Fortführung eines Klageverfahrens durch eine aufgelöste GmbH

Gericht

LG Offenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

01. 08. 2003


Aktenzeichen

3 O 20/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgelöst, bleibt sie dennoch parteifähig, wenn sie ein Vermögensrecht in Anspruch nimmt.

  2. Ob juristische Personen prozessfähig sein können, kann unentschieden bleiben, wenn sie ordnungsgemäß gesetzlich vertreten sind. Die gesetzliche Vertretung hat das Gericht gemäß § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen entweder als Merkmal der Prozessfähigkeit oder als eigenständige Zulassungsvoraussetzung zu prüfen.

  3. Eine Beweisaufnahme von Amts wegen zu den Umständen einer wirksamen gesetzlichen Vertretung kommt erst nach entsprechendem Vortrag der Parteien in Betracht.

Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten aus dem Urteil hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunft (und Zahlung) in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Unter dem 02.12.1999 hatten die Parteien einen Vorfinanzierungsvertrag (As. 11 ff) und einen Verwaltungsvertrag (As. 17 ff) abgeschlossen. Der von der Klägerin aufgebaute, nach ihrem Vorbringen stattliche Abonnement-Bestand wurde von der Beklagten zum 01.10.2000 übernommen.

Die Klägerin bringt vor, hierfür habe es nach den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen keinen Grund gegeben. Ihr stünden (jedenfalls) Auskunftsansprüche zu, um ihre Restforderung - über die von der Beklagten bezahlten, unzulänglichen 4,54 DM hinaus - nach Prüfung beziffern zu können.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über

  1. angefallene Zinsen des der Klägerin gewährten Vorfinanzierungsdarlehens Nr. 870.823,

  2. verrechnete Tilgungsleistungen der Klägerin auf dieses Darlehen durch

    1. Renditeansprüche aus vermittelten Abos,

    2. geleisteten Werbekostenzuschüssen (WKZ),

  3. der Klägerin zustehende Provisionen,

    1. wegen vermittelter 24-Monats-Abonnements,

    2. wegen vermittelter Abonnements mit Lastschriftverfahren,

  4. den gehandelten Wert der vermittelten Abonnements,

zu erteilen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Sie macht geltend, die Klägerin habe ihr per 01.10.2000 den Abonnementbestand verkauft, weil die Abonnementaufträge nicht den vereinbarten Qualitätsanforderungen entsprochen hätten. Im Herbst 2000 sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass diese Übernahme nach branchenüblichem Standard erfolge, sie habe die zu diesem Zeitpunkt marktüblichen Provisionen gezahlt, die zudem mit dem Geschäftsführer der Klägerin abgestimmt gewesen seien. Der Klägerin seien alle Unterlagen und Abrechnungen zur Verfügung gestellt worden; ihre Abrechnungen seien nachvollziehbar und korrekt, die Klägerin habe deshalb nichts weiter zu beanspruchen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Erklärungen in den mündlichen Verhandlungen Bezug genommen. Im Termin vom 16.05.2003 hat der im Rubrum als Geschäftsführer der Klägerin aufgeführte Herr ... erklärt, die Klägerin gebe es nicht mehr, verbunden mit der Ankündigung, bis 16.06.2003 zum Status der Klägerin weiter vorzutragen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage muss - ohne weitere Sachprüfung - als unzulässig abgewiesen werden:

Der Erklärung von Herrn ... im Termin vom 16.05.2003 ist zu entnehmen, dass die Klägerin aufgelöst ist. Gleichwohl ist sie damit nach wie vor aktiv parteifähig; denn dafür reicht aus, dass sie ein Vermögensrecht in Anspruch nimmt, im vorliegenden Fall der von der Klägerin erwartete, nach Auskunftserteilung zu beziffernde Zahlungsanspruch (vgl. hierzu Zöller, ZPO, 23. Auflage, § 50 Rdnr. 4 a, b). An der Parteifähigkeit als Prozessvoraussetzung scheitert die Klage demnach nicht.

Die Klage ist aber deshalb als unzulässig abzuweisen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin im Rechtsstreit ordnungsgemäß vertreten wird:

Hierbei kann offen bleiben, ob auch juristische Personen prozessfähig sein können (vgl. hierzu Zöller, ZPO, 23. Auflage, § 52 Rdnr. 2 mit Nachweisen zum Meinungsstand). Bejaht man dies, so ist die ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung ein Merkmal der Zulässigkeitsvoraussetzung "Prozessfähigkeit"; verneint man dies, so ist die Frage der gesetzlichen Vertretung als eigenständige Zulässigkeitsvoraussetzung zu behandeln. In beiden Fällen ist die ordnungsgemäße Vertretung nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen. Deshalb wurde im Anschluss an die Erklärung von Herrn ... im Termin vom 16.05.2003 wie auch nochmals im Termin vom 18.07.2003 diese Problematik erörtert. Die Klägerin hatte angekündigt, bis 16.06.2003 - auch - hierzu vortragen zu wollen, hat solchen Vortrag jedoch weder bis zu diesem Zeitpunkt noch innerhalb der antragsgemäß bis 25.06.2003 verlängerten Frist gehalten. Auf die Ankündigung im Schriftsatz vom 25.06.2003 ist ebenfalls bis zu dem auch insoweit maßgeblichen Schluss der letzten mündlichen Verhandlung keine weitere Erklärung erfolgt.

Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin, die es nach der Erklärung von Herrn ... "nicht mehr gibt", gleichwohl aber - wie oben ausgeführt - als parteifähig zu behandeln ist, ordnungsgemäß durch einen (Nachtrags-) Liquidator vertreten wird. Herr ... ist im Klagerubrum (unzutreffend) als Geschäftsführer der Klägerin aufgeführt. Sache der Klägerin war es, nach den Erörterungen die Umstände einer wirksamen gesetzlichen Vertretung darzutun; erst dann wäre - wollte man im Rahmen der Prüfung von Amts wegen im vorliegenden Fall auch an eine Beweisaufnahme von Amts wegen denken (vgl. hierzu Zöller a.a.O., § 56 Rdnr. 4 m.w.N.) - eventuell eine Beweisaufnahme von Amts wegen in Betracht gekommen.

Da somit eine wirksame gesetzliche Vertretung der Klägerin von dieser nicht dargelegt ist, ein Fall des § 56 Abs. 2 ZPO mangels Eilbedürftigkeit unzweifelhaft nicht vorliegt, musste die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO als unzulässig abgewiesen werden.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO, wobei für die Art der Sicherheitsleistung § 108 ZPO gilt.


Lehmann
Vors. Richter am Landgericht

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht