Sommerliches Aufheizen der Mieträume

Gericht

OLG Rostock


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

29. 12. 2000


Aktenzeichen

3 U 83/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Übersteigt die Innentemperatur von Arbeitsräumen 26° C oder ist nicht gewährleistet, dass bei höheren Außentemperaturen die Innentemperatur mindestens 6° C niedriger ist, so ist der Mietzins gemindert.

  2. Der Mieter ist, jedenfalls wenn erhebliche Sicherheitsbedenken bestehen, oder der Mieter dem Versicherungsschutz verlustig geht, nicht zu nächtlichem Querlüften verpflichtet, um der Aufheizung tagsüber entgegenzuwirken.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Bekl. hatte mit Vertrag vom 16. 1. 1993 von den Kl. Räume zum Betrieb einer Arztpraxis angemietet. Der monatliche Grundmietzins ohne Nebenkosten betrug 4375 DM zzgl. Umsatzsteuer. Mit der Begründung, das vermietete Objekt sei mangelhaft, weil es im Sommer in den Innerräumen zu heiß sei, behielt der Bekl. in den Monaten Mai bis November 1996 sowie Mai bis August 1997 jeweils 828,21 DM ein. Die Kl. verlangen Zahlung dieser Beträge, insgesamt 9110,31 DM nebst Zinsen. Der Bekl. begehrte widerklagend, die Kl. als Gesamtschuldner zu verurteilen es zu gewährleisten, dass die Innentemperatur in der vom Bekl. gemieteten Arztpraxis bei einer Außentemperatur bis zu 32°C 26°C nicht übersteigt und bei höheren Außentemperaturen mindestens 6°C unter der Außentemperatur liegt.

Das LG Schwerin hat den Bekl. zur Zahlung von 9110,31 DM nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. 1. Einen Sachmangel i.S. des § 537 BGB hat der Bekl. schlüssig vorgetragen. Die Auffassung des LG, ein Mangel der Mietsache allein wegen zu hoher Innenraumtemperaturen liege nicht vor, wenn das vermietete Objekt baulich entsprechend den anerkannten Regeln der Technik errichtet worden sei, teilt der Senat nicht. Auch wenn ein vermietetes Objekt entsprechend den anerkannten Regeln der Technik errichtet wurde, kann es dennoch mangelhaft sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bei der Vermietung von Räumen diese nicht so beschaffen sind, dass der nach dem Vertragszweck vorgesehene Beruf oder das vorgesehene Gewerbe in den Räumen in zulässiger Weise ausgeübt werden kann. Nach § 31 I des schriftlichen Mietvertrags vermieteten die Kl. dem Bekl. die Räume zur „Benutzung als Arzt für Urologie“. Die dafür notwendigen Voraussetzungen müssen die vermieteten Räume erfüllen, auch ohne dass es einer besonderen Vereinbarung der Parteien über eine bestimmte Ausstattung der Räume (äußerer Sonnenschutz, Klimaanlage) bedarf. Für das Betreiben einer Arztpraxis gehört dazu u.a., dass die Räume so beschaffen sind, dass in ihnen auch Arbeitnehmer beschäftigt werden können. Deshalb muss auch den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung genügt werden. Nach § 6 I ArbStättVO muss in Arbeitsräumen während der Arbeitszeit eine unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur vorhanden sein. Nach der diese Bestimmung konkretisierenden Arbeitsstättenrichtlinie ASR 6/1.3 muss gewährleistet sein, dass in Arbeitsräumen bei Außentemperaturen bis zu 32°C die Innentemperatur 26°C nicht übersteigt und sie im Übrigen bei höheren Außentemperaturen mindestens 6°C unter der Außentemperatur liegt. Raumtemperaturen oberhalb dieser Gradzahlen bedeuten daher einen Sachmangel (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1995, 143; OLG Köln NJW-RR 1993, 466).

