Unterlassung Schmähkritik
Gericht
LG München I
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
15. 07. 2003
Aktenzeichen
33 O 8056/03
Ist eine sich auf einen Mitbewerber beziehende Äußerung nicht nur an die allgemeine Öffentlichkeit, sondern auch an dessen Kunden und Geschäftspartner gerichtet, so liegt ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" i.S.d. § 1 UWG vor.
Bezeichnet ein konkurrierender Verlag den Mitbewerber als "Kopieranstalt", so liegt hierin eine nach § 14 UWG unzulässige Rufbeeinträchtigung.
Dient eine Meinungsäußerung auch Wettbewerbszwecken, so steht sie nicht von vorneherein außerhalb des Schutzbereiches der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.
Auch unter Berücksichtigung von Art. 5 GG kann die Verbreitung von wahren Tatsachen oder wertenden Meinungsäußerungen jedoch gegen § 1 UWG verstoßen, wenn der Mitbewerber ohne hinreichenden Anlass oder sachlichen Grund herabgesetzt wird.
Die Äußerung, bei dem Mitbewerber handele es sich um eine "Kopieranstalt", erfüllt aufgrund des ihr immanenten Vorwurfs des "gewerbsmäßigen Plagiierens" den Tatbestand der unzulässigen Schmähkritik und ist geeignet, den in Bezug genommenen Mitbewerber pauschal herabzuwürdigen.
Ein berechtigtes Interesse an der Verbreitung einer den Mitbewerber diffamierenden Äusserung ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn diese in Widerspruch zu gerichtlichen Entscheidungen steht, die zugunsten des betroffenen Mitbewerbers ergangen sind.
Endurteil:
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 29.04.2003 wird bestätigt.
Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Antragstellerin gibt seit Jahren das Frauenmagazin "Lisa" und hierzu erscheinende Sonderhefte heraus.
Die Antragsgegnerin zu 1) ist Herausgeberin von "Bild der Frau" sowie hierzu erscheinender Sonderausgaben.
Die Antragstellerin bringt jedenfalls seit April 2003 unter dem Titel "Frau im Trend" eine neue Zeitschrift hinaus, welche zunächst mit verschiedenen Sonderausgaben auf Teilmärkten positioniert wurde.
Sowohl gegen den Haupttitel als auch gegen den Titel einer Sonderausgabe ("Frau im Trend - Schlank & schön") ist die Antragsgegnerin zu 1) vor den Landgerichten Hamburg und Köln bislang erfolglos vorgegangen: Einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde nicht stattgegeben, weil "Frau im Trend" mit "Bild der Frau" nicht verwechselbar sei (vgl. Urteil des Landgerichts Hamburg vom 1.4.2003, Anlage AST 1).
Am 25.4.2003 hat die Antragsgegnerin zu 1) eine Zeitschrift unter dem Titel "Frau von Heute" herausgegeben, gegen die die Antragstellerin am 25.4.2003 eine einstweilige Verfügung beim Landgericht München I erwirkt hat (Anlage AST 2). Hierüber wurde in der Presse berichtet (vgl. Anlagenkonvolut AST 3). Ausweislich des als Anlage AST 4 vorgelegten Kress-Reports vom 25. April 2003 bezeichnete die Antragsgegnerin zu 2), die die Sprecherin der Antragsgegnerin zu 1) ist, die Antragstellerin gegenüber anfragenden Journalisten als "Offenburger Kopieranstalt".
