Kündigung wegen Feuchtigkeitsschäden - Beweislastverteilung bei Mietmangel trotz Reparaturversuchs
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
01. 03. 2000
Aktenzeichen
XII ZR 272/97 (Schleswig)
Die Darlegungs- und Beweislast für einen Mangel der Mietsache ist nach Verantwortungsbereichen verteilt: Der Vermieter muss darlegen und beweisen, dass die Ursache des Mangels nicht aus seinem Pflichten- und Verantwortungsbereich stammt, sondern aus dem Herrschafts- und Obhutsbereich des Mieters. Hat er diesen Beweis geführt, muss der Mieter nachweisen, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat.
Behauptet der Mieter, die Mietsache sei nach Reparaturversuchen des Vermieters immer noch mangelhaft, so trägt der Vermieter die Beweislast für den Erfolg seiner Mängelbeseitigungsmaßnahmen.
Zum Sachverhalt:
Die Kl. verlangen vom Bekl. rückständige Miete sowie Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Räumen, die sie dem Bekl. mit Mietvertrag vom 27. 7. 1982 zu einem monatlichen Mietzins von 1000 DM vermietet haben und in denen die Immobilien-GmbH, deren Geschäftsführer der Bekl. ist, ein Maklerbüro betreibt. Mit vermietet waren der so genannte Ladengang im Eingangsbereich, den der Bekl. 1982 auf Grund der ihm mietvertraglich erteilten Genehmigung der Kl. hatte überdachen lassen, sowie Schaukästen, die im Ladengang an der Wand hingen und die der Bekl. zu Werbezwecken nutzte. Wegen auftretender Feuchtigkeitsschäden im Bereich dieser Schaukästen, deretwegen der Bekl. die Miete minderte, kam es 1988 zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien, in dem das LG mit Urteil vom 12. 1. 1990 (4 O 519/88) dem Bekl. ein Minderungsrecht von 20% (200 DM) zubilligte und ihn im Übrigen zur Zahlung des restlich einbehaltenen Mietzinses verurteilte. Seine Berufung blieb erfolglos. Eine Räumungsklage, die die Kl. zwischenzeitlich vor dem AG angestrengt hatten, wurde mit Urteil vom 26. 6. 1991 mit der Begründung abgewiesen, dass sich der Bekl., der mittlerweile den Mietzins unter Berücksichtigung der vom LG angenommenen Minderungsquote bezahlt hatte, nicht in Verzug befunden habe. In der Folgezeit zahlte der Bekl. die verminderte Miete von 800 DM. Mit Anwaltsschreiben vom 25. 9. 1995 mahnten die Kl. unter Androhung fristloser Kündigung die Differenzbeträge als rückständigen Mietzins an und kündigten schließlich mit Schreiben vom 5. 12. 1995. Sie beriefen sich darauf, dass dem Bekl. kein Minderungsrecht mehr zugestanden habe, nachdem auf ihre Veranlassung hin Undichtigkeiten im Dachrinnen- und Fallrohrbereich im Januar 1990 behoben worden und weitere Feuchtigkeitsschäden allein auf die vom Bekl. errichtete unzureichende Überdachungskonstruktion zurückzuführen seien. Der Bekl. hielt dem entgegen, dass die Feuchtigkeitsschäden nach wie vor aufgetreten seien und in den Verantwortungsbereich der Kl. fielen, weil er die Glasüberdachung im Herbst 1991 habe abdichten und im Herbst 1993 auf eigene Kosten die wiederum verstopften Fallrohre habe richten lassen.
Das LG hat den Bekl. zur Räumung und Herausgabe und zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 11800 DM für die Zeit von Januar 1991 bis November 1995 verurteilt, weil ihm ein Mietminderungsrecht nicht mehr zugestanden habe. Denn nachdem die Kl. den Mangel beseitigt hätten, habe er einen erneuten Mangel nicht angezeigt. Die weitergehende Zahlungsklage hat das LG wegen Verjährung abgewiesen. Das OLG hat die Berufung des Bekl. zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung der Kl. ihn zusätzlich zur Räumung und Herausgabe von unberechtigt genutzten Kellerräumen verurteilt. Dagegen richtete sich die Revision des Bekl. mit Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Da die Kl. und Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntmachung des Termins nicht vertreten waren, ist über die Revision antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, §§ 557, 331 ZPO (vgl. BGHZ 37, 79[81 ff.] = NJW 1962, 1149 = LM § 2249 BGB Nr. 1; LM § 331 ZPO Nr. 2). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung.
