Gemeindliche Baumschutzsatzung contra Selbsthilferecht nach § 910 BGB

Gericht

LG Köln


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

18. 04. 2000


Aktenzeichen

11 S 337/99


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Baumschutzsatzung der Stadt Köln auf der Grundlage des BNatSchG ist und des nordrhein-westfälischen Landschaftsgesetzes schränkt das Recht auf Beseitigung eines Überhangs nach § 910 BGB ein.

  2. Die materielle Ausschlussfrist des § 47 Nachbarrechtsgesetz schließt zwar eine Beseitigung des Baumes wegen Nichteinhaltung des Grenzabstandes aus, hat aber grundsätzlich keine Auswirkung auf § 910 BGB.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. August 1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köln - 122 C 201/99 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage mit Recht als unbegründet abgewiesen.

Mit Rücksicht auf das Berufungsvorbringen ist den Entscheidungsgründen des amtsgerichtlichen Urteils, denen sich die Kammer im übrigen anschließt, nur folgendes hinzuzufügen:

Die Klägerin meint zu Unrecht, die angefochtene Entscheidung beruhe auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, nämlich der Berücksichtigung von Tatsachenvortrag des Beklagten aus einem nachgelassenen Schriftsatz, zu dem sie nicht mehr habe Stellung nehmen können. Der Abweisung der Klage als unschlüssig liegt die Auffassung des Amtsgerichts zugrunde, daß der in einzelnen Punkten bestrittene Tatsachenvortrag der Klägerin selbst bei unterstellter Richtigkeit das Klagebegehren nicht rechtfertigt, weil durch die Baumschutzsatzung der Stadt Köln auf der Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes und des nordrheinwestfälischen Landschaftsgesetzes das Recht auf Beseitigung eines Überhangs eingeschränkt wird. Dem ist zuzustimmen, Auch das zweitinstanzliche Vorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Der Beklagte ist weder nach den Vorschriften über Geschäsführung ohne Auftrag noch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen unerlaubter Handlung noch aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung verpflichtet, der die Kosten der von ihr vorgenommenen Beseitigung des Überhangs zu ersetzen.

Insbesondere scheitert auch der noch am ehesten in Betracht zu ziehende Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung daran, daß die Klägerin eine vor der Beseitigung des Überhangs bestehende Verpflichtung des Beklagten, diese Arbeiten selbst und auf eigene Kosten durchzuführen bzw. durchführen zu lassen, nicht dargetan hat.

Zwar kann der Eigentümer eines Baumes zur Entfernung von auf das Nachbargrundstück überhängenden Zweigen wegen der durch sie dadurch bewirkten Beeinträchtigung des Eigentums des Grundstücksnachbarn nach § 1004 Abs. 1 BGB - vorbehaltlich des § 1004 Abs. 2 BGB - verpflichtet sein. Dieser Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß auch ein Vorgehen des Grundstücksnachbarn nach § 910 BGB, also Ausübung eines dort eingeräumten Selbsthilferechts durch Abschneiden herüberragender Zweige, in Betracht kommt. Soweit ein auf Nichteinhaltung des im Nachbarrechtsgesetz für Nordrhein-Westfalen, vorgeschriebenen Grenzabstandes gestürzter Anspruch auf Beseitigung der Bäume infolge Ablaufs der Frist des § 47 Nachbarrechtgesetz ausgeschlossen ist, hat dies ebenfalls nicht ohne weiteres auch den Ausschluß der Rechte aus § 910 BGB und 1004 BGB bezüglich des Überhangs zur Folge.

Beide Rechte der Klägerin setzten jedoch voraus, daß sie nicht aufgrund der Baumschutzsatzung in der Stadt Köln verpflichtet war, den Übergang zu dulden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß diese Voraussetzung hier erfüllt war.

Die Bäume, um die es hier geht, sind nach Maßgabe der Bauschutzsatzung geschützte Bäume. Für die von der Klägerin mit Schreiben vom 18. August und 23. September 1998 geforderte und im November 1998 schließlich selbst durchgeführte Beseitigung des Überhangs hätte bei dem Amt für Umweltschutz eine Erlaubnis zur Veränderung der Bäume nach den §§ 3, 5 der Baumschutzsatzung eingeholt werden müssen.

