Ab 18.11.1997
7.200,00 DM.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht