Parabolantenne oder Kabelanschluß bei ausländischem Mieter - hier: Türkei

Gericht

BVerfG


Art der Entscheidung

Beschluss über Verfassungsbeschwerde


Datum

09. 02. 1994


Aktenzeichen

1 BvR 1687/92


Leitsatz des Gerichts

  1. Rundfunkprogramme, deren Empfang in Deutschland möglich ist, sind allgemein zugängliche Informationsquellen i. S. von Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG. Darunter fallen auch ausländische Rundfunkprogramme.

  2. Soweit der Empfang von technischen Anlagen abhängt, die eine allgemein zugängliche Informationsquelle erst individuell erschließen, erstreckt sich der Grundrechtsschutz auch auf die Beschaffung und Nutzung solcher Anlagen.

  3. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Zivilgerichte im Regelfall einen Anspruch des Mieters auf Zustimmung des Vermieters zur Errichtung einer Parabolantenne dann verneinen, wenn dieser einen Kabelanschluß bereitstellt.

  4. Das Interesse ständig in Deutschland lebender Ausländer am Empfang von Rundfunkprogrammen ihrer Heimatländer ist bei der Abwägung zwischen den Mieter- und Vermieterbelangen zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt darin nicht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Bf. ist türkischer Staatsbürger. Er bewohnt mit seiner Ehefrau, sieben Kindern und einer Schwiegertochter seit 1990 eine Mietwohnung in Essen. Vermieterin ist eine Wohnungsbaugesellschaft. Das Haus besaß eine Gemeinschaftsantenne, über die fünf deutsche Fernsehprogramme empfangen werden konnten. Anfang 1992 bat der Bf. die Vermieterin, der Installation einer Satellitenempfangsanlage zuzustimmen, um auch türkische Fernsehprogramme empfangen zu können. Nachdem die Wohnungsbaugesellschaft die Genehmigung verweigert hatte, erhob er Klage. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Berufung des Bf. zurückgewiesen, weil auch angesichts gestiegener Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse die Errichtung einer Satellitenempfangsanlage nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus gehöre. Die Voraussetzungen, unter denen nach dem Rechtsentscheid des OLG Frankfurt a. M. vom 22. 7. 1992 (NJW 1992, 2490 = WuM 1992, 458) die Zustimmung erteilt werden müsse, lägen nicht vor. Denn abgesehen davon, daß es an der Kostenübernahmeverpflichtung fehle, sei unstreitig, daß im kommenden Jahr ein Kabelanschluß verlegt werde. Damit werde dem Recht des Mieters auf umfassende Information in naher Zeit Rechnung getragen. Das Interesse des Bf., Programme in türkischer Sprache zu empfangen, rechtfertige es nicht, ihm angesichts des bevorstehenden Kabelanschlusses eine Sondernutzung zuzugestehen, auf die sich dann andere Mieter aus ebenso speziellen Gründen berufen könnten. Aus dem Rechtsentscheid des OLG Frankfurt a. M. ergebe sich gerade, daß nach dem Kabelanschluß keine Einzelantennen mehr geduldet werden sollten. Deshalb müsse das spezielle und weitergehende Informationsinteresse des Bf. bei der Abwägung der Mieter- und Vermieterinteressen zurücktreten. Er könne sich nach der Verkabelung durch Rundfunksendungen und mindestens einen Fernsehsender in türkischer Sprache informieren.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Bf. das Berufungsurteil an und rügt die Verletzung seines Grundrechts auf Informationsfreiheit aus Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG. Die Entscheidung verletze ihn in diesem Grundrecht, weil er durch die Versagung der Genehmigung zur Installation einer Parabolantenne daran gehindert werde, türkische Fernsehprogramme zu empfangen, die über Satellit ausgestrahlt werden. Mit einer Satellitenempfangsanlage seien in der Bundesrepublik Deutschland zehn Fernsehprogramme in türkischer Sprache zu empfangen. Dabei handele es sich um allgemein zugängliche Informationsquellen i. S. des Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit wirke auf das rechtliche Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter ein. Seine grundlegende Bedeutung werde verkannt, wenn ihn das AG darauf verweise, sich Nachrichten in deutscher Sprache von seinen Kindern übersetzen zu lassen, oder wenn das LG den Empfang türkischer Sender als Sondernutzung bezeichne. Er gehöre zu den Gastarbeitern der ersten Generation und habe ein besonderes Interesse daran, den Kontakt zu seiner Heimat durch den Empfang türkischer Fernsehsender aufrecht zu erhalten. Ein gleich schützenswertes Interesse hätten seine Kinder, die mit der deutschen Sprache aufgewachsen seien und zum Teil noch die Schule besuchten. Sie hätten ein Recht darauf, über das Fernsehen etwas über ihre Heimat zu erfahren, um ihre kulturelle Identität zu bewahren. Jedenfalls brauche er sich nicht auf den Kabelanschluß verweisen zu lassen, in den lediglich ein türkisches Fernsehprogramm eingespeist werde, das täglich nur sechs Stunden dauere und vorwiegend aus Reklame und Spielfilmen bestehe. Das LG habe nicht geprüft, ob die Vermieterin die Genehmigung zur Installation der Parabolantenne aus sachbezogenen Gründen verweigert habe. Die verfehlte Charakterisierung seines Begehrens als Sondernutzung lasse den Schluß zu, daß es die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Informationsfreiheit auf die §§ 535, 536 BGB nicht ausreichend gewürdigt habe. Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

