Mietminderung wegen Mängeln am Treppenhaus

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

19. 12. 1983


Aktenzeichen

8 WER-Miet 4298/83


Leitsatz des Gerichts

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer vorgelegten Rechtsfrage nicht zu, wenn ihre Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt.

Zur Frage, unter welchen Umständen der Vermieter entsprechend seiner grundsätzlichen Verpflichtung gehalten ist, allgemein genutzte Teile des Miethauses zu renovieren.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Vermieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen im Treppenhaus eines Mietwohnhauses.

Die Kläger sind seit 1972 Mieter einer mietpreisgebundenen 3-Zimmer-Altbau-Wohnung in Berlin, das die Beklagte vor wenigen Jahren in der Zwangsversteigerung erworben hat. Der Treppenaufgang, der zu der Wohnung der Kläger führt, befindet sich in einem sehr schlechten Zustand. Seit mehreren Jahrzehnten sind dort keinerlei Schönheitsreparaturen mehr vorgenommen worden: Die Decken sind nicht mehr gestrichen worden und haben eine dunkelgraue bis grauschwarze Färbung angenommen. Die Ölpaneelfarbe an den Wänden ist nicht mehr erneuert worden, sie ist rissig und abgeblättert und weist erhebliche Putzschäden auf. Die Rahmen der im Treppenaufgang befindlichen Fenster sind teilweise verrottet. Auch die vom Treppenaufgang abgehenden Wohnungstüren sind seit Jahrzehnten von außen nicht mehr gestrichen worden, der Anstrich ist stumpf, abgeblättert und rissig. Wegen der vorbeschriebenen Mängel ist auch ein Verfahren bei der Wohnungsaufsichtsbehörde anhängig.

Das AG hat die Beklagte verurteilt, den Treppenaufgang malermäßig zu renovieren.

Im Berufungsverfahren hat das LG beschlossen, einen Rechtsentscheid zu folgender Rechtsfrage herbeizuführen:

"Hat ein Mieter auch dann einen Anspruch gegen seinen Vermieter auf Renovierung von Räumen, an denen ihm lediglich ein Mitbenutzungsrecht zusteht (Treppenhaus), wenn die Benutzung dieser Räume nicht mit einer Gefahr für Leib und Leben verbunden ist?"

Das LG ist der Auffassung, daß der vorgelegten Rechtsfrage angesichts des überalterten Miethausbestandes grundsätzliche Bedeutung zukomme. Es möchte der in Rechtsprechung und Literatur weitgehend vertretenen Meinung folgen, daß sich die Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht des Vermieters gemäß § 536 BGB auf die zur gemeinschaftlichen Benutzung bestimmten, stillschweigend mitvermieteten Räume erstreckt, so insbesondere auf die Zu- und Abgänge zu der Wohnung, verweist aber auf die entgegenstehende Auffassung des LG Hamburg (WM 1977, 119), wonach der Mieter nur dann einen Anspruch auf Renovierung des Treppenhauses habe, wenn dessen gefahrlose Benutzung nicht mehr möglich sei.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Erlaß eines Rechtsentscheids wird abgelehnt. (Beschlußformel)

II. Die Vorlage ist unzulässig,

Die Einholung eines Rechtsentscheids durch das LG als Berufungsgericht setzt voraus, daß das vorlegende Gericht bei der Beurteilung der Rechtsfrage von einer Entscheidung des BGH oder eines OLG abweichen will, oder die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat und durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden ist (Art. III Abs. 1 Satz 1 3. MRÄndG). Beide Alternativen liegen nicht vor.

Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des RG und des BGH, daß auch ohne besondere Erwähnung im Wohnungsmietvertrage Flure, Treppen und andere gemeinschaftliche Hausteile, die dem Mieter zur Ausübung seines Mietrechts zur Verfügung stehen und von ihm begangen werden müssen, als mitvermietet gelten. Die dem Vermieter nach § 536 BGB obliegende Pflicht, die Mietsache in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande zu erhalten, erstreckt sich demgemäß auch auf diese Hausteile (vgl. RG in Recht 1917 Nr. 594; BGH in LM Nr. 10 a zu § 538 BGB).

