Echte oder unechte Nachmieterklausel
Gericht
OLG Frankfurt
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
24. 06. 1991
Aktenzeichen
11 U 3/91
Bei der Prüfung, ob eine Nachmieterklausel als echte oder als unechte Nachmieterklausel aufzufassen ist, kommt der Höhe der Investitionen des Mieters und deren Überwälzbarkeit auf einen Nachmieter entscheidende Bedeutung zu.
Zur analogen Anwendung des § 626 II BGB bei der fristlosen Kündigung des Mietvertrags.
Zum Sachverhalt:
Die Parteien schlossen am 23. 10. 1987 einen „Mietvertrag“, wonach die Kl. Räume zum Betrieb einer Schankwirtschaft, sowie im I. und II. Geschoß des Anwesens Räume zu Wohnzwecken übernahm. Als Abstandszahlung für Inventar, das in das Eigentum der Kl. übergehen sollte, waren 50000 DM vereinbart. Der Vertrag enthält in § 8 außerdem folgende Vereinbarung:
§ 8. Wenn der Mieter aus dem Vertrag vorzeitig auszuscheiden wünscht, kann er dem Vermieter einen Nachmieter benennen, der bereit ist, in diesen Vertrag zu gleichen Konditionen einzutreten. ... Der Vermieter ist grundsätzlich bereit, den ihm benannten Nachmieter als Vertragspartner anzuerkennen, wenn seinerseits keine Bedenken gegen die Seriosität oder Bonität des Nachmieters bestehen. Mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Mieters aus dem Mietvertrag tritt der benannte Nachmieter in den laufenden Vertrag anstelle des bisherigen Mieters ein und übernimmt insoweit alle Rechte und Pflichten des bisherigen Mieters. Dieser scheidet insoweit aus dem Mietverhältnis aus.
Die Kl. erklärte mit dem Schreiben vom 19. 10. 1989, sie wünsche aus dem Vertrag vorzeitig zum 31. 12. 1989 auszuscheiden und benenne als Nachmieter ihren Sohn. Die Bekl. erwiderten daraufhin, „wir nehmen ihre Kündigung vom 19. 10. 1989 an. Wir sind jedoch mit dem von Ihnen benannten Nachmieter nicht einverstanden, weil wir das Grundstück verkaufen wollen". Die Kl. verlangt mit ihrer Klage die Übertragung des Mietvertrages auf ihren Sohn. Die Bekl. haben Widerklage erhoben und beantragt festzustellen, daß das Mietverhältnis zwischen den Parteien geendet hat.
Das LG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Das LG hat im Ergebnis zu Recht der Klage stattgegeben und die Widerklage als unbegründet angesehen.
Dabei ist die Beurteilung, § 8 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages gebe der Kl. das Recht, den Eintritt eines geeigneten Nach- oder Ersatzmieters in diesen Vertrag zu verlangen, entgegen der Auffassung der Bekl. zutreffend. Dies gilt auch dann, wenn man die getroffene Vereinbarung vom 23. 10. 1987 nicht als reinen Mietvertrag - wie von den Parteien bezeichnet - sondern - wegen der Bewirtschaftung einer Gaststätte - als Pachtvertrag oder als gemischten Vertrag mit Elementen aus Pacht- und Mietvertrag ansieht. Die mietrechtlichen Vorschriften gelten über § 581 II BGB auch bei Annahme eines Pachtvertrages, und die Frage der Stellung eines Ersatzmieters ist bei Geschäfts- und Wohnraummiete einheitlich zu beurteilen (vgl. Palandt-Putzo, BGB, 50. Aufl., Vorb. § 535 Rdnrn. 68, 69). Nach Sachlage ist davon auszugehen, daß es sich bei § 8 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages um eine sogenannte echte Nach- oder Ersatzmieterklausel handelt.
Soweit die Bekl. in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten haben, es bestehe bereits ein Unterschied für die Beurteilung zwischen einem Nach- und einem Ersatzmieter, kann dem nicht gefolgt werden. Rechtsprechung und Literatur nehmen regelmäßig keine Unterscheidung zwischen diesen Begriffen vor und verwenden sie synonym. Die Bekl. haben im übrigen in der Berufungserwiderung selbst von einem Ersatzmieter gesprochen. Unterschiedliche rechtliche Bedeutung kommt der Verwendung des einen oder anderen Begriffs damit nicht zu.
Ein Anspruch des Mieters, aus dem Mietvertrag entlassen zu werden und einen Ersatzmieter zu stellen, kann sich aus der Vereinbarung einer Mietnachfolgeklausel ergeben. Im Wege der Auslegung ist zu ermitteln, ob die Klausel lediglich bezweckt, den Mieter vorzeitig aus dem Vertrag zu entlassen, oder ihm das Recht eingeräumt wird, einen Mietnachfolger zu stellen, ob im letzteren Falle der Nachfolger als Ersatzmieter in das bisherige Mietverhältnis zu dessen Bedingungen eintreten soll oder der Vermieter mit dem ihm vorgeschlagenen Nachfolger einen neuen Mietvertrag zu anderen Konditionen abschließen darf.
