Aufklärungspflicht des Verkäufers eines Hausgrundstücks

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

16. 10. 1987


Aktenzeichen

V ZR 170/86 (Düsseldorf)


Leitsatz des Gerichts

Hat der Verkäufer eines Hausgrundstücks Kenntnis über die beabsichtigte Verwendung, muss er den Käufer über alle Umstände unterrichten, die für die Verwendung wesentlich sind.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. sind Eigentümer eines mit Wohnhaus und einem daran anschließenden Ladentrakt bebauten Grundstücks, das sie unter anderem nebst „kompletten Bauunterlagen für das auf dem Kaufgrundbesitz zu errichtende Wohnhaus" mit notariellem Vertrag vom 16. 4. 1984 unter Ausschluß der Gewährleistung für „sichtbare und unsichtbare Sachmängel des Grundbesitzes und der Gebäulichkeiten“ an die Kl. verkauften. Diese unterwarfen sich wegen der übernommenen Verpflichtung zur Zahlung eines Barkaufpreises von 250000 DM der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde. Die Bekl. hatten das Kaufgrundstück von der Eigentümerin des Nachbargrundstücks erworben, mit der sie dabei vereinbarten, sie dürften im Falle einer Neubebauung den vorhandenen Giebel auf dem Nachbargrundstück zum Anbau unentgeltlich mitbenutzen. Mit Vertrag vom 6. 2. 1984 hatten die Bekl. das Ladenlokal mit Nebenräumen zum Betrieb einer Imbißstube an die Kl. vermietet, die dafür im März 1984 einen Abzugskamin errichten und an der Giebelwand des Nachbarhauses befestigen ließ. Mit Anwaltsschreiben vom 19. 3. 1984 forderte die Nachbarin unter Klageandrohung von den Bekl. die Beseitigung des Kamins. Diese sind inzwischen rechtskräftig verurteilt worden, die in die Giebelwand des Nachbarhauses eingebrachten Einrichtungen zu beseitigen, die der Befestigung und Verankerung des Lüftungskamins am Giebel dienen. Mit Anwaltsschreiben vom 1. 6. 1984 erklärten die Kl. die Wandlung des Kaufvertrages unter anderem mit der Begründung, die Bekl. hätten ihnen Mängel des Gebäudes arglistig verschwiegen. Sie haben mit der vorliegenden Klage beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der Kaufurkunde für unzulässig zu erklären.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Im Verlauf der Berufungsinstanz erklärten die Kl. auch die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung unter anderem deshalb, weil die Bekl. sie nicht über das Beseitigungsverlangen der Nachbarin informiert hätten. Das OLG hat der Klage stattgegeben. Die Revision der Bekl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Das BerGer. hält die Anfechtungserklärung der Kl. für begründet, weil die Bekl. vorsätzlich unter Verletzung einer entsprechenden Aufklärungspflicht die Kl. nicht über das Anwaltsschreiben vom 19. 3. 1984 informiert hätten. Die gegenteilige Behauptung der Bekl., sie selbst hätten die Kl. wenige Tage vor Vertragsschluß über das Ansinnen der Nachbarin unterrichtet, sei durch die Beweisaufnahme widerlegt. Bei entsprechender Aufklärung hätten die Kl. den Vertrag nicht abgeschlossen.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die vom BerGer. angenommene Aufklärungspflicht. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß die Vertragspartner, auch soweit sie entgegengesetzte Interessen verfolgen, verpflichtet sind, über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (vgl. etwa Senat, WM 1976, 401 (402); NJW 1979, 2243 und WM 1982, 960 (961)). Dies gilt auch für Umstände, die die beabsichtigte Verwendung der Kaufsache betreffen, und zwar insbesondere dann, wenn aufgrund vorausgegangener Verhandlungen ein bestimmtes Vertrauen des Käufers erweckt worden ist (vgl. Senat, WM 1978, 1073 (1974)). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Nach den Feststellungen des BerGer. haben die Bekl. den Kl. unstreitig vor dem Bau des Kamins erklärt, „sie hätten ein Anbaurecht und wenn sie den Kamin anbauen wollten, stünde ihnen dieses Recht ebenfalls laut Vertrag zu“. Weiter ist festgestellt, der Kamin sei für die von der Kl. betriebene Imbißstube notwendig gewesen; für den Entschluß der Kl. zum Kauf des Grundstücks sei für die Bekl. erkennbar von erheblicher Bedeutung gewesen, ob die Kl. wie vorgesehen die Imbißstube weiter betreiben könne; dieser Verwendungszweck sei durch das Beseitigungsverlangen der Nachbarin zum mindesten gefährdet worden.

Ohne Erfolg verweist die Revision darauf, daß nach dem Kaufvertrag das Anwesen nebst „Bauunterlagen für das auf dem Kaufgrundbesitz zu errichtende Wohnhaus" erworben wurde; die Kl. hätten also das Hausgrundstück kaufen wollen, um darauf ein Wohnhaus zu errichten, wobei der Kamin ohnehin gestört hätte. Es ist indes weder festgestellt noch behauptet, daß die Kl. den Grundbesitz mit der Absicht zum sofortigen Abbruch der Gebäude kauften, vielmehr stellt das BerGer. fest, daß die bestehende Imbißstube weiter betrieben werden sollte. Es war mithin völlig ungewiß, wann die Kl. eine eventuelle Absicht zum Neubau verwirklichen würden. Die Bekl. vermieteten das Ladenlokal auch erst kurz vor dem Kaufvertrag an die Kl. mit einer festgelegten Laufzeit von fünf Jahren. Sie haben selbst behauptet, die Kl. hätten vor Bezug des Mietobjekts umfangreiche Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten ausführen lassen.

