Recht des Mieters, eine Parabolantenne zum Empfang von Satellitenfernsehen zu installieren - Zulässige Anbringung einer Parabolantenne durch polnische Mieter
Gericht
AG Kronach
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
03. 05. 2001
Aktenzeichen
1 C 0665/00
Das grundgesetzlich geschützte Recht ausländischer Mieter auf Empfang von Rundfunkprogrammen in ihrer Muttersprache überwiegt die ebenfalls in der Verfassung geschützten Rechte des Eigentümers.
Der ausländische Mieter muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass er doch ein Heimatprogramm auch ohne Parabolspiegel-Satellitenantenne empfangen kann.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Beseitigung einer Parabolspiegel-Antennenanlage an der Außenwand einer von den Beklagten bei der Klägerin angemieteten Wohnung.
Die Beklagten, die seit 13.3.1998 mit der Klägerin ein Mietvertrag über eine 4-Zimmer-Wohnung im 2. Obergeschoss des Anwesens ... verbindet, zogen von Polen nach Deutschland um. Der Beklagte zu 1.), der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, übersiedelte 1989 und die Beklagte zu 2.) 1994 nach Deutschland. Die Beklagte zu 2.) besitzt jedoch die polnische Staatsangehörigkeit. Nachdem die Beklagten die von der Klägerin angemietete Wohnung bezogen hatten, montierten die Beklagten im Mai/Juni 1998 an die Außenwand an der Rückseite des Anwesens ... im Bereich der Mietwohnung eine Parabolspiegel-Satellitenantenne, obwohl das Gebäude an das Breitbandkabelnetz angeschlossen ist. Die Beklagten nutzten die Parabolspiegel-Satellitenantenne dazu, um die polnischen Fernsehprogramme Polsat, RTL 7, Polonia, TV 4 und MTV auf ihrem Fernsehgerät empfangen zu können.
Die Klägerin trägt vor, dass ein Bedürfnis für die Beklagten zur Aufstellung einer Parabolspiegel-Satellitenantenne nicht ersichtlich sei. Die von den Beklagten aufgestellte Satellitenantenne beeinträchtige das äußere Erscheinungsbild des Mietanwesens. Zudem könnten die Beklagten über das Breitbandkabelnetz mittels eines Decoders das polnische Fernsehprogramm TV Polonia empfangen, womit das Informationsbedürfnis der Beklagten, die sich durch die Wahl ihres Wohnsitzes in Deutschland von der polnischen Kultur offensichtlich abgewendet hätten, ausreichend Rechnung getragen sei.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Parabolspiegel-Satellitenantenne ... zu entfernen.
Die Beklagten beantragen Klageabweisung.
Die Beklagten behaupten, dass die Anschaffung eines Decoders zum Empfang des polnischen Programmes TV Polonia für sie wirtschaftlich nicht zumutbar sei, da für den Empfang von Programmen aus dem Breitbandkabelnetz zudem ein monatliches Nutzungsentgelt zu entrichten sei. Im Übrigen werde der Empfang eines polnischen Programmes dem Informationsbedürfnis der Beklagten nicht gerecht. Im Übrigen habe die Klägerin gegen die Aufstellung der Satellitenanlage durch die Beklagten bislang keine Einwände erhoben, sodass sie nun nicht mehr die Beseitigur ig dieser Satellitenanlage verlangen könne.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Kronach zur Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 29 a ZPO ausschließlich örtlich und gemäß § 23 Nr. 2 a GVG ausschließlich sachlich zuständig, da es sich um eine Streitigkeit aus einem Mietverhältnis über Wohnraum handelt, der im Bezirk des Amtsgerichts Kronach liegt. Unerheblich hierbei ist, dass vorliegend die Anspruchsgrundlage auf Beseitigung der Parabolspiegel-Satellitenantenne auch außerhalb des Mietrechts liegt (vgl. Thomas/Putzo, 20. Aufl., ZPO, § 29 a Rn. 4). Ausreichend ist vielmehr, dass die Beklagten ihre Befugnis zur Montage der Parabolspiegel-Satellitenantenne aus einem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag herleiten.
