Mindesttemperatur in Büroräumen – Rechtsanwaltskanzlei

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

21. 11. 2000


Aktenzeichen

5 U 2889/00


Leitsatz des Gerichts

Der Vermieter von Büroräumen ist ohne besondere Abrede im Vertrag zur Herstellung einer Raumtemperatur von 20 Grad Celsius verpflichtet, auf höhere Raumtemperaturen besteht kein Anspruch. Dies gilt auch für Büroräume, in denen überwiegend sitzende, bewegungsarme Tätigkeiten ausgeübt werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Raumtemperaturen in einer Rechtsanwaltskanzlei, welche der Kl. in den von den Bekl. gemieteten Räumen betreibt. Das LG hat die Bekl. verurteilt, die Heizungsanlage so zu betreiben, dass in drei näher bezeichneten Räumen eine Temperatur von mindestens 22 Grad Celsius erzielt wird. Auf die Berufung wurden die Bekl. verurteilt, die Heizungsanlage so zu betreiben, dass eine Raumtemperatur von 20 Grad Celsius erreicht wird.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

2. Die in der Berufung anhängige Klage ist im Hauptantrag unbegründet. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Raumtemperaturen von 22 Grad Celsius. Die Bekl. haben gem. § 536 BGB dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche vermieteten Räume zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignet sind. Dazu gehört auch, dass sie ausreichend, das heißt entsprechend dem zeitgemäßen Wohn- und Bürostandard beheizt werden. Welche Temperatur geschuldet ist, ergibt sich aus gesetzlichen Vorschriften unmittelbar nicht.

Der Mietvertrag enthält hierzu keine ausdrückliche Regelung. Aus Nr. 1 folgt aber, dass „213 m² Bürofläche als Anwaltskanzlei“ vermietet sind. Vertraglich geschuldet sind demnach Temperaturen, die üblicherweise für den Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei erforderlich und angemessen sind. Dafür, wie dies zu beurteilen ist, stützt sich der Senat auf Vorschriften, die zwar nicht unmittelbar gelten, sich aber ausdrücklich mit Raumtemperaturen befassen sowie auf zeitgemäße Erfahrungswerte. Für die Erholung eines Sachverständigengutachtens insbesondere zur Frage der Behaglichkeit - wie vom Kl. beantragt - bestand keine Veranlassung.

2.1 Ein Anhaltspunkt für die ortsübliche, angemessene Temperatur ist der DIN 4701 (Regeln für die Berechnung des Wärmebedarfs von Gebäuden) zu entnehmen, welche für Wohn- und Schlafräume, Büroräume, Bibliotheken sowie Fertigungs- und Werkstatträume bei sitzender Beschäftigung eine Norminnentemperatur von 20 Grad Celsius angibt. 22 Grad Celsius werden hingegen empfohlen für Krankenhauszimmer und Umkleideräume in Schwimmbädern.

2.2 Ein weiterer Hinweis ergibt sich aus der AVO (ArbeitsstättenVO vom 20. 3. 1975 in der Fassung vom 4. 12. 1996). Danach muss in Pausen-, Liege-, Sanitär- und Sanitätsräumen eine Mindesttemperatur von 21 Grad Celsius erreichbar sein. Solche Räume sind im vorliegenden Verfahren nicht streitbefangen. Hier geht es um ein Rechtsanwaltszimmer und 2 Sekretariate.

Nach der Arbeitsstättenrichtlinie zu Raumtemperaturen (Ausgabe April 1976) ist für Büroräume eine Mindesttemperatur von 20 Grad Celsius vorgeschrieben.

2.3 In Literatur und Rechtsprechung werden unterschiedliche Temperaturen als geschuldet angenommen. Es finden sich - wie auch von den Parteien zitiert - insbesondere Einzelfallentscheidungen von Amts- und Landgerichten sowohl zu 20 Grad Celsius wie zu 22 Grad Celsius. In der Literatur wird beispielsweise auch die Anforderung von 20 Grad bis 22 Grad Celsius vertreten; (so Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 535 Rdnr. 25a). Der BGH hat es im Rahmen einer Überprüfung der allgemeinen Geschäftsbedingungen für Wohnmietvertrag offen gelassen, ob 20 Grad Celsius zeitgemäßem Wohnstandard entspricht (vgl. BGH, NJW 1991, 1750 [1753]).