B. Das angegriffene Urteil verletzt den Bf. in seinem Grundrecht auf Informationsfreiheit.

I. Nach Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG hat jeder das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

1. Die Bedeutung dieses Grundrechts hat das BVerfG bereits früher dargelegt (vgl. BVerfGE 27, 71 (80 ff.) = NJW 1970, 235). Für die Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen und die Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung ist es nicht minder wichtig als die Freiheit der Meinungsäußerung und der Medienberichterstattung. Es ergänzt diese aus der Empfängerperspektive. Der Kommunikationsprozeß, den Art. 5 I GG im Interesse der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung schützen will (vgl. BVerfGE 57, 295 (319) = NJW 1981, 1774), wäre nur unvollkommen erfaßt, wenn die Informationsaufnahme von dem Schutz ausgenommen bliebe. Die Informationsfreiheit ist in Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG umfassend gewährleistet. Eine Einschränkung auf bestimmte Arten von Informationen läßt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Geschützt sind allerdings nur Informationen, die aus allgemein zugänglichen Quellen stammen. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (vgl. BVerfGE 27, 71 (83 f.) = NJW 1970, 235; BVerfGE 33, 52 (65) = NJW 1972, 1934). Diese Eignung richtet sich allein nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Rechtsnormen, die den Informationszugang regulieren, umgrenzen nicht den Schutzbereich der Informationsfreiheit, sondern sind als grundrechtsbeschränkende Normen an der Verfassung zu messen.

Massenkommunikationsmittel gehören danach von vornherein zu den Informationsquellen, die den Schutz des Grundrechts genießen (vgl. BVerfGE 27, 71 (83) = NJW 1970, 235). Das gilt insbesondere auch für Hörfunk- und Fernsehsendungen (vgl. BVerfGE 35, 307 (309)). Einen Unterschied zwischen in- und ausländischen Informationsquellen macht das Grundgesetz nicht. Allgemein zugänglich sind daher auch alle ausländischen Rundfunkprogramme, deren Empfang in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Soweit der Empfang von technischen Anlagen abhängt, die eine an die Allgemeinheit gerichtete Information erst individuell erschließen, erstreckt sich der Grundrechtsschutz auch auf die Beschaffung und Nutzung solcher Anlagen. Andernfalls wäre das Grundrecht in Bereichen, in denen der Informationszugang technische Hilfsmittel voraussetzt, praktisch wertlos. Die Einrichtung einer Parabolantenne, die den Empfang von Rundfunkprogrammen ermöglicht, welche über Satelit ausgestrahlt werden, ist daher ebenfalls von dem Grundrecht des Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG geschützt.