Der für den vertragsmäßigen Gebrauch geeignete Zustand ist im einzelnen Falle nach den gesamten Umständen, insbesondere nach der Ortssitte, dem Zweck und dem Preis der Mieträume zu beurteilen (vgl. RGZ 90, 65 [67]; HRR 1937 Nr. 1579; Mezger in Soergel-Siebert, 10. Aufl., Rdn. 60 f zu §§ 535/536 BGB; Pritsch in RGRK, 11. Aufl., Anm. 4 zu § 536 BGB; Emmerich in Staudinger, 12. Aufl., Rdn. 54 b zu §§ 535, 536 BGB; Voelskow in Münchener Kommentar, Rdn. 86 zu §§ 535, 536 BGB). Was ein Vermieter im Rahmen der Verpflichtung, die Mietsache in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustande zu erhalten, alles zu tun (oder auch zu unterlassen) hat, läßt sich demgemäß nicht von vornherein bestimmen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BGH NJW 1957, 826). Das gilt insbesondere für die im Vorlagebeschluß aufgeworfene Frage, ob die Instandhaltungspflicht des Vermieters über die allgemeine Verkehrssicherungspflicht hinausgeht. Keller- und Bodenräume werden sich im allgemeinen schon dann in einem für den vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand befinden, wenn mit ihrer Benutzung eine Gefahr für Leib und Leben nicht verbunden ist. Ein von mehreren Mietparteien zu benutzender Toilettenraum im Treppenaufgang hingegen wird regelmäßig auch einer malermäßigen Instandhaltung bedürfen, wenn er zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignet erscheinen soll. Hinsichtlich des Zustandes des Treppenhauses hat das OLG Düsseldorf schon in einer Entscheidung aus dem Jahre 1937 ausgeführt, daß zum vertragsgemäßen Gebrauch einer neuzeitlichen teuren Wohnung in der Großstadt ein mit Läufern und Kacheln ausgestattetes Treppenhaus gehören könne, während bei einer kleinen, billigen Arbeiterwohnung auf dem Lande eine Holztreppe mit einfachen Tapeten an der Wand genüge (vgl. HRR 1937 Nr. 1579). Auch hier in Berlin und heute wird der Zugang zu teuer vermieteten Praxisräumen eines Arztes oder eines Rechtsanwalts einen anderen Zustand erfordern als der zu einer Fabriketage, um als zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignet angesehen werden zu können. So kann selbst innerhalb eines Treppenhauses der Zweck der Räume, deren Zugang ermöglicht werden soll, und der Preis der gemieteten Räume einen abschnittweise jeweils anderen Zustand erlauben bzw. erfordern. Während für den Kellerabgang Betonstufen und unverputzte Wände ohne Farbanstrich genügend sein können, kann der Zugang zu der im ersten Stock gelegenen, teuren Komfortwohnung einen Teppichbelag auf Holzstufen, ein Paneel an den Wänden sowie eine verputzte und tadellos geweißte Decke erfordern, während der weitere Aufgang zu der kleinen billigen Mansardenwohnung wesentlich schmuckloser ausfallen kann, um noch als vertragsgemäß zu gelten. Welchen Zustand der stillschweigend mitvermieteten Hausteile der einzelne Mieter im Rahmen seines Mietvertrages verlangen kann, hängt nicht zuletzt auch davon ab, in welchem Zustand sich diese Hausteile im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befanden. So ist der Vermieter verpflichtet, das Treppenhaus mit einem Treppenbelag zu versehen, wenn dieser bei der Vermietung vorhanden war, und er muß es auch mit einem neuen Anstrich versehen, wenn es damals mit einem Farbanstrich versehen war und dieser erneuerungsbedürftig ist (vgl. KG JW 1928, 2565 und WM 1959, 136). Ein anderer Mieter im selben Hause mit einer Wohnung von gleicher Größe, gleichem Preis und gleicher Zweckbestimmung hingegen hat den entsprechenden Anspruch gegen den Vermieter unter Umständen deshalb nicht, weil zur Zeit des Abschlusses seines Mietvertrages der Zustand des Treppenhauses ein anderer war oder weil er sogar ein mit Mängeln behaftetes Treppenhaus vorbehaltlos angenommen und dadurch zu erkennen gegeben hat, daß der durch die Mängel beeinträchtigte Gebrauch der vertragsmäßige sein soll (vgl. BGH LM Nr. 3 zu § 539 BGB).

Das LG will nach seinem Vorlagebeschluß weder von einer Entscheidung des BGH noch von der eines OLG abweichen. Grundsätzliche Bedeutung kommt der vorgelegten Rechtsfrage nicht zu, weil ihre Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt.

Rechtsgebiete

Mietrecht