Halten und Parken von Zulieferlastwagen mit laufendem Motor vor Nachbargrundstücken sind unzulässig

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

30. 10. 1981


Aktenzeichen

V ZR 191/80


Leitsatz des Gerichts

Ein Fabrikbetreiber genügt seiner Pflicht, von seinem Betrieb ausgehenden Belästigungen zu verhindern, nicht, wenn er die Lastwagenfahrer, die ihre Fahrzeuge mit laufenden Motoren vor einem Wohnhaus in der Nähe abstellen, lediglich darauf hinweist nicht mehr so zu handeln. Dem mittelbaren Störer (Fabrikbetreiber) sind weitergehende Maßnahmen zumutbar.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 4. Juli 1980 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin vom 20. März 1980 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungs- und die des Revisionsverfahrens.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn in B. Der Kläger ist Eigentümer des mit einer Fabrikationshalle der Firma M.L. KG (der KIäger ist deren persönlich haftender Gesellschafter), sowie einem mehrgeschossigen Geschäfts- und Wohngebäude bebauten Grundstücks am G. Ufer. Die Schlafräume der Wohnung des Klägers und die Büroräume der Firma M.L. KG liegen zum G. Ufer hin. In dieser Straße befinden sich u.a. noch zwei weitere Gewerbebetriebe und eine Laubenkolonie. Die Beklagte betreibt auf dem angrenzenden Eckgundstück G. Ufer - K.A. Allee eine Kaffeegroßrösterei, deren Einfahrt für Lastkraftwagen wenige Meter von der Südgrenze des Grundstücks des Klägers entfernt ist.

Die für die Beklagte bestimmten Silolastzüge und die bis zu 30 Tonnen Schweren Speditionslastkraftwagen, die Rohkaffee und Verpackungsmaterial anliefern, parken teilweise zu Tages- und Nachtzeiten in der Straße G. Ufer vor dem Anwesen des Klägers. Einige Fahrer der aus Westdeutschland ankommenden Fahrzeuge lassen dabei die Motoren noch weiter laufen, und zwar auch dann, wenn sie nachts ankommen und auf die ab sechs Uhr beginnende Entladung warten.

Nach Beschwerden des Klägers darüber wandte sich die Beklagte mit gleichlautenden Schreiben im Dezember 1978 in die sie beliefernden Speditionen und Zulieferfirmen, mit der Bitte, die Fahrer anzuweisen, nur vor dem Grundstück der Beklagten oder am G. Platz zu parken und den Motor während der Standzeit nicht laufen zu lassen. Diese Anweisung wurde an die Fahrer weitergegeben, die sich entsprechend durch Unterschrift verpflichteten. Im April 1980 wurde diese Aktion wiederholt.

Der Kläger verlangt von der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes ersatzweise Ordnungshaft Maßnahmen, die das Parken und Halten von Lastkraftwagen, die die Beklagte beliefern, mit laufendem Motor zur Tages- und Nachtzeit vor seinem Grundstück verhindern.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Der äußeren Form nach gehen der Antrag des Klägers und der Tenor des landgerichtlichen Urteils zwar dahin, daß "Maßnahmen getroffen" werden, die etwas "verhindern". Dennoch ergibt eine Auslegung von Klageantrag und landgerichtlichem Urteil, daß es nicht um die Vornahme unvertretbarer Handlungen (§ 888 ZPO) durch den Beklagten geht (auch nicht in der Form der Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes), sondern um das Unterlassen eines genau bestimmten Verhaltens (§ 890 ZPO), nämlich des Haltens und Parkens von Lastkraftwagen, die die Beklagte beliefern, mit laufendem Motor vor dem Grundstück des Klägers.

II. Das Berufungsgericht verneint die Störereigenschaft der Beklagten, weil dieser über die getroffenen Maßnahmen hinaus (Rundschreibenaktionen mit Verpflichtungsscheinen der Kraftfahrer) weitere Schritte nicht zugemutet werden könnten, um das Verhalten der Kraftfahrer zu unterbinden. Vertragsstrafenvereinbarungen mit ihren Vertragspartnern seien nicht geboten. Die eines besonderen Mitarbeiters zur Überwachung der Kraftfahrer bei Tag und Nacht sei nicht notwendig, weil dieser die Lastkraftwagenfahrer nicht zum Abstellen der Motoren zwingen könne. Auch die Polizei habe insoweit Schwierigkeiten gehabt. Die Einschaltung der Polizei sei erfolglos geblieben.

III. Diese Ausführungen halten den Revisionsangriffen nicht stand.

1. Im Ansatzpunkt verkennt auch das Berufungsgericht nicht, daß die Beklagte als mittelbare Störerin für das Verhalten der Lastkraftwagenfahrer verantwortlich sein kann, sofern die Beeinträchtigungen, deren Unterlassung begehrt wird, adäquat ursächlich durch ihren Betrieb veranlaßt sind (was hier nicht zweifelhaft ist) und sie in der Lage ist, solche Störungen zu verhindern (vgl. BGH-Urteile vom 21. September 1960, VZR 39/59 - NJW 1960, 2335; vom 13. April 1962, V ZR 197/60 = WM 1962, 765; vom 30. Mai 1962, V ZR 121/60 - NJW 1962, 1342; vom 11. Juli 1963, III ZR 55/62 - NJW 1963, 2020; vom 10. November 1972, V ZR 54/71 - NJW 1973, 326 m.w.N.). Es ist dabei Sache der Beklagten, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß sie alles ihr billigerweise Zuzumutende unternommen hat, um die Beeinträchtigungen abzustellen (vgl. BGH-Urteile vom 13. April 1962 aaO S. 767).