Eine Vereinbarung, die dem Mieter nur das vorzeitige Ausscheiden ermöglicht und ihm nicht das Recht gibt, einen Ersatzmieter zu stellen (sogenannte unechte Ersatzmieterklausel), muß diese Beschränkung erkennen lassen und kann sich auch aus dem Anlaß der Vereinbarung ergeben. Grundsätzlich enthält diese Klausel die Berechtigung des Mieters, den Mietvertrag vorzeitig mit der gesetzlichen Frist von drei Monaten (§ 565 V BGB) zu kündigen, wenn er dem Vermieter mindestens drei wirtschaftlich und persönlich zuverlässige, und soweit erforderlich, zum Bezug der Wohnung berechtigte Ersatzmieter vorschlägt, die bereit sind, in den Mietvertrag für den Rest der Mietdauer einzutreten. Dem Vermieter steht sodann ein Auswahlrecht unter diesen Nachmietern zu. Er braucht sich jedoch nicht auf einen Interessenten festlegen zu lassen. Auf die Gründe, die den Mieter zum vorzeitigen Ausscheiden veranlassen, kommt es dabei nicht an. Verletzt der Vermieter die Vereinbarung, in dem er sich unberechtigt weigert, den Mieter aus dem Mietvertrag zu entlassen, so endet das Mietverhältnis nicht automatisch. Der Mieter hat vielmehr einen Erfüllungsanspruch, aus dem Vertrag entlassen zu werden, wobei die Gestellung eines Ersatzmieters entsprechend § 162 BGB entfällt (vgl. Sternel, MietR, 3. Aufl., I Rdnrn. 97, 99 m. w. Nachw.).
Eine Ersatzmietervereinbarung kann aber auch enthalten, daß sie dem Mieter nicht nur das vorzeitige Ausscheiden aus dem Mietverhältnis ermöglicht, sondern ihm ein Anspruch gewährt wird, einen Ersatzmieter zu stellen (sogenannte echte Ersatzmieterklausel). Dafür spricht regelmäßig, wenn dem Mieter erlaubt wird, erhebliche Investitionen zu machen oder derartige Investitionen nach dem Vertrag vorausgesetzt sind oder der Mieter berechtigt sein soll, den nicht abgewohnten Teil eines Finanzierungsbeitrags sich vom Nachfolger erstatten zu lassen. In einem derartigen Fall hat der Mieter nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein rechtliches Interesse daran, daß das Mietverhältnis mit einem von ihm vorgeschlagenen Nachfolger fortgesetzt wird (vgl. BGH, LM § 242 (Cd) BGB Nr. 251 = WM 1984, 93 (95); MDR 1977, 46 = LM § 157 (C) BGB Nr. 18). Dies liegt häufig auch im Interesse des Vermieters, weil hierdurch die wirtschaftliche Abwicklung bei vorzeitigem Mieterwechsel vereinfacht wird. Nicht erforderlich ist, daß diese Gesichtspunkte Gegenstand der Vereinbarung über die Ersatzmietergestellung geworden sind. Es reicht, wenn sie sich - für den anderen Teil erkennbar - aus den objektiven Umständen ergeben, damit sie für die Auslegung der Klausel herangezogen werden können. Eine derartige Klausel ist regelmäßig dahin zu verstehen, daß sie eine Verpflichtung des Vermieters enthält, die Zustimmung zum Vertragseintritt des Ersatzmieters zu erteilen, wenn gegen seine Person keine begründeten Bedenken bestehen (vgl. Sternel, MietR, I Rdnrn. 101, 102).
Im Streitfall ergibt zwar der Wortlaut der Bestimmung des § 8 des Vertrages vom 23. 10. 1987 nicht ohne weiteres, ob die Parteien eine entsprechende Verpflichtung der Vermieter vereinbaren wollten. Die danach erforderliche Auslegung anhand objektiv erkennbarer Umstände führt jedoch zu der Annahme, daß es sich um eine echte Nachmieterklausel handeln sollte.
Wie dem Vertrag in § 1 zu entnehmen ist, hat die Kl. zum Betrieb der im Erdgeschoß des Anwesens eingerichteten Gastwirtschaft Inventar zum Preis von 50000 DM erworben. Unter diesen Umständen und im Hinblick auf die mit dem Betrieb einer Gastwirtschaft zusammenhängenden weiteren gewöhnlichen Ausgaben, Tätigkeiten und sonstigen Einrichtungen ist davon auszugehen, daß es der Kl. erkennbar darauf ankam, durch die Gestaltung des Mietvertrages eine Möglichkeit zu schaffen, einen Nachmieter an ihre Stelle treten zu lassen und nicht schlicht aus dem Vertrag ausscheiden zu können. Denn sie hatte ein auch den Bekl. erkennbares wirtschaftliches Interesse an der Übernahme der Gaststätte durch einen Nachmieter, um dadurch die in erheblicher Höhe eingebrachten Investitionen und sonstigen Ausgaben zu sichern und zu erhalten, gegebenenfalls auch eine Erstattung von Investitionen zu erreichen. Eine bloße Erleichterung für die Kl., aus dem bestehenden Mietvertragsverhältnis auszuscheiden, kann deshalb der fraglichen Vertragsbestimmung nicht entnommen werden.