2. Dieses Grundrecht beansprucht auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Antennen an Mietwohnungen Beachtung. Zwar findet die Informationsfreiheit nach Art 5 II GG ihre Schranken u. a. in den allgemeinen Gesetzen. Dazu gehören auch die miet- und eigentumsrechtlichen Bestimmungen des BGB, die die Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern festlegen. Die Verfassung verlangt aber, daß bei deren Auslegung und namentlich bei der Konkretisierung der Generalklauseln die betroffenen Grundrechte berücksichtigt werden, damit ihr wertsetzender Gehalt für die Rechtsordnung auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt (vgl. BVerfGE 7, 198 (205 ff.) = NJW 1958, 257; st. Rspr.). Vorschriften, die sich ausdrücklich auf die Anbringung von Antennen an Mietwohnungen beziehen, finden sich im BGB nicht. Die Zivilgerichte stützen sich bei der Entscheidung von Konflikten über die Errichtung von Empfangsanlagen vielmehr regelmäßig auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 535, 536, 242 BGB. Soweit unter Berufung auf diese Vorschriften ein Anspruch auf Errichtung einer Empfangsanlage geltend gemacht wird, ist bei ihrer Auslegung und Anwendung dem Grundrecht der Informationsfreiheit Rechnung zu tragen. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß das Grundrecht des Eigentümers aus Art. 14 I 1 GG berührt ist, wenn er unter Berufung auf die genannten Bestimmungen verurteilt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Das erfordert in der Regel eine fallbezogene Abwägung der von dem eingeschränkten Grundrecht und dem grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten Interessen, die im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des bürgerlichen Rechts vorzunehmen ist. Beim Streit um die Anbringung von Parabolantennen an Mietwohnungen kommt es vor allem darauf an, was unter Berücksichtigung von Treu und Glauben als vertragsgemäßer Gebrauch einer Wohnung i. S. des § 536 BGB anzusehen ist. Dabei sind die Eigentumsinteressen des Vermieters an der auch optisch ungeschmälerten Erhaltung des Wohnhauses und die Informationsinteressen des Mieters an der Nutzung zugänglicher Informationsquellen zu berücksichtigen. Da beide Interessen durch Grundrechte geschützt sind, von denen keines dem anderen generell vorgeht, hängt die Entscheidung davon ab, welche Beeinträchtigung im Rahmen des vom Gesetzgeber abstrakt vorgenommenen Interessenausgleichs im konkreten Fall schwerer wiegt.

II. Die angegriffene Entscheidung trägt diesem Erfordernis nicht hinreichend Rechnung. Das LG hat zwar nicht verkannt, daß das Grundrecht der Informationsfreiheit bei der Auslegung und Anwendung der §§ 535, 536, 242 BGB zu berücksichtigen ist. Es hat jedoch die besonderen Informationsinteressen des ausländischen Bf. aus Gründen vernachlässigt, die vor dem Grundrecht der Informationsfreiheit nicht bestehen können.

1. Die Maßstäbe zur Lösung des Interessenkonflikts zwischen Mieter und Vermieter hinsichtlich der Errichtung von Außenantennen, die die OLGe mittlerweile in einer Reihe von Rechtsentscheiden entwickelt haben und auf die sich das LG beruft, werden zwar im allgemeinen dem Grundrecht der Informationsfreiheit gerecht, erfassen aber nicht die besondere Interessenlage, mit der sich das LG auseinanderzusetzen hatte.