Einem hiergegen gerichteten Antrag der Antragstellerin vom 29.4.2003 entsprechend hat das Landgericht München I am 29.4.2003 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der es der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, bei der Antragstellerin handele es sich um eine "Offenburger Kopieranstalt". Die Kosten des Verfahrens aus einem Streitwert von 100.000,-- EUR wurden der Antragsgegnerin auferlegt.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem durch Schriftsatz vom 24.6.2003, bei Gericht eingegangen am 25.6.2003, eingelegten Widerspruch. Die Aussage der Antragsgegnerin zu 2) beziehe sich ausschließlich auf die Frage, ob die von der Antragstellerin herausgegebene Frauenzeitschrift "Frau im Trend" eine Nachahmung der seit 20 Jahren mit einem vergleichbaren Titellogo und einer vergleichbaren Gesamtanmutung erscheinenden "Bild der Frau" ist. Dass dem so sei, ergebe sich aus einer Gegenüberstellung der jeweiligen Magazine (Titelseiten, vorgelegt als Anlagenkonvolut AG 4; wird im einzelnen ausgeführt). Jedenfalls dürften die Antragsgegnerinnen dieser Ansicht sein und dies auch entsprechend artikulieren.
Es gebe bisher jedenfalls keine gerichtliche Entscheidung, die der Antragstellerin bestätige, dass "Frau im Trend" eine zulässige Annäherung an das Titel-Logo bzw. die Titelblatt-Gestaltung von "Bild der Frau" sei. Es gebe lediglich mündliche Äußerungen der Vorsitzenden der Wettbewerbskammer der Landgerichte Hamburg und Köln, wonach die Annäherung / Nachahmung offenkundig sei, diese sich aber im Bereich des Zulässigen bewege. Nachdem die Antragsgegnerin "unternehmerisch" reagiert habe und die Zeitschrift "Frau von Heute" herausgegeben habe, sei der "Pressekrieg" zwischen Burda und Springer in der Presse thematisiert worden. Lediglich als Reaktion auf eine Anfrage von Journalisten habe die Antragsgegnerin zu 2) sodann den Begriff "Offenburger Kopieranstalt" verwendet. Damit sei das Handeln der Antragsgegnerinnen nicht als ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, sondern vielmehr als ein Handeln zur Information der Öffentlichkeit einzuordnen; der wettbewerbliche Aspekt stehe völlig im Hintergrund. Da die angegriffene Äußerung auch nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als reine Wertung gesehen werden müsse, ergebe sich die Zulässigkeit einer derartigen Bewertung aus Artikel 5 Abs.1 GG. Ein unrichtiger Eindruck über die Verbotslage werde nicht vermittelt. Pointierte Formulierungen seien zulässig, die Grenze zur Schmähkritik sei vorliegend nicht überschritten.
Die Antragsgegnerinnen beantragen daher,
die einstweilige Verfügung vom 29.4.2003 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Sie ist der Auffassung, die angegriffenen Äußerungen seien am Maßstab der §§ 1, 14 UWG zu beurteilen, da die Parteien Wettbewerber seien. Mit dem Begriff "Offenburger Kopieranstalt" werde die Antragstellerin in der Öffentlichkeit, insbesondere bei ihren Kunden und Geschäftspartnern, auf das gröbste herabgewürdigt. Es werde suggeriert, es entspräche ständigem Geschäftsgebahren der Antragstellerin, sich fremde Leistungen auf unrechtmäßige Weise anzueignen. Die Grenze zulässiger Meinungsäußerung sei durch eine solche, ausschließlich der Beleidigung dienende Kritik überschritten.
Ergänzend wird auf die von den Parteivertretern eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die einstweilige Verfügung erweist sich auch nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens als begründet. Die angegriffene Äußerung, bei der Antragstellerin handele es sich um die "Offenburger Kopieranstalt", überschreitet auch unter Berücksichtigung des sich aus Artikel 5 Abs.1 GG ergebenden Rechts auf Meinungsfreiheit die Grenzen zulässiger Kritik.
1 . Die angegriffenen Aussagen sind am Maßstab des Wettbewerbsrechts, also der §§ 1, 14, 15 UWG, zu messen.