Dabei können sich die Bekl. nicht mit Erfolg nachträglich darauf berufen, ein Rechtsanwalt habe diesen Vertrag formuliert, so daß ein entsprechendes Recht der Kl. aufgenommen worden wäre, wenn es denn hätte vereinbart werden sollen. Gerade wenn die Bekl. trotz des erkennbaren wirtschaftlichen Interesses der Kl. eine Verpflichtung zur Übernahme eines Nachmieters nicht gewollt haben, wäre eine entsprechend andere und unzweideutige Formulierung ohne weiteres möglich und sachgerecht gewesen.
Im übrigen weist auch der weitere Wortlaut des § 8 auf das Vorliegen einer echten Ersatzmieterklausel hin. Danach sollte der Ersatzmieter ohne weiteres eintreten können, ohne daß die Vermieter berechtigt sind, von sich aus eine Vertragsänderung vorzunehmen. Soweit in § 8 eine Einschränkung durch das Wort „grundsätzlich“ vorgenommen worden ist, bezieht sich diese erkennbar auf die Bonität und Seriosität des benannten Nachmieters, deren Vorliegen insoweit als Einschränkung für die Zustimmung der Vermieter vorgesehen ist.
Die Kl. kann sich danach mit Recht auf die anzunehmende echte Ersatzmieterklausel berufen und die Bekl. auf entsprechende Erfüllung in Anspruch nehmen (vgl. Sternel, MietR, I Rdnr. 106). Sie hat den Bekl. einen geeigneten Mietnachfolger benannt, der bereit ist, in das bestehende Mietverhältnis bedingungslos einzutreten. Zwar braucht der Vermieter sich nur auf einen für ihn zumutbaren und geeigneten Mieter einzulassen, der bereit und in der Lage ist, das Mietverhältnis zu den bisherigen Bedingungen für die restliche Vertragsdauer fortzusetzen, und hierfür nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Gewähr bietet. Dabei muß der Vermieter jedoch darlegen und beweisen, daß er vernünftige Gründe zur Ablehnung des gestellten Ersatzmieters hat (vgl. Sternel, MietR, IV Rdnr. 224; Schmidt= Futterer-Blank, WohnraumschutzG, Rdnr. B 116).
Dem sind die Bekl. jedoch nicht nachgekommen.
Die Widerklage ist zu Recht abgewiesen worden, weil bei Annahme einer echten Ersatzmieterklausel kein Raum für die begehrte Feststellung, das Mietverhältnis sei bereits am 31. 12. 1989 beendet worden, besteht.
Im übrigen könnte diese Feststellung auch dann nicht getroffen werden, wenn man lediglich eine unechte Nachmieterklausel annehmen wollte. Denn die Kl. hat weder im Schreiben vom 19. 10. 1989 noch im Schreiben vom 5. 12. 1989 eine Kündigung des Mietvertrages erklärt. Dies hat sie auch im Schreiben vom 9. 12. 1989 nochmals klargestellt. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sie nach dem Verhalten der Bekl. und dem Wortlaut des Vertrages von Anfang an von der Möglichkeit der Stellung eines Nachmieters ausging. Kam es ihr erkennbar aber gerade darauf an, so können ihre Schreiben nur dahin verstanden werden, daß sie jedenfalls dann am Vertrag festhalten wollte, wenn der Eintritt des von ihr benannten Nachmieters abgelehnt wird.
Soweit die Bekl. schließlich im Schriftsatz vom 31. 7. 1990 die fristlose Kündigung erklärt haben, ist auch diese unbegründet.
Es fehlt dabei bereits an einer ordnungsgemäßen Abmahnung gem. § 553 BGB. Diese kann entgegen der Auffassung der Bekl. nicht in ihrem Schreiben vom 18. 12. 1989 gesehen werden. Darin sind lediglich allgemeine Ergänzungen enthalten, die nicht die Anforderungen einer entsprechenden Abmahnung erfüllen.
Darüber hinaus ist in Literatur und Rechtsprechung, an der der Senat festhält, unumstritten, daß eine auf Vertragsverletzung des Mieters gestützte Kündigung alsbald auszusprechen ist, nachdem der Vermieter von den Vertragsverletzungen Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH, NJW 1985, 1894; 1982, 2432). Anhaltspunkte für die Rechtzeitigkeit einer auf Vertragsverletzung gestützten fristlosen Kündigung bietet die Frist des § 626 II BGB, die analog anzuwenden ist.
Im Streitfall lag aber zwischen der Kenntnisnahme von der behaupteten unberechtigten Untervermietung im Dezember 1989 sowie der „Abmahnung“ aus dem gleichen Monat und der fristlosen Kündigung im Schriftsatz vom 31. 7. 1990 ein Zeitraum von mehr als sieben Monaten, so daß eine fristlose Kündigung bereits wegen Zeitablaufs ausgeschlossen ist.
Schließlich haben die Bekl. aber auch ausreichende Gründe für eine derartige Kündigung nicht vorgetragen. Hierfür sind sie jedoch darlegungs- und beweispflichtig.
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