Raumtemperaturgrenzen in gemieteten Gewerberäumen (Reisebüro)

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

18. 10. 1994


Aktenzeichen

7 U 132/93


Leitsatz des Gerichts

  1. Werden Räume für einen bestimmten Gewerbebetrieb - hier ein Reisebüro - vermietet, so müssen sie so beschaffen sein, daß sie den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung genügen.

  2. Aufgrund von § 6 1 ArbStättVO i. V. mit der Arbeitsstättenrichtlinie ASR 6/1,3 und der DIN 1946 muß der Vermieter deshalb gewährleisten, daß bei im übrigen vertragsgemäßer Nutzung die Raumtemperatur in den Mieträumen bei Außentemperaturen von bis zu 32° C nicht höher als 26° C und bei höheren Außentemperaturen mindestens 6° C unter der Außentemperatur liegt.

Tatbestand


Zum Sachverhalt:

Der Kl. hat von den Bekl. ein Ladenlokal gemietet und betreibt dort ein Reisebüro. Der Kl. macht Ansprüche aufgrund einer angeblich mangelhaften Lüftungsanlage in dem Mietobjekt geltend. Er hat behauptet, daß infolge der Mängel der Anlage die Temperaturen in seinem Ladenlokal jeweils 5-6° C über der Außentemperatur lägen, was im Sommer zu Unzuträglichkeiten führe. Er hat gemeint, die Bekl. seien zu Abhilfemaßnahmen verpflichtet, und hat in erster Linie die Durchführung bestimmter Maßnahmen (u.a. Einbau einer Luftkühlung); hilfsweise allgemein die Verurteilung der Bekl. zur Abhilfe begehrt.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung erstrebt der Kl. die Verurteilung der Bekl., zu gewährleisten, daß bei einer Außentemperatur bis 32° C die Innentemperatur 26° C nicht übersteige und bei höheren Temperaturen mindestens 6° C unter der Außentemperatur liege. Die Berufung hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Aus den Gründen:

1. Der Kl. hat aus §§ 535, 536 BGB einen Anspruch darauf, daß ihm die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen und während der Vertragsdauer in diesem Zustand erhalten wird. Das beinhaltet bei der Vermietung von Räumen für einen bestimmten Gewerbebetrieb, daß diese Räume so beschaffen sein müssen, daß das nach dem Vertragszweck vorgesehene Gewerbe - hier der Betrieb eines Reisebüros - darin in zulässiger Weise ausgeübt werden kann. Die dafür notwendigen Voraussetzungen müssen die Räume erfüllen, auch ohne daß es einer besonderen Vereinbarung der Parteien über eine bestimmte Ausstattung der Räume bedarf. Dazu gehört u. a., daß die Räume - bei im übrigen vertragsgemäßer Nutzung - so beschaffen sind, daß in ihnen Arbeitnehmer beschäftigt werden können. Deshalb muß auch den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättVO) genügt werden.

2. Nach dem Beweisergebnis ist das nicht der Fall. Vielmehr ist hierfür erforderlich, daß die Bekl. geeignete Maßnahmen treffen, durch die gewährleistet wird, daß in dem Ladenlokal bei Außentemperaturen bis zu 32° C die Innentemperatur 26° C nicht übersteigt und sie im übrigen bei höheren Außentemperaturen mindestens 6° C unter der Außentemperatur liegt.

a) Einschlägig ist § 6 I ArbStättVO. Danach muß in Arbeitsräumen während der Arbeitszeit eine unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur vorhanden sein. Diese Bestimmung wird weiter konkretisiert durch die Arbeitsstättenrichtlinie ASR 6/1,3. Zwar können die ASR die Regelungen der ArbStättVO nicht inhaltlich ausdehnen; sie werden je doch von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als antizipiertes Sachverständigengutachten behandelt (vgl. VG Saarlouis, Urt. v. 10. 4. 1984 - 5 K 84/82; OVG Münster, Urt. v. 13. 5. 1987 - IV A 2158/86; beide abgedr. bei Heinen/Tentrop/Wienecke/Zerlett, Komm. zum medizinischen und technischen Arbeitsschutz, zu § 6 ArbStättVO). Schon aus diesem Grunde müssen die zum Betrieb eines Gewerbes vermieteten Räume auch den Anforderungen der Arbeitsstättenrichtlinien genügen, weil der Betreiber anderenfalls mit Maßnahmen der Gewerbeaufsicht rechnen muß.

