Recht des Mieters, eine Parabolantenne zum Empfang von Satellitenfernsehen zu installieren

Gericht

BerlVerfGH


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

29. 08. 2001


Aktenzeichen

VerfGH 39/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Das Informationsinteresse des Mieters und das Eigentumsinteresse des Vermieters an der optisch ungeschmälerten Erhaltung des Wohnhauses sind durch Grundrechte geschützt. Von diesen Grundrechten geht keines dem anderen vor. Deshalb hängt die Entscheidung davon ab, welche Beeinträchtigung im konkreten Fall schwerer wiegt.

  2. Ein vorhandener Breitbandkabelanschluss indiziert grundsätzlich ein überwiegendes Interesse des Vermieters an der Verweigerung der Zustimmung zur Installation einer Parabolantenne.

  3. Aussergewöhnliche Umstände sind auch bei Vorhandensein eines Kabelanschlusses bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen.

  4. Der Mieter muss solche aussergewöhnlichen Umstände darlegen und beweisen.

  5. Zu dieser Darlegungs- und Beweislast gehört, dass die Vielfalt und Leistungsfähigkeit des Satellitenempfangs nicht anders als durch Parabolantenne erreichbar ist, z.B. über Programme mit Decodern oder über Internet.

Tatbestand

Aus dem Sachverhalt:

Die Bf. ist alleinige Mieterin einer Wohnung im 6. Obergeschoss in Berlin, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnt. Beide sind nach Angaben der Bf. international tätige Künstler, sie selbst mit engem Bezug zum spanischsprachigen Bereich. Auf dem Balkon an der hinteren Außenfassade brachte sie ohne Zustimmung oder Kenntnis des Eigentümers eine Parabolantenne an. Der Eigentümer, der dies im Sommer 1998 bemerkte, forderte sie zur Beseitigung auf. Sein Angebot der Umsetzung der Parabolantenne an den Mast einer Gemeinschaftsantennenanlage auf dem Dach wurde von der Bf. abgelehnt, da nach ihrem Vortrag die Antenne für den Empfang verschiedener Programme auch in unterschiedliche Positionen ausgerichtet werden müsse und dies bei einer Anbringung auf dem Dach nicht möglich sei.

...

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die in Art. 14 II BerlVerf. garantierte Informationsfreiheit stimmt inhaltlich mit der entsprechenden Gewährleistung in Art. 5 I 1 GG überein. Sie ist insoweit auch Maßstab für die landesverfassungsgerichtliche Überprüfung der Anwendung von Bundesrecht durch Entscheidungen der Berliner Gerichte (BerlVerfGH, ZMR 2000, 740 [741]). Die angegriffene Entscheidung des LG verletzt die Bf. nicht in ihrem Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 14 II BerlVerf.

Nach Art. 14 II BerlVerf. hat jeder das Recht, sich über die Meinung anderer, insbesondere auch anderer Völker, durch Presse oder Nachrichtenmittel aller Art zu unterrichten. Für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und die demokratische Ordnung ist dies nicht minder wichtig als die Freiheit der Meinungsäußerung und der Meinungsberichterstattung, wobei sich der Vorschrift eine Einschränkung auf bestimmte Arten von Informationen nicht entnehmen lässt. Einen Unterschied zwischen in- und ausländischen Informationsquellen machen weder das Grundgesetz noch die Verfassung von Berlin. Zu den in Art. 14 II BerlVerf. genannten Nachrichtenmitteln aller Art gehören ebenso wie „zu den allgemein zugänglichen Quellen“ in der - wie dargelegt - inhaltsgleichen Verbürgung des Art. 5 I 1 GG daher auch alle ausländischen Programme, deren Empfang in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Soweit der Empfang von technischen Anlagen abhängt, die eine an die Allgemeinheit gerichtete Information erst individuell erschließen, erstreckt sich der Grundrechtsschutz auch auf die Beschaffung und Nutzung solcher Anlagen.

Die Errichtung einer Parabolantenne, die den Empfang von Fernseh- und Rundfunkprogrammen ermöglicht, welche über Satellit ausgestrahlt werden, ist somit grundsätzlich ebenfalls von Art. 14 II BerlVerf. geschützt (BerlVerfGH, ZMR 2000, 740; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 90, 27 [32f.] = NJW 1994, 1147).

Bei einem Streit um die Anbringung einer Parabolantenne an Mietwohnungen ist durch die Fachgerichte im Rahmen einer fallbezogenen Interessenabwägung regelmäßig das Informationsinteresse des Mieters an der Nutzung zugänglicher Informationsquellen aus Art. 14 II BerlVerf. und das in Art. 23 I II BerlVerf. geschützte Eigentumsrecht des Vermieters an der optisch ungeschmälerten Erhaltung des Wohnhauses zu berücksichtigen. Da beide Interessen durch Grundrechte geschützt sind, von denen keines dem anderen generell vorgeht, hängt die Entscheidung davon ab, welche Beeinträchtigung im Rahmen des vom Gesetzgeber abstrakt vorgenommenen und in den vertraglichen Vereinbarungen konkretisierten Interessenausgleichs im konkreten Fall schwerer wiegt (BerlVerfGH, ZMR 2000, 740; vgl. für das Bundesrecht BVerfGE 90, 27 [34] = NJW 1994, 1147).