Der Senat folgt der Literaturmeinung, die 20 Grad Celsius - ggf. als die unterste Grenze - als Raumtemperatur ausreichen lässt; (vgl. Sternel, MietR, 3. Aufl., II Rdnr. 62; Kraemer, in: Bub/Treier, Hdb. d. Geschäfts- u. Wohnraummiete 3. Aufl., III B Rdnr. 1306).

Dabei ist nicht verkannt, dass Büroräume in gehobener Lage und Ausstattung bei ebenfalls gehobenem Mietpreis 30 DM/m²) mit angenehmer Raumtemperatur geschuldet sind und erwartet werden dürfen. Dem ist bei objektiver Betrachtung bei tatsächlich erreichten Temperaturen von 20 Grad Celsius genüge getan.

Berücksichtigt ist hierbei, dass sowohl die Rechtsanwälte wie das Büropersonal im Wesentlichen sitzende, bewegungsarme Tätigkeiten ausüben und dass im Übrigen das Empfinden, welche Temperatur angenehm ist, auch subjektiven Einflüssen unterliegt sowie von Art und Qualität der Kleidung abhängt.

Dass der Kl. verstärkt Kontakt mit besonders sensiblen Mandanten hat oder selbst die Räume - gegebenenfalls auch im Interesse der Mitarbeiter - wärmer wünscht, ändert an der vorliegenden Beurteilung, die an objektiven Kriterien zu treffen ist, nichts. Es stellt kälteempfindliche Mieter auch nicht rechtlos; denn es ist jedem Mieter unbenommen, im Mietvertrag bestimmte gewünschte Mindesttemperaturen zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung ist hier nicht getroffen. Der Kl. behauptet nicht, dass er bei Abschluss des Mietvertrags darauf hingewiesen hat, dass ihm - im Interesse seiner Mandanten und seines Personals - an besonders warmen Mieträumen gelegen ist.

Die Entscheidung trägt auch dem vom Kl. im Schriftsatz vom 27. 10. 2000 angesprochenen Gesichtspunkt Rechnung, dass sich seit den 60er und 70er Jahren das Bewusstsein über den Umgang mit Energie geändert und zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass mit Energie nicht verschwenderisch umgegangen werden sollte. Sie steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (NJW-RR 1992, 396 [397]). Dort wird zwar eine allgemeine Geschäftsbedingung, die Temperaturen von mindestens 20 Grad Celsius für die dem Tagesaufenthalt dienende Räume für unwirksam erklärt; nicht aber deshalb, weil eine Temperatur von 20 Grad Celsius für Räume zum „Tagesaufenthalt“ generell zu niedrig wäre.

2.4 Die vom Kl. angeführte DIN 1946 (Raumlufttechnik) vermag demgegenüber der Klage im Hauptantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Die Norm gilt nicht unmittelbar für Mietverhältnisse. Die DIN 1946 enthält VDI Lüftungsregeln; sie gilt für raumlufttechnische Anlagen und behandelt die Raumtemperatur lediglich am Rande mit. Erwähnt ist sie z.B. konkret in den Erläuterungen zu Nr. 3.1.4, welche sich mit Raumluftgeschwindigkeit befasst. Wenn es dort heißt, dass „Raumlufttemperaturen unterhalb von etwa 22 Grad Celsius und oberhalb von etwa 27 Grad Celsius… je nach Bekleidung außerhalb des allgemeinen thermischen Behaglichkeitsbereiches“ liegen, hat dies vorliegend wenig Aussagekraft.

Die thermische Behaglichkeit ist nach Nr. 3.1 dann gegeben, wenn die Person mit der Temperatur, Feuchte und Luftbewegung in ihrer Umgebung zufrieden ist und weder wärmere noch kältere, weder trockenere noch feuchtere Raumluft wünscht. Sie ergibt sich aus den Komponenten Mensch (Bekleidung, Aktivitätsgrad, Aufenthaltsdauer), Raum (Temperatur der Umschließungsflächen und sonstige Wärmestrahler) und raumlufttechnische Anlage (Lufttemperatur, Luftgeschwindigkeit, Luftfeuchte).

Im Rahmen der thermischen Behaglichkeit ist die Lufttemperatur lediglich eine von vielen Faktoren. Die in der Erläuterung zu Nr. 3.1.4 getroffene Aussage ist gegenüber der DIN 4701, die sich konkret mit Wärmebedarfsberechnung befasst und gegenüber den im Arbeitsschutzbereich gegebenen Werten (Arbeitsstättenverordnung) von untergeordneter Bedeutung.

Rechtsgebiete

Mietrecht