Wegfall der vertraglichen Wiederherstellungspflicht des Mieters
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
23. 10. 1985
Aktenzeichen
VIII ZR 231184 (Celle)
Das in einem gewerblichen Mietvertrag dem Vermieter eingeräumte Recht, bei Ablauf des Vertrages die Wiederherstellung des alten Zustandes der vom Mieter für seine Zwecke umgebauten Räume verlangen zu können, entfällt, wenn der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die Räume in der Weise umbauen will, daß die Wiederherstellungsarbeiten des Mieters wieder beseitigt werden müßten. Dem Vermieter steht auch kein Ausgleichsanspruch in Geld zu.
Zum Sachverhalt: Der Kl. ist Eigentümer eines Hausgrundstücks, auf dem er bis 1962 ein Varieté betrieben hatte. Durch Vertrag v. 19.9. 1962 (im folgenden: MV 62) vermietete er an die Bekl. im Erdgeschoß des Hauses die ehemaligen Varietéräume zur Nutzung als Gaststätte. Bei Abschluß des Mietvertrages stand fest, daß die Bekl. umfangreiche Umbauarbeiten vornehmen würde. Die Kosten sollten im wesentlichen von ihr selbst getragen werden (MV 62 § 1 VI). Hinsichtlich der Umgestaltungskosten verzichteten die Parteien auf jegliche Ersatzansprüche; dem Kl. war jedoch zugestanden worden, bei Ablauf des Vertrages die Wiederherstellung des alten Zustandes zu verlangen (MV 62 § 1 VI k). Der Mietvertrag wurde 1977 um weitere 10 Jahre verlängert.
In § 25 MV 1972 heißt es u. a.: "d) Bei Differenzen unterwerfen sich die Parteien der Industrie- und Handelskammer. i) Bei Ablauf des Vertrages kann der Vermieter verlangen, daß der alte Zustand (1962) wiederhergestellt wird."
Die Bekl. hatte das Objekt seit Beginn des Mietverhältnisses 1962 an eine Firma untervermietet, die dort eine Brauerei?Gaststätte im Löwenbräu?Stil betrieb. Nachdem über das Vermögen der Untermieterin das Vergleichsverfahren eröffnet worden war, wurde der Gaststättenbetrieb im Juli 1981 eingestellt. Daraufhin kündigte die Bekl. das Mietverhältnis wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage mit sofortiger Wirkung. Der Kl. widersprach der Kündigung. In Gesprächen bestätigte der KI., daß die Wiederherstellung des Varietés nicht mehr in Frage komme, sondern vielmehr eine Einkaufspassage errichtet werden sollte. Mit der Klage machte der Kl. einen Betrag von 1087173 DM geltend, der für den Umbau der Herstellung des alten Zustandes erforderlich sei.
Das LG hat die Klageansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das BerGer. hat die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. hat im Ergebnis keinen Erfolg.
Aus den Gründen:1. Das BerGer., das § 23d MV 72 weder als Schiedsvertrag noch als wirksame Schiedsgutachtervereinbarung ansieht, hält einen etwaigen Geldersatzanspruch für verjährt.
Bei den geltend gemachten Forderungen handele es sich um Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen der vermieteten Sache i. S. des § 558 BGB, die nach dieser Vorschrift in sechs Monaten, nachdem der Vermieter die Mietsache zurückerhalten habe, verjährten. Der Kläger habe die Mieträume Anfang Juni 1982 durch Übernahme eines Schlüsselsatzes, spätestens jedoch Ende Juni 1982 nach Kündigung des Stromlieferungsvertrages und Übernahme desselben zurückerhalten. Die Verjährung sei infolgedessen spätestens mit Ablauf des 30. 12. 1982 eingetreten, weil der Beweissicherungsantrag zur Unterbrechung der Verjährung nicht geeignet sei ...