b) Nach dem Gutachten des Sachverständigen A ist bewiesen, dass es in den Monaten Mai, Juli und August der Jahre 1996 und 1997 in den Mieträumen zu heiß war. … Zur Ursache der überhöhten Temperaturen legt der Sachverständige dar, dass die nach § 44 der MVBauO geforderte Mindestfläche der Fenster größer sei als 1/8 der Raumfläche. Im Mittel liege das Verhältnis dreifach über dem Mindestwert, teilweise sogar bis zu zwölffach über diesen Wert. Gemäß DIN 5034, Teil 1, VI.V gelte, dass in Räumen mit einer Raumhöhe bis zu 3,5 m die Summe der durchsichtigen Fläche aller Fenster mindestens 30% des Produkts aus Raumbreite und -höhe betragen solle. Im Mittel liege der Flächenanteil doppelt so hoch wie der geforderte Mittelwert. Im Übrigen seien die Gebäudeplaner gehalten, die Empfehlungen der DIN 4108 zu Wärmeschutzmaßnahmen einzuhalten. Hiervon ausgehend stehe fest, dass die hohen Innenraumtemperaturen zu einem erheblichen Anteil auf die sehr großen Fensterflächen und die Sonneneinstrahlung zurückzuführen sind. …

c) Dem Bekl. ist nicht vorzuwerfen, zur Aufheizung der Räume dadurch beigetragen zu haben, dass er nachts nicht lüftete, was nach den Ausführungen des Sachverständigen zur Erhöhung der Innenraumtemperaturen bei mehreren aufeinander folgenden Sonnentagen führte. Auf die bestrittene Behauptung, ob der Hausverwalter bzw. der Hausmeister dem Bekl. bedeutet hat, gegen eine Nachbelüftung bestünden wegen der im Gebäude befindlichen Bank Sicherheitsbedenken, kommt es nicht an. Dem Bekl. war nämlich nicht zuzumuten, nachts, wenn sich niemand in den Praxisräumen aufhielt, die Fenster offen zu halten. Anderenfalls hätte er nämlich für den Fall eines Einbruchs seinen Versicherungsschutz verloren. Die allgemeinen Bedingungen für eine Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung (AERB 84) bestimmen unter § 7b, dass der Versicherungsnehmer Türen und alle sonstigen Öffnungen des Versicherungsorts stets ordnungsgemäß verschlossen zu halten habe, solange die Arbeit, von Nebenarbeiten abgesehen, ruhe. Dies gilt insbesondere für die Nachtzeit. Ein sich stetig wiederholender Verstoß gegen diese Bestimmung durch dauerndes nächtliches Lüften mittels „Kippstellung“ der Fenster in den Sommermonaten wäre dem Bekl. als Versicherungsnehmer als grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen mit der Folge, dass er gem. § 61 VVG seinen Leistungsanspruch gegen den Versicherer verloren hätte.

Dem Einwand der Kl., der Inhalt des von dem Bekl. geschlossenen Versicherungsvertrags könne sich nicht nachteilig auf ihre Pflichten aus dem Mietvertrag auswirken, vermag der Senat nicht zu folgen. Vorliegend handelt es sich nicht um eine besondere Gestaltung des Vertrags des Bekl. mit seinem Versicherer, sondern um die allgemeinen Bedingungen für eine Einbruchsdiebstahlversicherung. Auch bei einem anderen Versicherer wäre es dem Bekl. nicht gelungen Bedingungen auszuhandeln, die ein nächtliches Lüften durch Offenlassen der Fenster erlaubte, ohne den Versicherungsschutz in Frage zu stellen. Grundsätzlich kann ein Vermieter dem Mieter nicht verwehren, sich gegen Einbruch und Vandalismus zu versichern. Auch dies gehört zu einem ordnungsgemäßen Mietgebrauch.

2. Wegen des Sachmangels ist der Mietzins zumindest teilweise gem. § 537 BGB gemindert.

Rechtsgebiete

Mietrecht