Die angegriffene Entscheidung trägt den vorgenannten Voraussetzungen ausreichend Rechnung. Das LG hat nicht verkannt, dass das Recht auf Informationsfreiheit bei der Auslegung und Anwendung der §§ 535, 536, 242 BGB zu berücksichtigen ist. Es hat zudem die von den Fachgerichten entwickelten Maßstäbe beachtet, nach denen der Interessenkonflikt zwischen Mieter und Vermieter gelöst werden kann. Seine Würdigung, dass der vorhandene Breitbandkabelanschluss ein überwiegendes Interesse des Vermieters an der Verweigerung der Zustimmung zur Installation einer Parabolantenne indiziert, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. für das Bundesrecht BVerfG, NJW 1993, 1252 [1253]; OLG Frankfurt a.M., NJW 1992, 2490 [2491]). Zwar führt der Verweis auf den Kabelanschluss zu einer Beschränkung der Informationsfreiheit des Mieters, da über eine Prabolantenne zusätzliche Satellitenprogramme empfangen werden können, die nicht in das Kabelnetz eingespeist werden. Diese Beschränkung ist aber bei typisierender Betrachtungsweise gerechtfertigt, da der Mieter über den Kabelanschluss sein Interesse, am Medienangebot teilzuhaben, weit gehend realisieren kann, sein Recht sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, also nicht wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. für das Bundesrecht BVerfG, NJW 1993, 1252 [1253]).

BerlVerfGH: Informationsfreiheit - Darlegung der Notwendigkeit einer Parabolantenne NJW 2002 Heft 30 2167


Im Regelfall ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn bei dieser Sachlage ein überwiegendes Interesse des Vermieters angenommen wird, Störungen des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses durch Parabolantennen zu vermeiden. Die Entscheidung des LG ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil es die Verweigerung der Zustimmung des Vermieters nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen hat. Für das Anbringen einer zusätzlichen Empfangseinrichtung bedurfte es nach dem Mietvertrag der Zustimmung des Vermieters. Da die Bf. die Parabolantenne ohne eine derartige Zustimmung installieren ließ, wurde sie dieser mietvertraglichen Nebenpflicht nicht gerecht. Daraus allein lässt sich zwar nicht ableiten, dass die Bf. keinen Anspruch auf die Installation einer Parabolantenne bzw. der Vermieter keine Pflicht zur Duldung einer solchen hat. Eine derartige Zustimmung darf nicht rechtsmissbräuchlich verweigert werden. Der das Mietverhältnis beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es, dass der Vermieter ohne triftigen Grund Einrichtungen versagt, die dem Mieter das Leben in der Mietwohnung erheblich angenehmer machen, während der Vermieter dadurch nur unerheblich beeinträchtigt und die Mietsache nicht verschlechtert wird (BVerfGE 90, 27 [35] = NJW 1994, 1147; OLG Karlsruhe, NJW 1993, 2815 [2816]).

Dass das LG im vorliegenden Fall einen ausreichend triftigen Grund in der - unstreitig geringen - Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds und in der Abwehr von Wünschen anderer Mieter gesehen hat, ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es handelt sich um eine Frage der Würdigung des Sachverhalts im Einzelfall, die Aufgabe der dafür allgemein zuständigen Fachgerichte ist und der Nachprüfung durch den BerlVerfGH nicht unterliegt (vgl. BerlVerfGH, LVerfGE 1, 7 [8] = NVwZ 1994, 68 = DVBl 1993, 1205; st. Rspr.).

Dies gilt ebenfalls für die Annahme des LG, dass ein außergewöhnlicher, vom typischen Durchschnittsfall erheblich abweichender Fall nicht anzunehmen ist. Außergewöhnliche Umstände sind auch bei Vorhandensein eines Kabelanschlusses bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen (BVerfGE 90, 27 [37] = NJW 1994, 1147). Dass das LG einen in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefall, nämlich den bezüglich ausländischer Mieter, abgelehnt hat, hatte lediglich klarstellenden Charakter. Es hat damit nicht die Bf. auf Grund ihrer Heimat ungleich behandelt (vgl. hierzu BVerfGE 90, 27 [37] = NJW 1994, 1147). Dass auch für die deutsche Bf. die Annahme eines Ausnahmefalls grundsätzlich möglich ist, wird vom LG entgegen der Ansicht der Bf. nicht übersehen, da es ihr gesteigertes berufliches und persönliches Interesse und Informationsbedürfnis und das ihres Ehemanns für andere Kulturen und deren Sprache nicht unberücksichtigt lässt. Bei der Abwägung durfte das LG jedoch die Frage beachten, ob das Informationsbedürfnis nur durch eine Parabolantenne befriedigt werden kann oder ob es auch andere vergleichbare Möglichkeiten der Versorgung gibt. Ob diese Möglichkeiten vergleichbar hinsichtlich der Programmvielfalt und zumutbar hinsichtlich der Finanzierung sind, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Die Auffassung des LG, die Bf. habe ihrer Darlegungspflicht bezüglich der Notwendigkeit gerade einer Parabolantenne nicht genügt, ist nicht zu beanstanden. Zwar hat die Bf. umfänglich die Vielfalt und Leistungsfähigkeit des Satellitenempfangs beschrieben. Eine Darlegung, dass dies nicht anders als mittels der Parabolantenne erreichbar ist (z.B. über Programme mit Decodern oder über Internet), erfolgte jedoch nicht. Zudem hat das LG zulässigerweise berücksichtigt, dass die berufliche Tätigkeit der Bf. nicht Gegenstand der mietvertraglichen Verhandlungen gewesen war.

Rechtsgebiete

Mietrecht