2. Der Klägerin steht jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagten auf Beseitigung der Parabolspiegel-Satellitenantenne zu.
a) Ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB entfällt, weil die Klägerin die Parabolspiegel-Satellitenantenne gemäß §§ 535, 536 BGB zu dulden hat, sodass gemäß 1004 Abs. 2 BGB der Anspruch der Klägerin aus § 1004 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist. Insoweit handelt es sich bei der konkreten Art und Weise der Nutzung der von den Beklagten angemieteten Wohnung noch um einen von der Klägerin zu gewährenden vertragsgemäßen Gebrauch gemäß §§ 535, 536 BGB.
Bei der Beurteilung der Frage, ob das Anbringen einer Parabolspiegel-Satellitenantenne an der Gebäudeaußenwand im Bereich der von den Beklagten bezogenen Mietwohnung noch zum vom Vermieter zu gewährenden und zu duldenden vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache im Sinne der §§ 535, 536 BGB gehört, ist eine Abwägung zwischen den durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 HS 2 GG geschützten Interessen des Mieters auf Informationsfreiheit und den durch Art. 14 GG geschützten Interessen des Vermieters hinsichtlich der äußeren Gestaltung des Mietobjekts vorzunehmen. Diese durch das Grundgesetz geschützten Interessen sind aber auch im Rahmen von Vertragsbeziehungen bei der Interessensabwägung zu berücksichtigen und entfalten insoweit auch Drittwirkung.
Das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. HS GG geschützte Recht der Beklagten erfasst, sich aus den allgemein zugänglichen Quellen zu informieren, worunter auch der Empfang von Rundfunkprogrammen mittels einer Parabolspiegel-Satellitenantenne fällt. Der Vermieter muss daher dem Mieter die umfassende Mediennutzung in der Mietwohnung grundsätzlich ermöglichen. Somit umfasst das Informationsrecht eines ausländischen Mieters auch die Nutzung ausländischer Fernsehprogramme in der Muttersprache des Mieters. Diesem Recht des Mieters auf Informationsfreiheit stehen die Interessen des Vermieters aus Art. 14 GG an der optischen Gestaltung des Mietobjekts gegenüber. Das Recht auf Informationsfreiheit des Mieters muss daher dann hinter den Eigentumsinteressen des Vermieters zurücktreten, wenn der Vermieter über einen Breitbandkabelanschluss oder mittels Installation einer Hausantenne die Voraussetzungen für den Empfang ausländischer Rundfunkprogramme in der Muttersprache des Mieters bereits geschaffen hat (vgl. BVerfG NJW 1994, 1147). Unter diesen Voraussetzungen hat der Mieter keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Zustimmung zur Errichtung einer Parabolspiegel-Satellitenantenne an der Außenfassade des Mietgebäudes. Eine Verweisung auf den Breitbandkabelanschluss oder auf das Vorhandensein eines Hausantennenanschlusses wird jedoch dem Informationsinteresse des ausländischen Mieters dann nicht gerecht, wenn er auf einen Kabelanschluss verwiesen wird, der ihm nur einen beschränkten oder gar keinen Zugang zu seinen Heimatprogrammen verschafft (vgl. BVerfG NJW 1994, 2143).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze muss daher im vorliegenden Fall bei der Interessensabwägung das Interesse der Klägerin an der einheitlichen optischen Gestaltung der Außenfassade des Mietgebäudes hinter dem Informationsbedürfnis der Beklagten zurücktreten, da der von der Klägerin bereitgestellte Anschluss an das Breitbandkabelnetz nur einen beschränkten Zugang zu den Heimatprogrammen der Beklagten, insbesondere der Beklagten zu 2.), eröffnet. