FOCUS ./. Focus Marketing und mehr

Gericht

Deutsches Patent- und Markenamt


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

15. 02. 2002


Aktenzeichen

397 48 369.4/42


Leitsatz des Gerichts

  1. Zwischen den Marken „FOCUS“ und „Focus Marketing und mehr“ besteht Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs.1 Nr.2 MarkenG.

  2. Der Nichtbenutzungseinwand für einzelne Waren- oder Dienstleistungen ist unbeachtlich, wenn unter Berücksichtigung des übrigen Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses der Widerspruchsmarke noch ein ausreichender Grad an Ähnlichkeit besteht.

  3. Der in der Marke „Focus Marketing und mehr“ enthaltene Bestandteil „Marketing und mehr“ ist nicht geeignet, ein „gedankliches in Verbindung bringen“ i.S.v. § 9 Abs.1 Nr.2, 2.HS MarkenG mit der Marke „FOCUS“ auszuschließen.

  4. Der Marke „FOCUS“ kommt die Funktion eines „Serienzeichens“ zu. Der Verkehr fasst diese als Herkunftshinweis auf, so dass dem Stammbestandteil zugefügte Zusätze – wie hier „Marketing und mehr“ – lediglich als Kennzeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der Marke „FOCUS“ angesehen werden.

Tenor

  1. Die Eintragung der unter der Registernummer 397 48 369 gemäß § 41 MarkenG eingetragenen Marke ist wegen des Widerspruchs aus der prioritätsälteren Marke 2 057 734 zu löschen.

  2. Der Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke, der Widersprechenden die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die Wortmarke

Focus Marketing und mehr

die als Kennzeichnung für die Waren und Dienstleistungen

"Wissenschaftliche Forschung; Datenverarbeitung; Erziehung; Ausbildung; Lehr-und Unterrichtsmittel; Buchbindeartikel; Druckereierzeugnisse; alle vorgenannten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von solchen, die Finanzdienstleistungen betreffen oder damit im Zusammenhang stehen"

unter der Registernummer 397 48 369 eingetragen ist, ist im Markenregister zu löschen, da mit der als Kennzeichnung für die Waren und Dienstleistungen

"Druckereierzeugnisse und Verlagserzeugnisse, insbesondere Magazine; Zeitschriften, Zeitungen und Broschüren, Bücher; Lichtbilderzeugnisse, Fotografien (soweit in Klasse 16 enthalten); Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, insbesondere von Magazinen, Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Büchern, sowie von Lehr- und Informationsmaterial einschließlich gespeicherter Ton- und Bildinformation, Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger"

unter der Rollennummer 2 057 734 eingetragenen prioritätsälteren widersprechenden Wortmarke

FOCUS

für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht (§§ 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

Nach den vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen ist die Eintragung einer jüngeren Marke dann zu löschen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren bzw. Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu erfolgen hat, impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Marken und der Identität bzw. der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren/Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so dass ein geringer(er) Grad der Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen durch die Identität der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 1998,387 - Sabel/Puma; MarkenR 1999,22 - Canon; MarkenR 99,236 - Lloyd, BGH GRUR 95,216 - Oxygenol II; WRP 98,747 - GARIBALDI; MarkenR 1999,61 - LIBERO; GRUR 99,995 - HONKA; WRP 2000,529 - ARD-1; WRP 2000,535 - ATTACHE/TISSERAND).

Zwar hat die Inhaberin der angegriffenen Marke mit Eingabe vom 20.6.1998 bestritten, dass die Widerspruchführerin ihre Widerspruchsmarke für "Lehrmittel" innerhalb der 5-Jahresfrist (hier des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) benutzt hat, doch kann dies dahingestellt bleiben, da angesichts des Umstandes, dass unter Zugrundelegung der sonstigen widersprechenden Waren und Dienstleistungen und auch unter Berücksichtigung des Hilfsantrages vom 20.6.1998 ein (zumindest noch) beachtlicher Grad an Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen zu bejahen ist.

Den danach gebotenen Abstand halten die Vergleichsmarken jedoch nicht ein.

In ihrer jeweiligen Gesamtheit - von der bei einem markenrechtlichen Vergleich in erster Linie auszugehen ist - sind die Vergleichsmarken durch die in der Widerspruchsmarke fehlenden Wortbestandteile "Marketing und mehr" der angegriffenen jüngeren Marke (noch) in jeder unmittelbaren Vergleichsrichtung verwechslungsfrei voneinander abgehoben: In einem entscheidungserheblichen Umfange ist jedoch damit zu rechnen, dass die Vergleichsmarken unter dem Gesichtspunkt von Serienzeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Mit diesem weiteren in § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz des MarkenG enthaltenen Tatbestand werden die Fälle erfasst, in denen der Verkehr zwar nicht die Marken selbst verwechselt, aber aufgrund gemeinsamer Merkmale der Marken insbesondere den irrigen Schluss zieht, die so gekennzeichneten Waren/Dienstleistungen hätten denselben betrieblichen Ursprung.

Voraussetzung für die Annahme der Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens ist nach der Rechtsprechung des BGH, dass die Verkehrskreise einen in den beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten, diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen und deshalb die übrigen (abweichenden) Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke ansehen (Althammer/Ströbele a.a.O. § 9 Rdn 210 ff. mit Rechtsprechungsnachweisen). Zusätzlich zum Vorhandensein eines übereinstimmenden Elements in den Vergleichsmarken ist erforderlich, dass diesem Bestandteil - hier: "FOCUS" - ein Hinweischarakter auf den Inhaber der älteren Marke zukommt. Dies ist vorliegend unter Berücksichtigung der einschlägigen BPatG-Entscheidung 32 W (pat) 206/99 vom 9.5.2001 "FOCUS FUTURE = FOCUS" (Kopie anbei) und ferner durch die Art der abweichenden Markenteile - hier die rein beschreibende Wortfolge "Marketing und mehr" (vgl. hierzu die PAVIS-Leitsätze zu den einschlägigen BPatG Zurückweisungsbeschlüssen 29 W (pat) 248/99 vom 11.10.2000 "Design & more"; 29 W (pat) 132/99 vom 26.7.2000 "Fon + more"; 29 W (pat)= 189/99 vom 16.8.2000 "Hotels and more"; 29 W (pat) 308/99 vom 26.7.2000 "Phone + more"; 27 W (pat) 221/00 vom 14.8.2001 "SOCKS & MORE") - zu bejahen.

Bei aller gebotenen Zurückhaltung kann vorliegend eine derartige mittelbare Verwechslungsgefahr nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dem Widerspruch war daher stattzugeben und dementsprechend unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass der Verschiedenheit der beiderseitigen Waren / Dienstleistungen bei der mittelbaren Verwechslungsgefähr geringere Bedeutung zukommt als bei der unmittelbaren, weil es gerade das Typische einer Markenserie ist, zur Kennzeichnung verschiedener Waren / Dienstleistungen zu dienen (Althammer/Ströbele a.a.O. § 9 Rdn 223) die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen (so auch BPatG 26 W (pat) 35/99 vom 17.2.99 "VarioLine = VARIO", 32 W (pat) 65/00 vom 6.6.2001 "NATU-SWEET = NATU").

Nachdem der Widerspruch zum Erfolg geführt hat, bestand für die von der Inhaberin der angegriffenen Marke beantragte Auferlegung der Kosten des Widerspruchsverfahrens auf die Widersprechende keine Veranlassung. Der Antrag war daher zurückzuweisen.

Auf die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung wird hingewiesen.


Markenstelle für Klasse 42

Weiser Regierungsoberamtsrat

Rechtsgebiete

Markenrecht