Die Parteien sind Wettbewerber. Die angegriffene Äußerung tangiert dieses Wettbewerbsverhältnis unmittelbar. Zwar bezieht sich die Äußerung nach der Einlassung der Antragsgegnerinnen lediglich auf Presseanfragen. Die Verbreitung der entsprechenden Äußerungen über die Medien erreicht nicht nur eine interessierte Öffentlichkeit, sondern insbesondere auch die von den Parteien umworbenen Kunden, nämlich Leser von Frauenzeitschriften. Die Aussage ist geeignet, nicht nur die allgemeine Meinung, sondern gerade auch die Kaufentscheidung der jeweiligen Adressaten zugunsten der einen oder der anderen Partei zu beeinflussen. Eine dahingehende Absicht lässt sich unschwer dem Bestreben um entsprechende Positionierung im "Pressekrieg" entnehmen.
2. Die Antragstellerin kann gestützt auf §§ 1, 14 UWG Unterlassung der angegriffenen Behauptung verlangen.
a) Die mit der Aussage, die Antragstellerin sei eine "Offenburger Kopieranstalt" implizierte Tatsachenbehauptung, es entspräche, den Geschäftsgebahren der Antragstellerin, sich fremde Leistungen unrechtmäßig anzueignen, ist - in dieser verallgemeinernden Form zweifelsfrei - unrichtig und geeignet, den Ruf und den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin zu schädigen. Eine solche Äußerung ist daher schon gemäß § 14 UWG zu unterlassen.
b) Selbst wenn man annähme, es handele sich bei der angegriffenen Äußerung um eine reine Wertung im Sinne einer Meinungsäußerung, führt dies nicht zur Zulässigkeit der angegriffenen Äußerung. Sie verstößt vielmehr gegen § 1 UWG und ist daher zu unterlassen.
Nach §§ 14, 15 UWG ist es untersagt, zu Wettbewerbszwecken unwahre und damit den Mitbewerber schädigende Behauptungen zu verbreiten. Daraus folgt aber nicht, dass wahre Behauptungen oder Werturteile über die Person des Mitbewerbers, sein Unternehmen oder seine Waren- oder Dienstleistungen wettbewerbsrechtlich stets erlaubt seien; § 14 wird vielmehr ergänzt durch die Generalklausel des § 1 UWG (ständige Rechtsprechung; BGH GRUR 1954, 333 - Molkereizeitung; GRUR 1962, 45 - Betonmittelzusatz - GRUR 1990, 1012, 1013 - Pressehaftung). Selbst wenn man also zugunsten der Antragsgegnerinnen unterstellt, die angegriffenen Behauptungen seien als Tatsachen wahr oder es handele sich um wertende Meinungsäußerungen (§ 14, 15 UWG regeln diese Fälle nicht) führt dies auch unter Berücksichtigung von Artikel 5 GG nicht automatisch zur Zulässigkeit der Äußerung. Es ist nämlich ein Gebot des lauteren Wettbewerbs, den Mitbewerber nicht unnötigerweise herabzusetzen. Auch Meinungsäußerungen können deshalb im Rahmen einer "unter Berücksichtigung auch des sich aus Artikel 5 GG ergebenden Schutzes der Meinungsfreiheit und seiner Bedeutung, gebotenen Interessensabwägung wegen ihrer geschäftsschädigenden Wirkung nur erlaubt sein, wenn der Mitbewerber dafür einen hinreichenden Anlass oder sonstigen sachlichen Grund hat und sich die Kritik nach Art und Ausmaß im Rahmen des erforderlichen hält (ständige Rechtsprechung (BGH GRUR 1962, 45 - Betonmittelzusatz; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Rn. 320 f. zu § 1 UWG m.w.N.). An dieser Rechtsprechung ist auch im Lichte der neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Wettbewerbsrecht und Grundrechten vom Ausgangspunkt her festzuhalten.