II. 1. Das OLG hat den Zahlungsanspruch für begründet gehalten, weil dem Bekl. kein Minderungsrecht mehr zugestanden habe. Es ist mit dem LG davon ausgegangen, dass die Kl. mit der im Januar 1990 veranlassten Reparatur der Dachrinnen und Fallrohre die in ihrem Verantwortungsbereich liegenden Ursachen für die Feuchtigkeit beseitigt hätten.
Der Bekl. habe nicht substanziiert vorgetragen, dass diese Reparatur nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sei. Die danach aufgetretenen Feuchtigkeitseinbrüche hätten, wie im Gutachten des Sachverständigen vom 30. 8. 1989 im Vorprozess dargelegt worden sei, ihre Ursache in der „fachlich gewagten“ Dachkonstruktion des Ladengangs und lägen im Verantwortungsbereich des Bekl. Jedenfalls aber habe der Bekl. entgegen seiner Anzeigepflicht nach § 545 BGB die Feuchtigkeitsmängel im Bereich der Schaukästen gegenüber den Kl. nicht mehr gerügt, so dass er keine Minderungsrechte mehr geltend machen könne. Die behauptete Mängelanzeige gegenüber dem Makler K entlaste ihn nicht, da dieser von den Kl. nur mit dem Verkauf des Hauses, nicht aber mit der Wahrnehmung von Vermieterrechten und -pflichten beauftragt worden sei.
2. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass das OLG wesentlichen Parteivortrag und Beweisangebote des Bekl. übergangen habe.
a) Grundsätzlich hat zwar der Mieter, der sich auf einen Mangel beruft, die Darlegungs- und Beweislast für den Mangel und das Verschulden des Vermieters. Dabei hat die Rechtsprechung die Beweislast aber nach den beiderseitigen Verantwortungsbereichen verteilt: Der Vermieter muss darlegen und beweisen, dass die Ursache des Mangels nicht aus seinem Pflichten- und Verantwortungsbereich stammt, sondern aus dem Herrschafts- und Obhutsbereich des Mieters (vgl. Senat, BGHZ 126, 124 [128] = NJW 1994, 2019 = LM H. 10/1994 § 548 BGB Nr. 7; Baumgärtel, Hdb.d. Beweislast im PrivatR I, 2. Aufl., § 537 BGB Rdnr. 1; Kraemer, in: Bub/Treier, Hdb.d. Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III A Rdnr. 960a, III B Rdnr. 1385a; Eisenschmidt, in: Schmidt-Futterer, MietR, 7. Aufl., § 537 Rdnr. 318 m.w. Nachw.). Hat er diesen Beweis geführt, muss der Mieter nachweisen, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat.
Das OLG ist hier auf der Grundlage des im Vorprozess (LG Lübeck, Az.: 4 O 519/88) erstatteten Gutachtens des Sachverständigen P vom 30. 8. 1989 davon ausgegangen, dass die Ursache für die Feuchtigkeitsschäden im Bereich der vom Bekl. errichteten Überdachung liege und damit allein seinem Verantwortungsbereich zuzuschreiben sei, nachdem die Kl. die ihrem Verantwortungsbereich unterliegenden Regenrinnen und Fallrohre ordnungsgemäß repariert hätten. Bereits die erste Annahme ist durch das Vorbringen des Bekl. und die Angaben des Sachverständigen in Frage gestellt. Der Bekl. hat in seiner Berufungsbegründung vorgetragen und unter Zeugen- und Sachverständigenbeweis gestellt, dass die Feuchtigkeit nicht von der fehlerhaften Überdachung herrühren könne, weil er diese im Herbst 1991 durch eine Bitumenschweißbahn fachmännisch habe abdichten lassen und das Dach seitdem kein Wasser mehr durchlasse. Vielmehr liege die Ursache nach wie vor im Bereich der Regenrinnen und des Fallrohres, was den Kl. zuzurechnen sei. Der Sachverständige P hat bei seiner Vernehmung durch das LG am 15. 5. 1996 außerdem bestätigt, dass die Abdichtung der Überdachung, insbesondere durch die Bitumenschweißbahn, jetzt völlig anders sei als seinerzeit anlässlich seiner Begutachtung 1989 im Vorprozess. Damit durfte sich das OLG bei seiner Beurteilung nicht mehr auf die früheren Angaben des Gutachters im Vorprozess stützen.