a) Nach dieser Rechtsprechung ist Hörfunk- und Fernsehempfang ein wesentlicher Bestandteil des häuslichen Lebens und gehört deswegen zur üblichen Nutzung einer Wohnung. Demgemäß verhält sich der Mieter nicht vertragswidrig, wenn er Anlagen zum einwandfreien Rundfunkempfang errichtet. Er hat einen Anspruch auf Anbringung einer Einzelantenne außerhalb der Mietwohnung, solange keine ausreichende Gemeinschaftsantenne vorhanden ist (vgl. BayObLGZ 1981, 1 = NJW 1981, 1275 = WuM 1981, 80). Dagegen fehlt es an einem unmittelbaren Anspruch, wenn sein Begehren über die Versorgung durch eine vorhandene Gemeinschaftsantenne hinausgeht. In diesem Fall benötigt er für das Anbringen einer zusätzlichen Empfangseinrichtung die Zustimmung des Vermieters, die allerdings nicht mißbräuchlich verweigert werden darf. Der auch das Mietrechtsverhältnis beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es, daß der Vermieter dem Mieter ohne triftigen Grund Einrichtungen versagt, die diesem das Leben in der Mietwohnung erheblich angenehmer machen, während der Vermieter dadurch nur unerheblich beeinträchtigt und die Mietsache nicht verschlechtert wird (vgl. BayObLGZ 1981, 1 = NJW 1981, 1275 = WuM 1981, 80; KG, NJW 1985, 2031).

Für Parabolantennen gilt nach der Zivilrechtsprechung, daß der Vermieter die Zustimmung zur Errichtung dann erteilen muß, wenn er keinen Kabelanschluß bereitstellt. Allerdings kann der Vermieter die Zustimmung davon abhängig machen, daß die Einrichtung von einem Fachmann vorgenommen wird und der Mieter ihn von allen anfallenden Kosten, Gebühren und Haftungen freistellt und auch die Kosten der Entfernung nach Beendigung des Mietverhältnisses trägt. Außerdem hat der Vermieter das Recht, einen Platz zu bestimmen, an dem die Antenne einen ordnungsgemäßen Empfang gewährleistet und optisch am wenigsten stört. Dagegen liegt in der Bereitstellung eines Kabelanschlusses ein sachbezogener Grund zur Versagung einer Parabolantenne (vgl. OLG Frankfurt a. M., NJW 1992, 2490 = WuM 1992, 458). Diese Auslegung beruht auf der Erwägung, daß das grundrechtlich geschützte Informationsinteresse des Mieters im Rahmen der Güter- und Interessenabwägung die Eigentümerinteressen an einem unveränderten Erhalt des Wohnhauses regelmäßig überwiegt. Während die Informationseinbußen erheblich seien, ließen sich die meist nur ästhetischen Beeinträchtigungen mildern oder durch gemeinschaftliche Empfangsanlagen ganz vermeiden. Diese Grundsätze gelten dem Rechtsentscheid zufolge für den typischen Durchschnittsfall. Dagegen seien Fälle denkbar, in denen das Informationsinteresse des Mieters - etwa wegen der Beschaffenheit der Parabolantenne oder des Hauses - hinter dem Eigentümerinteresse zurücktreten müsse (vgl. OLG Frankfurt a. M., NJW 1992, 2490 = WuM 1992, 458). Die Befolgung dieser Grundsätze stellt im Regelfall die verfassungsmäßige Anwendung der zivilrechtlichen Bestimmungen sicher. Sie führen zu einem angemessenen Ausgleich der beiderseitigen grundrechtlich geschützten Interessen. Dem Interesse des Eigentümers an der Bewahrung des Erscheinungsbildes seines Hauses wird dadurch Rechnung getragen, daß er die Anbringung von Parabolantennen durch Bereitstellung eines Kabelanschlusses abwenden kann. Umgekehrt fällt angesichts des Programmangebots, das über einen Kabelanschluß genutzt werden kann, die Beeinträchtigung der Informationsfreiheit des Mieters, der keine Parabolantenne errichten darf, nicht erheblich ins Gewicht.