Daß die Kl. zu 2 den Kamin selbst hat errichten und ohne Zustimmung der Bekl. an der Giebelwand hat befestigen lassen, vermag an der Aufklärungspflicht der Bekl. nichts zu ändern, weil sie durch ihren unstreitigen Hinweis auf ein Anbaurecht hinsichtlich des Kamins bei den Kl. das Vertrauen hervorgerufen hatten, sie dürften den Kamin in der vorgesehenen Weise bauen. Es spielt auch keine Rolle, daß die Parteien zur Frage der Kaminbefestigung möglicherweise übereinstimmend das Anbaurecht falsch interpretierten und die Bekl. nur verurteilt sind, die Befestigung und die Verankerung zu beseitigen; maßgeblich ist, daß die Nachbarin im Schreiben vom 19. 3. 1984 unter Klageandrohung die völlige Beseitigung des Kamins verlangt hatte und dies die Bekl. den Kl. hätten mitteilen müssen. Unerheblich ist deshalb auch, ob - wie die Bekl. vorgetragen haben - technisch eine anderweitige Befestigung des Kamins möglich ist. Dies würde zudem auch nach der Behauptung der Bekl. einen erheblichen Kostenaufwand von ca. 10000 DM verursachen.

3. Begründet ist die Revision jedoch, soweit sie sich gegen die Feststellung des BerGer. wendet, die Bekl. hätten die Kl. nicht in der erforderlichen Weise aufgeklärt. Die entsprechende Feststellung des BerGer. beruht auch auf der Aussage des - wie es ausführt - vom „Senat ... nach § 448 ZPO als Partei“ vernommenen Kl., der eindeutig ausgesagt habe, daß die Bekl. die Kl. weder bei dem Gespräch wenige Tage vor der Beurkundung noch bei einer sonstigen Gelegenheit vor Abschluß des Kaufvertrages über das an sie gerichtete Beseitigungsverlangen der Nachbarin unterrichtet hätten. Zutreffend rügt die Revision, daß im Einzelrichtertermin vom 10. 3. 1986 der Kl. lediglich angehört, jedoch nicht förmlich als Partei vernommen worden ist. Das insoweit maßgebliche Verhandlungsprotokoll (§ 165 ZPO) weist nur aus, der Kl. habe „auf Befragen zur Sache“ erklärt. Die Parteivernehmung des Kl. ist demnach weder durch einen Beweisbeschluß angeordnet (§ 450 I 1 ZPO), noch ist er vor seiner Befragung zur Wahrheit ermahnt (§§ 451, 395 I ZPO) noch zur Person vernommen worden (§§ 451 I, 395 II 1 ZPO). Es fehlt ferner die im Falle einer Parteivernehmung nach § 162 I i. V. mit § 160 III Nr. 4 ZPO erforderliche Feststellung über die Verlesung und Genehmigung der Aussage oder jedenfalls darüber, daß die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 162 II ZPO). Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß der Kl. nur angehört (§§ 141, 137 IV ZPO) worden ist. Damit ist die Würdigung der Angaben des Kl. als Parteivernehmung rechtsfehlerhaft, denn die Parteianhörung ist im Gegensatz zur Parteivernehmung kein Beweismittel (BGH, LM § 141 ZPO Nr. 3 und NJW 1974, 2285 = KTS 1975, 111 (113) m. w. Nachw. - insoweit in BGHZ 63, 87 nicht veröffentl.; BAG, NJW 1963, 2340 (2341); RGZ 149, 63 (64)).

Es kann offenbleiben, ob in dem Fehler des BerGer. die Verletzung einer das Verfahren, insbesondere die Form einer Prozeßhandlung betreffenden, verzichtbaren Vorschrift i. S. von § 295 ZPO liegt. Es läßt sich jedenfalls nicht feststellen, daß die Bekl. ein Rügerecht verloren hätten, weil sich für sie erstmals aus dem angefochtenen Urteil ergab, daß das BerGer. die von der Einzelrichterin durchgeführte Anhörung des Kl. als Parteivernehmung nach § 448 ZPO gewürdigt hat.

4. Schon wegen des aufgezeigten Fehlers kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Da weitere tatrichterliche Feststellungen notwendig sind, ist der Rechtsstreit an das BerGer. zurückzuverweisen. Die Bekl. werden dann Gelegenheit haben, auf ihre sonstigen Bedenken gegen das Berufungsurteil zurückzukommen.

Für das weitere Verfahren wird noch auf folgendes hingewiesen: Der Einzelrichter darf in der Berufungsinstanz zwar einzelne Beweise erheben, jedoch nur insoweit, als dies zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem BerGer. wünschenswert ist und sich von vornherein annehmen läßt, daß das BerGer. das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck vom Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag (§ 524 II 2 ZPO). Diesem Grundsatz widerspricht es in der Regel, wenn der Einzelrichter über die Voraussetzungen einer Parteivernehmung nach § 448 ZPO entscheidet und diese auch selbst durchführt (vgl. auch Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 45. Aufl., § 524 Anm. 3 B).

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht