Verkauf eines ohne baubehördliche Genehmigung umgebauten Hauses

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

02. 03. 1979


Aktenzeichen

V ZR 157/77 (Koblenz)


Leitsatz des Gerichts

Zur Frage der Aufklärungspflicht des Verkäufers eines Hauses, an dem genehmigungsbedürftige Arbeiten ohne Genehmigung der Baubehörde durchgeführt worden sind.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit notariellem Vertrag vom April 1974 kauften die Kl. von den Bekl. mehrere Grundstücksparzellen; sie unterwarfen sich in der Urkunde wegen der Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung. Mitverkauft wurden zwei Gebäude, und zwar ein sogenanntes Werkstattgebäude und ein daran im rechten Winkel anschließendes sogenanntes Hinterhaus. Im Werkstattgebäude befinden sich über der Werkstatt Wohnräume. An dem Hinterhaus sind von den Bekl. in den Jahren 1971/1972 Arbeiten vorgenommen worden. Für diese Arbeiten ist von den Bekl. keine Genehmigung der Baubehörden eingeholt worden. Von dem Kaufpreis steht noch ein Restbetrag offen. Wegen dieser Forderung betreiben die Bekl. die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde gegen die Kl. Diese haben Vollstreckungsgegenklage erhoben; sie verweigern die Zahlung, weil die Bekl. ihnen verschwiegen hätten, daß für die beiden mitverkauften Gebäude keine behördliche Genehmigung zur Nutzung als Wohnhäuser vorliege und eine entsprechende Genehmigung auch in Zukunft nicht erteilt werde. Die Kl. haben die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt; sie berufen sich hilfsweise auf einen Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB sowie auf Wandlung und Minderung.

Das LG hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Kl. ist erfolglos geblieben. Die zugelassene Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das BerGer. hat der von den Kl. erklärten Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung den Erfolg versagt. Soweit Umbaumaßnahmen von den Bekl. im Wege der Selbsthilfe mit sogenannten Schwarzarbeitern durchgeführt worden sein sollen, hat das BerGer. eine Aufklärungspflicht der Verkäufer verneint. Es hat hinsichtlich des von den Kl. behaupteten Umbaues des Hinterhauses von einem Lagerhaus zu einem Wohnhaus ausgeführt:

Ein solcher Umbau wäre zwar gem. § 91 LBauO bauaufsichtlich genehmigungspflichtig gewesen; es sei jedoch bereits zweifelhaft, ob den Bekl. die Genehmigungsbedürftigkeit der Nutzungsänderung bekannt gewesen sei; viele Laien meinten nämlich, sie dürften innerhalb eines bestehenden Gebäudes Änderungen vornehmen, ohne die Behörde einschalten zu müssen. Aber selbst wenn den Bekl. die Genehmigungspflicht bekannt gewesen sei, habe ihnen doch hinsichtlich der fehlenden Genehmigung den Kl. gegenüber keine Aufklärungspflicht obgelegen, da es "bezüglich der Frage der Nichtgenehmigung am Erfordernis der offensichtlichen Bedeutung dieser Tatsache für den Kaufentschluß der Kl." gefehlt habe. Die hiergegen von der Revision vorgetragenen Bedenken sind weitgehend begründet.

... 2. Soweit das BerGer. unabhängig von der Kenntnis der Bekl. eine Aufklärungspflicht der Bekl. verneint, gilt folgendes: Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH besteht auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (vgl. Senat, LM § 123 BGB Nr. 45; NJW 1974, 849 [851] m. w. Nachw.).

a) Hinsichtlich der Durchführung von Baumaßnahmen in Selbsthilfe unter Einsatz von Schwarzarbeitern hält der Senat zwar in Übereinstimmung mit dem BerGer. eine Aufklärungspflicht nicht für ohne weiteres gegeben. Nach der Verkehrsauffassung ist die Qualität der durchgeführten Arbeiten für den Kaufentschluß von wesentlicher Bedeutung. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, daß Selbsthilfearbeiten mit dem Einsatz von Schwarzarbeitern in aller Regel von minderer Qualität sind, besteht nicht. Im übrigen haben die Kl. nach den Feststellungen des BerGer. auch keine Baumängel substantiiert vorgetragen.