Die ASR 6/1,3 besagt unter Nr. 2.4, daß die Raumtemperatur in Arbeitsräumen 26° C nicht übersteigen soll. Davon sind nur Hitzearbeitsplätze ausgenommen. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Sollbestimmung. Dem ist nach Auffassung des Senats dadurch Rechnung zu tragen, daß der genannten Forderung nicht absolut und nicht für jede Extremsituation völlig ungeachtet des Außenklimas entsprochen werden kann. Insoweit besteht Raum für eine ergänzende Heranziehung der DIN 1946 ... Gemäß dieser DIN ist bei der Auslegung von raumlufttechnischen Anlagen mit Luftkühlung für die Errechnung der Kühllast von einer Außenlufttemperatur auszugehen, die mit maximal 32° C bei einer relativen Feuchte von 35% in Ansatz zu bringen ist. Die zugeordnete Raumlufttemperatur soll dann 26° C betragen, d. h., daß der Temperaturunterschied zwischen Außenluft und Raumluft maximal 6 K betragen soll. Ein höherer Temperaturunterschied als 6 K sei in der Regel nicht anzustreben, um einen "Kälteschock" für Personen zu vermeiden, die den gekühlten Raum verlassen und sich nach draußen "in die Sommerglut" begeben. Diese Überlegung ist nach Auffassung des Senats auch für eine sachgerechte Auslegung der Sollbestimmung der ASR 6/1,3 maßgeblich, die in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist. Dagegen kann es keine Rolle spielen, daß - wie in den Erörterungen im Termin weiter angesprochen worden ist - Gesichtspunkte von Energieeinsparung und Umweltschutz heutzutage vielfach dazu führen, daß auch wegen der höheren Betriebskosten für den Mieter bei Einzelhandelsgeschäften zwischen Mieter und Vermieter besprochen und abgewogen wird, ob die Installation einer Kühleinrichtung wünschenswert ist oder nicht vorübergehend höhere Raumtemperaturen im Sommer vom Mieter hingenommen werden. Denn es ist den Vertragsparteien eines Mietvertrages unbenommen, aus derartigen Motiven entsprechende Vereinbarungen zu treffen und von der Installation einer Kühleinrichtung, die über die Gewährleistung der Mindestanforderungen der Arbeitsstättenrichtlinien hinaus zusätzlichen Komfort bieten kann, aus Umweltschutz- oder Kostengründen bewußt abzusehen. Hier sind derartige Vereinbarungen jedoch nicht getroffen, so daß es bei den oben dargestellten Grundsätzen verbleibt.

b) Das Gutachten des Sachverständigen hat eindeutig ergeben; daß die nach vorstehenden Ausführungen zulässigen Temperaturen in dem Mietobjekt teilweise deutlich überschritten werden und daß die Ursache dafür nicht in einem vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache durch den Kl. liegt. Dazu ist zunächst festzustellen, daß die Ausstattung der Räume mit Lichtquellen in ausreichender Anzahl bei einem Reisebüro ebenso zur normalen und vertragsgemäßen Nutzung gehört wie die Anwesenheit mehrerer Personen, auch soweit diese als "Wärmequelle" in Betracht kommen. Ob die Beleuchtung hier, gemessen am normalen Standard, überdimensioniert ist, kann dahinstehen, weil nach den Darlegungen des Sachverständigen die Ursachen der festgestellten Temperaturüberschreitungen in einer unzureichenden Ansaugung der Außenluft und Beimischung von ca. 60% Umluft, in einer ungünstigen Anordnung der Außenluftansaugung, in einer fehlenden Kühleinrichtung im Zuluftgerät und in einer unzureichenden Steuerung und Regelung der Anlage zu suchen sind, und eine Kühleinrichtung auch dann erforderlich ist, wenn die Beleuchtungslast auf ein übliches Maß von 30 bis 40 W/m2 reduziert werde. Diese im einzelnen ausgeführten und begründeten Schlußfolgerungen des Sachverständigen sind von keiner Partei mehr in Frage gestellt worden. Somit liegt ein Mangel des Objektes vor.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 535, 536; ArbStättVO § 6 I