2. Die Frage, ob die Klageforderungen verjährt sind, stellt sich nicht. Die Auslegung des Vertrages ergibt nämlich, daß der Artspruch des Kl. auf Wiederherstellung des alten Zustandes des Mietobjektes wegen des Entschlusses des Kl. zur Umgestaltung der Mieträume entfallen ist und daß dem Kl. auch kein Ausgleichsanspruch in Geld zusteht.
a) Das BerGer. hat eine Auslegung von § 25 i MV 72 nicht vorgenommen, sondern
lediglich die Fragen aufgeworfen, aber nicht beantwortet, ob der
Wiederherstellungsanspruch des Kl. entfallen ist und ob sich - gegebenenfalls -
durch ergänzende Vertragsauslegung ein Geldersatzanspruch ergeben könnte. Zwar
obliegt eine Vertragsauslegung grundsätzlich dem Tatrichter. Das RevGer. kann
aber eine notwendige, vom BerGer. unterlassene Auslegung selbst vornehmen, wenn
das BerGer. die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weitere
Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen (BGHZ 65, 107
NJW 1976, 43). Ein
solcher Fall liegt hier vor.
b) Nach § 556 BGB ist der Mieter bei Vertragsende grundsätzlich verpflichtet, das Mietobjekt in dem Zustand zurückzugeben, in dem es sich bei Vertragsbeginn befand. Deshalb hat er, wenn sich nicht aus dem Vertrag - gegebenenfalls durch Auslegung - etwas anderes ergibt, Einrichtungen oder Aufbauten zu beseitigen. Für Umbauten gilt nichts anderes (Senat, NJW 1966, 1409 = LM WBewG Nr. 1 = WM 1966, 765; Palandt?Putzo, BGB, 44. Aufl., § 556 Anm. 1 c; Voelskow, in: MünchKomm, § 556 Rdnr. 11; RGRK, 12. Aufl., § 556 Rdnr. 10) . Die Parteien haben also in § 25 i nichts anderes getan, als die gesetzliche Regelung zu wiederholen und, um etwaige Streitigkeiten auszuschließen, klarzustellen, daß aus dem Mietvertrag - etwa mit Rücksicht auf die von der Bekl. übernommenen erheblichen Umbaukosten - kein Ausschluß des Wiederherstellungsanspruchs hergeleitet werden kann. Mit Recht hat das BerGer. in anderem Zusammenhang deshalb auch darauf hingewiesen, daß die genannte Vertragsbestimmung lediglich die Modalitäten des Rückgewährungsanspruchs regelt.
c) Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB).
§ 25 i des Mietvertrags kann nicht anders verstanden werden, als daß dem Vermieter ein Wiederherstellungsanspruch nicht zusteht, wenn er wie hier den wiederhergestellten Zustand alsbald beseitigen müßte, um die von ihm geplanten Umbauarbeiten durchführen zu können. Eine gegenteilige Regelung kann nicht Gegenstand vernünftiger Parteivereinbarung gewesen sein. Soweit der Kl. dennoch mit Fristsetzung Wiederherstellung und nach Fristablauf Schadensersatz verlangte, fehlte diesem Begehren somit die Rechtsgrundlage.
d) Der Kl. kann aber auch nicht - etwa aufgrund ergänzender Vertragsauslegung - verlangen, daß die Bekl. ihm einen Ausgleich in Höhe der zur Wiederherstellung erforderlich gewesenen Kosten leistet. Der gesetzliche Herausgabeanspruch (§ 556 BGB) gibt dem Vermieter lediglich das Recht, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu verlangen, nicht aber die Befugnis, einen Beitrag zu einem Umbau der Mieträume für einen anderen Zweck zu fordern. Nichts anderes gilt für § 25 i des Mietvertrages, der, wie ausgeführt, lediglich zur Klarstellung die gesetzliche Regelung wiederholt.
e) Die Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Geldausgleich für wegen Umbau des Mietobjekts entfallender Schönheitsreparaturen (BGHZ 77, 301 = NJW 1980, 2347 = LM § 581 BGB Nr. 42 und BGHZ 92, 363 = NJW 1985, 480) ist nicht einschlägig. Tragender Grund jener Entscheidungen war die Erwägung, daß die Übernahme der in periodischen Abständen auszuführenden Schönheitsreparaturen regelmäßig ein Teil der vom Mieter für die Gebrauchsüberlassung zu erbringenden Gegenleistung ist. Er trifft auf den aus der Vertragsbeendigung folgenden Rückgabeanspruch des Vermieters nicht zu.
f) Da die Klageansprüche aus den dargelegten Gründen nicht zur Entstehung gelangt sind, kommt es nicht darauf an, ob, wie die Bekl, geltend macht, der Kl. auf mögliche Rechte aus § 25 i MV 72 verzichtet hat.
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