b) Ob für ein zu Wohnzwecken erworbenes Gebäude die zur Wohnnutzung nach dem Landesbaurecht notwendige bauaufsichtliche Genehmigung vorliegt oder nicht, ist dagegen in der Regel für den Entschluß des Käufers, das bebaute Grundstück zu erwerben, von wesentlicher Bedeutung. Die fehlende Genehmigung kann nämlich zur Untersagung der Nutzung zu Wohnzwecken und gegebenenfalls zur Anordnung der Rückgängigmachung der ohne Genehmigung durchgeführten Baumaßnahmen führen . Ob zu erwarten ist, daß die Baubehörde derartige Anordnungen treffen wird und ob diese Maßnahmen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten würden, ist für die Offenbarungspflicht grundsätzlich ohne Bedeutung. Für den Erwerber eines Hauses zu Wohnzwecken ist es wesentlich, ob der beabsichtigten Nutzung Hindernisse entgegengestellt werden können, die er unter Umständen nur mit großen Schwierigkeiten und in langwierigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren beseitigen kann. Der Käufer muß vor Abschluß des Kaufvertrages entscheiden können, ob er das mit dem Erwerb verbundene, die Erreichung des Vertragszwecks erheblich gefährdende Risiko einer fehlenden bauaufsichtlichen Genehmigung übernehmen will. Solange die zuständigen Bauaufsichtsbehörden keine rechtsverbindliche Erklärung abgegeben haben, daß sie die genehmigungspflichtige Nutzungsänderung des Gebäudes nicht untersagen und keine Rückgängigmachung von genehmigungspflichtigen Baumaßnahmen verlangen, ist das Fehlen der Genehmigung für den Entschluß, ein Gebäude zu Wohnzwecken zu erwerben, in der Regel von entscheidender Bedeutung. Daß hier die Verkäufer vor Abschluß des Kaufvertrages schon mindestens zwei Jahre in dem ohne Genehmigung zu Wohnzwecken genutzten Gebäude gewohnt hatten und daß in dieser Zeit die Behörde gegen die Nutzung nicht eingeschritten war, schließt die wesentliche Bedeutung des Fehlens der Genehmigung für den Kaufentschluß nicht aus. Das Nichteinschreiten der Behörde gibt dem Erwerber nicht die Sicherheit, er werde ohne Schwierigkeiten das Gebäude wie beabsichtigt ungestört zu Wohnzwecken nutzen können; zudem ist den Feststellungen des BerGer. nicht zu entnehmen, daß der Baubehörde die nicht genehmigte Nutzung des Gebäudes vor der Veräußerung an die Kl. überhaupt bekannt war. Aber selbst bei einer Kenntnis der zuständigen Behörde folgt aus dem Nichteinschreiten nicht, daß ein Käufer in Zukunft keine Maßnahmen der Bauverwaltung gegen die ungenehmigte Nutzung zu erwarten hat. Ohne dementsprechende bindende Erklärung der zuständigen Baubehörde ist das erhebliche Risiko des Erwerbers, die beabsichtigte Nutzung gegebenenfalls in langwierigen Verfahren erkämpfen zu müssen, nicht beseitigt. Auch das Nichteinschreiten der Baubehörde nach Abschluß des Kaufvertrages und nach Beginn der Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken durch die Kl. ist für das Bestehen der Aufklärungspflicht unbeachtlich. Für diese kommt es nur auf die Situation im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Vorher hatte die Baubehörde nach den Feststellungen des BerGer. eine verbindliche Erklärung dahingehend, sie werde die rechtswidrige Nutzung hinnehmen, nicht abgegeben. In dem vom BerGer. zitierten späteren Schreiben der Kreisverwaltung ... vom 8. 10. 1976 wird vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ersetzung eines bestandsgeschützten Altbaus durch eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung nicht vom Bestandsschutz erfaßt werde und daß die Bauaufsichtsbehörde die Benutzungsänderung anordnen oder die Benutzung untersagen könne, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt würden.

3. Das BerGer. hat demnach rechtsfehlerhaft im Zusammenhang der Prüfung einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und eines Schadensersatzanspruchs aus § 463 BGB eine Aufklärungspflicht der Verkäufer hinsichtlich der nichtgenehmigten Nutzung des Hinterhauses zu Wohnzwecken verneint. Da die Klage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Wandlung oder Minderung zur Entscheidung reif ist (entscheidend für das Vorliegen eines Sachmangels ist die vorn BerGer. noch nicht geklärte Frage, ob das materielle Baurecht im Zeitpunkt des Gefahrübergangs der Bebaubarkeit entgegenstand, vgl. Senat, NJW 1979, 34 = WM 1978, 1273), mußte das Urteil aufgehoben werden.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

BGB §§ 123, 463