Das Maß des Erforderlichen und damit des Zulässigen ist durch die Aussage, bei der Antragstellerin handele es sich um eine "Offenburger Kopieranstalt" überschritten: Es handelt sich um Schmähkritik. Die Antragstellerin wird durch den Umstand, dass diese Äußerung gegenüber Pressevertretern getätigt wurde (also mit einer Veröffentlichung der entsprechenden Meinungsäußerung zu rechnen war), in einer sehr breiten Öffentlichkeit, insbesondere also auch bei Kunden und Geschäftspartnern stark herabgewürdigt. Der in der Äußerung enthaltene Vorwurf, es entspräche einem ständigen Geschäftsgebaren, eigene Leistungen nur aufgrund unrechtmäßiger Zueignung fremder Leistungen zu erreichen und damit das Plagiieren zum gewerbsmäßigen Geschäftsbetrieb erhoben zu haben, ist ein massiver und durch im tatsächlichren liegende Anknüpfungspunkte nicht belegter Vorwurf, der durch die Verallgemeinerung und Pauschalierung besondere Schärfe gewinnt. Die Antragsgegnerinnen gehen auch nicht argumentativ auf die von ihnen vertretene Auffassung ein, sondern würdigen die Antragstellerin in pauschaler Weise herab. Der Bezug zur konkreten Auseinandersetzung tritt dabei völlig in den Hintergrund.
Eine solche Äußerung ist auch nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Die Gesamtwürdigung im Rahmen der Prüfung einer Sittenwidrigkeit i.S.v. § 1 UWG muss davon ausgehen, dass die Meinungsäußerung eines Gewerbetreibenden nicht von vorne herein außerhalb des Schutzbereiches der Meinungsäußerungsfreiheit (Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG) steht, weil sie (auch) Wettbewerbszwecken dient. Die Vorschrift des § 1 UWG ist zwar ein "allgemeines Gesetz" i.S.d. Artikel 5 Abs. 2 GG, durch das die Meinungsäußerungsfreiheit eingeschränkt wird, es ist jedoch als einfach rechtliche Vorschrift im Lichte der Bedeutung des Grundrechtes auszulegen und so in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken (BVerfG, NJW 1992, 1153, 1154; BGH GRUR 1992, 707, 709 - Erdgassteuer; GRUR 1995, 595, 597 - Kinderarbeit). Ausgehend von diesem Grundsatz ist vorliegend zu sehen, dass ein berechtigtes Interesse der Antragsgegnerinnen, die Antragstellerin - wie geschehen - zu diffamieren, nicht gegeben war. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegnerinnen wohl bekannt war, dass ihre Auffassung zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der von der Antragstellerin herausgegebenen Zeitschrift "Frau im Trend" von Gerichten anders beurteilt wurde, als es die Antragsgegnerin selbst vornimmt, hätte es die wettbewerbsrechtliche Fairness geboten, im Hinblick auf die eigene Meinung eine größere Zurückhaltung an den Tag zu legen, jedenfalls insoweit, als nicht pauschalierend und verallgemeinernd geäußert werden kann, die Antragstellerin mache sich ständig fremde Leistungen zueigen.
c) Die für den Unterlassungsanspruch weiterhin erforderliche Wiederholungsgefahr ist aufgrund der festzustellenden Rechtsverletzung indiziert. Diese Vermutung haben die Antragsgegnerinnen nicht widerlegt, zumal sie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt haben.
3. Die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit ist gem. § 25 UWG zu vermuten. Auch diese Vermutung ist nicht widerlegt, zumal die Antragstellerin innerhalb eines Zeitraums von weniger als vier Wochen nach Kenntniserlangung gerichtliche Schritte eingeleitet hat.
4. Als unterlegene Partei haben die Antragsgegnerinnen die Kosten des Verfahrens, einschließlich der durch das Widerspruchsverfahren entstandenen weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen, § 91 ZPO. Das Urteil ist als einstweilige Verfügung ohne weiteres vorläufig vollstreckbar.
Dr. Lieber
Vors. Richter am LG
Dr. Godulla
Richterin am LG
Meyberg
Richter am LG
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