b) Den besonderen Informationsinteressen dauerhaft in Deutschland lebender Ausländer trägt diese auf den typischen Durchschnittsfall bezogene Abwägung jedoch nicht ausreichend Rechnung. Sie sind in der Regel daran interessiert, die Programme ihres Heimatlandes zu empfangen, um sich über das dortige Geschehen unterrichten und die kulturelle und sprachliche Verbindung aufrecht erhalten zu können. Diese Möglichkeit besteht angesichts der kleinen Zahl ausländischer Programme, die in die inländischen Kabelnetze eingespeist werden, meist nur mittels einer Satellitenempfangsanlage. Anders als bei inländischen Mietern hat daher die Zivilrechtsprechung in der Verweigerung einer Parabolantenne für ausländische Mieter, deren Heimatprogramme nicht in das Kabelnetz eingespeist werden, eine erhebliche Beeinträchtigung der Informationsfreiheit erblickt. Ihre Situation nähere sich derjenigen inländischer Mieter an, die weder an eine Gemeinschaftsparabolantenne noch an das Breitbandkabelnetz angeschlossen seien. Ein Mieter, der sich in dieser Lage befinde, könne in der Regel vom Vermieter die Zustimmung zur Einrichtung einer Parabolantenne verlangen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1993, 2815 = WuM 1993, 525; ferner OLG Hamburg, WuM 1993, 527; OLG Hamm, DWW 1993, 331).

Diese Rechtsprechung steht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen im Einklang. Das von Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG geschützte Interesse ausländischer Mieter am Empfang von Rundfunkprogrammen ihres Heimatlandes ist bei der Abwägung mit den Eigentumsinteressen des Vermieters zu berücksichtigen. Eine verfassungswidrige Bevorzugung von Ausländern liegt darin nicht. Zwar verbietet Art. 3 II GG eine Ungleichbehandlung wegen bestimmter Merkmale. Zu diesen zählt nicht die Staatsangehörigkeit, wohl aber die Heimat. Die Berücksichtigung der gesteigerten Informationsinteressen ausländischer Mieter bevorzugt diese aber nicht wegen ihrer Heimat und stellt umgekehrt keine Benachteiligung der deutschen Mieter wegen ihrer Heimat dar. Das Grundrecht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, gilt für jedermann ungeachtet seiner Heimat. Wenn dieses Recht - wie bei der Errichtung von Parabolantennen an gemietetem Wohnraum - mit grundrechtlich geschützten Interessen Dritter kollidiert, ist eine im Rahmen der zivilrechtlichen Vorschriften vorzunehmende Abwägung erforderlich. Dabei sind die maßgebenden Umstände des Falles zu berücksichtigen. Insoweit besteht ebenfalls kein Unterschied aufgrund der Heimat. Auch bei deutschen Mietern sind außergewöhnliche Umstände, die einen Fall vom typischen Durchschnittsfall erheblich unterscheiden, bei der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsergebnis wird durch die Berücksichtigung der besonderen Informationsinteressen, die Ausländer regelmäßig gegenüber Deutschen haben, nicht vorweggenommen. Es bildet vielmehr nur einen Abwägungsfaktor unter anderen. Der Inländerstatus führt nicht notwendig zur Versagung, der Ausländerstatus nicht notwendig zur Anerkennung des Anspruchs auf Errichtung einer Parabolantenne. Geht es nicht um die generelle Bevorzugung einer Personengruppe wegen ihrer Heimat, sondern um die Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Faktoren bei der Abwägung, so ist es auch ausgeschlossen, daß den deutschen Mietern eines Wohnkomplexes schon deswegen die Errichtung von Parabolantennten gestattet werden müßte, weil sie einem Ausländer aufgrund seiner besonderen Lage gestattet worden ist. Wo ein Mieter seine Heimatprogramme bereits über Kabel empfangen kann, fehlt es vielmehr an der Voraussetzung für eine Pflicht zur Gleichbehandlung mit einem Mieter, der dazu auf eine Parabolantenne angewiesen ist.