Der Bekl. hat in der Berufungsbegründung ferner vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die von den Kl. im Januar 1990 vorgenommene Reparatur zu keinem dauerhaften Erfolg geführt habe. Bei seiner Anhörung vor dem LG am 15. 5. 1996 hat er angegeben, dass er, nachdem der Vorprozess beendet gewesen sei, die Rückwand der Schaukästen mit einer Korkfläche versehen habe. Auch danach seien sie jedoch wegen wieder austretender Feuchtigkeit nur wenige Wochen nutzbar gewesen. Behauptet der Mieter, die Mietsache sei nach Reparaturversuchen des Vermieters immer noch mangelhaft, so trägt der Vermieter die Beweislast für den Erfolg seiner Mängelbeseitigungsmaßnahmen (OLG Hamm, NJW-RR 1995, 525; Eisenschmidt, in: Schmidt-Futterer, § 537 Rdnr. 314).
Nach allem hätte das OLG den Vortrag und die Beweisangebote des Bekl. nicht als unsubstanziiert zurückweisen dürfen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Bekl. weiterhin ein Minderungsrecht gem. § 537 BGB - gegebenenfalls in der vom Vorprozess angenommenen Höhe - zusteht, so dass die Rückstandsforderung der Kl. unberechtigt und - mangels Zahlungsverzugs des Bekl. - auch ihre darauf gestützte fristlose Kündigung unwirksam ist.
b) Auch die Hilfserwägung des OLG, dass dem Bekl. jedenfalls mangels rechtzeitiger Mängelanzeige gegenüber den Kl.gem. § 545 II BGB kein Minderungsrecht mehr zustehe, trägt die Entscheidung nicht. Denn auch insoweit hat das OLG, wie die Revision zu Recht rügt, wesentlichen Parteivortrag und Beweisangebote des Bekl. nicht berücksichtigt. Der Bekl. hat mit Schriftsätzen vom 5. 6. 1996 und vom 27. 1. 1997 unter Beweisantritt vorgetragen, er habe den Zeugen K nach der Reparatur im Januar 1990 gebeten, die Kl. zur Beseitigung der auch danach wieder aufgetretenen Feuchtigkeitsschäden aufzufordern, was diese aber laut K abgelehnt hätten. Da der Zeuge K nach dem Vortrag des Bekl. dessen Bitte den Kl. tatsächlich übermittelt haben und damit jedenfalls als Bote tätig gewesen sein soll, kommt es nicht darauf an, ob der Zeuge K von den Kl. nur mit dem Verkauf des Hauses beauftragt, aber nicht bevollmächtigt war, Vermieterrechte oder -pflichten wahrzunehmen.
Davon abgesehen ist der Bekl. seiner Anzeigepflicht auch noch in anderer Weise nachgekommen. Er hat sich in dem Vorprozess wegen Räumung, der vor dem AG im September 1990 begonnen hatte und zeitweise parallel zu dem im Jahre 1988 angestrengten Vorprozess vor dem LG wegen der Mietminderung (Az.: 4 O 519/88) geführt wurde, darauf berufen, dass die Minderungsgründe, die im Mietminderungsverfahren vorgetragen worden seien, nach wie vor beständen. Er hat ferner Kopie eines Schreibens seines Rechtsanwalts vom 21. 1. 1991 an den Rechtsanwalt der Kl. vorgelegt, in welchem er ebenfalls Mängel bezüglich defekter Dachrinnen anzeigt und mit Fristsetzung um deren Beseitigung bittet, widrigenfalls er zur Ersatzvornahme schreite. Das ist für die Anzeige nach § 545 BGB ausreichend. Da der Mietrückstand nach der Annahme des Berufungsurteils erst im November 1991 erreicht war, erfolgte diese Mängelanzeige auch rechtzeitig vor Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen.
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