Die Gültigkeit der Baumschutzsatzung und ihre Anwendbarkeit im vorliegenden Fall kann die Klägerin nicht mit Erfolg in Zweifel ziehen. Naturschutz und Umweltschutz machen an der Grundstücksgrenze nicht halt. Das private Nachbarrecht wird insoweit durch Vorschriften des öffentlichen Rechts "überlagert". Dies gilt auch für den durch Landesrecht bzw. Gemeindesatzungen geregelten Baumschutz, vgl. Staudinger-Gursky, 13. Auflage, Rn. 174 zu § 1004 BGB.

Aufgrund der Härteklauseln, die eine Befreiung von bestimmten dem Naturschutz bzw. Baumschutz dienenden Verboten im Einzelfall ermöglichen, sind bei der Anwendung der betreffenden Vorschriften des öffentlichen Rechts zwar auch private Belange der Grundstückseigentümer zu berücksichtigen. Eine Erlaubnis zur Veränderung der Bäume durch Beseitigung des Überhangs hätte erteilt werden können, wenn das Verbot zu einer nicht beabsichtigten Härte geführt und überwiegende öffentliche Belange nicht entgegengestanden hätten. Unter dieser Voraussetzung hätte der Anspruch auf Beseitigung des Überhangs auch im Zivilprozeß gegen den Beklagten durchgesetzt werden können. Dabei wäre in den Tenor eines der Klage stattgebenden Urteils der Vorbehalt aufzunehmen gewesen, daß die Beseitigung des Überhangs erst nach Erteilung der nach der Baumschutzsatzung erforderlichen Erlaubnis zu erfolgen habe, weil sich ohne diese Erlaubnis ein solches Urteil nicht hätte vollstrecken lassen (vgl. die Entscheidung des BGH, NJW 1993, 925 zur Zulässigkeit eines derartigen Vorbehalts bei einem Urteil, aufgrund dessen Maßnahmen gegen den von einem Froschteich auf dem Nachbargrundstück ausgehenden Lärm getroffen werden sollten).

Daß ein solcher Härtefall hier vorlag, hat die Klägerin aber nicht dargetan.

Die normalen Wirkungen eines mit seinen Ästen in den Luftraum über einem Nachbargrundstück hineinragenden Baumes auf seine Umgebung stellen in der Regel gegenüber dem Eigentümer des betroffenen Nachbargrundstücks keine nicht beabsichtigte Härte dar, die einen Anspruch auf Befreiung von dem in den Baumschutzvorschriften enthaltenen grundsätzlichen Verbot der Veränderung bzw. Entfernung des Baumes begründet. Zu diesen normalen und aufgrund des Baumschutzes als unvermeidbar hinzunehmenden Wirkung gehört grundsätzlich auch der Abfall von Blättern, Früchten, Hülsen und toten Ästen, vgl. OVG Bremen, NVwZ 1986, 953.

Eine durch morsche Äste bestehende besondere Gefahrenlage, die die von der Klägerin getroffene Maßnahme auch ohne Einholung der behördlichen Erlaubnis rechtfertigte, ist nicht dargetan. In der vorgerichtlichen Auseinandersetzung und auch noch in der Klagebegründung hat die Klägerin ihr Beseitigungsverlangen nicht damit begründet, daß die konkrete Gefahr der Verletzung von Personen durch abbrechende morsche Äste bestehe. Zur Frage, wo sich solche bruchgefährdeten morschen Äste befanden und ob sie sich erforderlichenfalls nicht auch ohne den von der Klägerin geltend gemachten Aufwand hätten beseitigen lassen, hat der Tatsachenvortrag der Klägerin nicht genügend Substanz, um eine Vernehmung der von ihr benannten Zeugen zu rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 5.378,93 DM


Aangenvoort
Bieber
Dr. Lohmann

Vorinstanzen

AG Köln, 122 C 201/99

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

§ 910 BGB