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts durfte sich die Beklagte mit ihren zwei offenbar erfolglos gebliebenen Rundschreibenaktionen nicht zufrieden geben, sondern war gehalten, durch mögliche weitere und auch zumutbare Maßnahmen sicherzustellen, daß ihr Verbot eingehalten wird.

Im Rahmen organisatorischer Schritte genügte es nicht, daß die Beklagte nach ihrem Vortrag während der Betriebszeit ständig einen Mitarbeiter beauftragt hat, die ankommenden und sich bei ihm meldenden Lastkraftwagenfahrer in Empfang zu nehmen und entsprechend anzuweisen. Da die Störungen auch nachts vorkommen, muß notfalls ein Mitarbeiter auch außerhalb der Betriebszeit die ankommenden Fahrer überwachen. Daß er ohne polizeiliche Befugnisse unmittelbar nicht in der Lage ist, die Fahrer zum Abstellen der Motoren zu zwingen, ist nicht entscheidend. Die Beklagte könnte durch geeignete Anweisungen erreichen, daß die "Störenfriede" unter den Lkw-Fahrern grundsätzlich an letzter Stelle abgefertigt oder jedenfalls festgestellt und ihren Arbeitgebern namhaft gemacht werden, um so ein entsprechendes Verhalten zu erzwingen.

Der Beklagten kann auch zugemutet werden, durch rechtlichen und wirtschaftlichen Druck Einfluß auf ihre Vertragspartner (Speditionen, Zulieferfirmen) zu nehmen. Diese haben im Rahmen der vertraglichen Beziehungen die selbstverständliche Nebenpflicht, bei Anlieferungen in zumutbarem Rahmen alles zu vermeiden, was die Beklagte als Störerin Ansprüchen auf Unterlassung oder Schadenersatz aussetzt. Unnötiges Laufenlassen von Fahrzeugmotoren ist schon gesetzlich verboten (§ 30 Abs. 1 Satz 2 StVO). Der Beklagten kann deshalb angesonnen werden, entsprechenden Druck auf ihre Vertragspartner (die für ihre Fahrer einzustehen haben, vgl. auch § 278 BGB) auszuüben, damit diese das verbotswidrige Verhalten ihrer Fahrer abstellen. Welche Maßnahmen die Beklagte insoweit ergreift, bleibt ihr überlassen. Es ist weder vorgetragen noch festgestellt, daß die Beklagte über zumutbare juristische und wirtschaftliche Sanktionen gegenüber den an einer Geschäftsbeziehung mit ihr interessierten Firmen (vgl. auch BGH NJW 1960, 2335) dies nicht erreichen kann.

In diesem Zusammenhang sieht das Berufungsgericht auch die Möglichkeit einer Vertragsstrafenvereinbarung rechtlich unzutreffend. Soweit es ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, ob die Beklagte "in gegebenenfalls über längere Zeit laufende Vertragsverhältnisse eine Vertragsstrafenbestimmung aufnehmen könnte", verkennt es, daß dafür die Beklagte die Vortrags- und Beweislast trägt. Daß die Vertragspartner auf Bitte der Beklagten deren Anweisungen an die Fahrer weitergeleitet haben, besagt nichts über die Erfolglosigkeit von etwaigen Vertragsstrafenvereinbarungen. Die Verpflichtungserklärungen der Fahrer bleiben offenbar mindestens teilweise ohne Wirkung. Daß ihre Arbeitgeber auch unter dem Druck von Vertragsstrafen dieses Verhalten nicht abstellen können, ist damit nicht gesagt.

IV. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Der Kläger hat gegen die Baklagte einen Unterlssungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das Berufungsgericht hat zwar über den genauen Umfang der Beeinträchtigungen keine Beweisaufnahme durchgeführt, stellt aber fest, daß einige Fahrer der aus Westdeutschland ankommenden schweren Lastkraftwagen ihre Motoren im Stand vor dem Grundstück des Klägers auf dem G. Ufer (zu dieser Straße zu liegen Schlaf- und Büroräume des Klägers) sowohl zu Tages- als auch Nachtzeiten noch weiterlaufen lassen. Daraus läßt sich, abgestellt auf das Empfinden eines durchschnittlichen Benutzers des betroffenen Grundstücks (vgl. Senutsurteile vom 18. Juni 1958, V ZR 49/57 = NJW 1958, 1393 und vom 16. Juni 1959, V ZR 47/58 = NJW 1959, 1632; BGHZ 70, 102, 110 als Beispiele ständiger Rechtsprechung), ohne weiteres entnehmen, daß die daraus folgenden Geräusch- und Geruchsbelästigungen wesentlich sind (§ 906 Abs. 1 BGB), und zwar auch dann, wenn sie nicht dauernd erfolgen. Die dafür vortrags- und beweispflichtige Beklagte hat weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, daß ein durchschnittlicher Mensch sie praktisch kaum noch empfindet (vgl. BGB-RGRK, 12. Aufl., § 906 Rdn. 33 m.w.N.). Offenbleiben kann, ob die Störungen ortsüblich sind oder nicht, denn es ist nicht festgestellt, daß die Beklagte die Störungen auf wirtschaftlich zumutbare Weise nicht verhindern kann (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Vorinstanzen

KG Berlin, LG Berlin

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

BGB § 906