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen der DeTeKabel-Service GmbH geht hierbei hervor, dass die Beklagten über den Breitbandkabelanschluss lediglich das polnische Fernsehprogramm TV Polonia empfangen können. Hingegen ermöglicht die von den Beklagten errichtete Parabolspiegel-Satellitenantenne den Empfang von vier weiteren polnischen Rundfunkprogrammen. Bei der Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen nur ein beschränkter Zugang zu ausländischen Rundfunkprogrammen in der Muttersprache des Mieters vorliegt, ist zu berücksichtigen, dass das grundrechtlich geschützte Informationsinteresse grundsätzlich auch das Recht umfasst, sich aus verschiedenen unabhängigen Quellen zu informieren, um sich eine Meinung zu einer Angelegenheit bilden zu können. Dies setzt aber zwingend verschiedene Informationsquellen voraus. Zwar kann dem Vermieter nicht zugemutet werden, die technischen Voraussetzungen schaffen zu müssen, damit der Mieter alle ausländischen Rundfunk- und Fernsehprogramme in seiner Muttersprache empfangen kann. Eine ausreichende Befriedigung des Informationsbedürfnisses setzt aber zumindest den Empfang von mindestens zwei Rundfunkprogrammen voraus. Der Empfang von lediglich einem polnischen Fernsehprogramm böte daher den Beklagten lediglich einen beschränkten Zugang zu ihren Heimatprogrammen in polnischer Sprache. Es kann daher auch den Beklagten nicht verwehrt werden, ihr Informationsbedürfnis dadurch zu befriedigen, mittels einer Parabolspiegel-Satellitenantenne weitere polnische Rundfunkprogramme zu empfangen.
Das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. HS GG geschützte Interesse der Beklagten auf Empfang von Rundfunkprogrammen in ihrer Muttersprache überwiegt daher vorliegend die durch Art. 14 GG geschützten Eigentümerinteressen der Klägerin an einer einheitlichen optischen Ausgestaltung der Außenfassade des Mietgebäudes. Insoweit widerspricht diese Interessensabwägung auch nicht den von der Klägerin vorgelegten Entscheidungen des Amtsgerichts Wunsiedel vom 3.2.1998 und des Amtsgerichts Neustadt a. d. Aisch vom 3.4.1998. Aus beiden Entscheidungen geht hervor, dass dem ausländischen Mieter bereits über das vorhandene Breitbandkabelnetz der Empfang mehrerer ausländischer Rundfunkprogramme in seiner Muttersprache möglich war. Insoweit unterscheiden sich die von diesen Gerichten zu entscheidenden Sachverhalte maßgeblich vom vorliegenden Fall, sodass auch die dort gefunden Ergebnisse nur eingeschränkt auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden können.
Im vorliegenden Fall ist daher die Klägerin gemäß §§ 535, 536 BGB zur Duldung der von den Beklagten montierten Parabolspiegel-Satellitenantenne verpflichtet, sodass der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung dieser Parabolspiegel?Satellitenantenne nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist.
b)Weiterhin ergibt sich ein etwaiger Beseitigungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten an der Parabolspiegel-Antennenanlage auch nicht aus § 550 BGB.
Die Montage der Parabolspiegel-Satellitenantenne durch die Beklagten stellt sich noch als vertragsgemäßer Gebrauch der Mietsache im Sinne der §§ 535, 536 BGB dar. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zu Ziffer II 2.) a) verwiesen werden. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 2.) ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Mietvertragsurkunde gegenüber der Klägerin bei Unterzeichnung des Mietvertrages auch nicht ihr Einverständnis dazu erklärt, dass das Anbringen von Parabolspiegel-Satellitenantennen von der Klägerin untersagt werden darf. Der handschriftlichen Ergänzung der Mietvertragsurkunde durch die Beklagte zu 2.) ist vielmehr zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2.) zu dieser Vereinbarung ihr Einverständnis nicht erteilte, sodass die Vereinbarung auch insoweit nicht Vertragsinhalt geworden ist.
Demgemäß entfällt auch ein Beseitigungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus § 550 BGB.
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