c) Danach liegt eine Verkennung des Grundrechts der Informationsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der bürgerlichrechtlichen Vorschriften vor, wenn der Zugang zu den über Satellit verbreiteten Heimatprogrammen eines ausländischen Mieters bereits mit der Begründung verweigert wird, die Errichtung einer Parabolantenne stelle eine Sondernutzung der Wohnung dar, die den vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache überschreite. Ebenso wird die Bedeutung des Grundrechts der Informationsfreiheit verkannt, wenn das Begehren eines ausländischen Mieters auf Errichtung einer Parabolantenne mit der Begründung abgewiesen wird, daß dann auch sämtlichen anderen Mietern dasselbe Recht eingeräumt werden müßte. Dagegen kann der Umstand, daß zahlreiche Mieter eines Wohnkomplexes aufgrund ihrer je besonderen Umstände ein berechtigtes Interesse an einer Parabolantenne haben und dieses sich nicht durch eine Gemeinschaftsanlage befriedigen läßt, durchaus bei der Abwägung mit dem Eigentümerinteresse des Vermieters berücksichtigt werden. Da Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG die Informationsfreiheit umfassend schützt und jedem das Recht gibt zu entscheiden, aus welchen allgemein zugänglichen Quellen er sich unterrichten möchte, ist es ferner fehlerhaft, die Entscheidung für Fernsehprogramme des Heimatlandes unter Verweis auf anderweitige Informationsmöglichkeiten nicht in die Abwägung einzubeziehen. Das gilt für den Verweis auf andere Informationsquellen derselben Art, etwa die ohne Parabolantenne empfangbaren Fernsehprogramme, erst recht aber für den Verweis auf andere Arten von Informationsquellen wie Hörfunk, Zeitungen, Viedobänder oder gar Übersetzungen deutschsprachiger Sendungen durch Familienangehörige. Dagegen ist es nicht mit Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG unvereinbar, bei der Abwägung zwischen Mieter- und Vermieterinteressen zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Mieter Programme seines Heimatlandes bereits ohne Parabolantenne empfangen kann.

Schließlich wird das Grundrecht der Informationsfreiheit verkannt, wenn die Zivilgerichte bei der Abwägung den Eigentumsinteressen des Vermieters von vornherein den Vorrang vor den Informationsinteressen des Mieters einräumen, ohne anzugeben, welche Eigenschaften des Mietobjekts dieses Ergebnis rechtfertigen.

2. Das LG hat diese Fehler nicht durchweg vermieden. Zwar ist es dem AG nicht darin gefolgt, daß die Informationsbedürfnisse des Bf. über sein Heimatland durch Übersetzung deutscher Nachrichten oder türkische Videobänder ausreichend gestillt werden könnten. Es hat den Bf. aber ebenfalls auf türkische Hörfunkprogramme und die bevorstehende Empfangbarkeit eines türkischen Fernsehprogramms über das Kabelnetz verwiesen. Ferner ist es davon ausgegangen, daß der Empfang von Fernsehprogrammen, die über Satellit verbreitet werden und nur mit einer Parabolantenne empfangbar sind, nicht zum vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache gehöre, sondern eine Sondernutzung darstelle. Schließlich hat es das Begehren des Bf. hinter die Eigentümerinteressen zurücktreten lassen, weil sonst alle Mieter aus Gleichheitsgründen eine Parabolantenne beanspruchen könnten. Dagegen sind die Eigentümerinteressen an dem unveränderten Erscheinungsbild des Hauses ohne nähere Präzisierung als überragend angesehen worden.

Weitere Gründe, die das Ergebnis selbständig zu tragen vermöchten, sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung beruht danach auf der Verkennung des Grundrechts auf Informationsfreiheit. Es ist nicht auszuschließen, daß das LG bei hinreichender Berücksichtigung von Art. 5 I 1 Halbs. 2 GG zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Rechtsgebiete

Mietrecht; Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

GG Art. 5 I; BGB §§ 535, 536, 242