Haftung der Wohnungseigentümer für unklare Eigentümerbeschlüsse

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

17. 10. 2001


Aktenzeichen

24 W 9876/00


Leitsatz des Gerichts

Ein Wohnungseigentümer, der im Hinblick auf einen für ihn unklaren Eigentümerbeschluss bauliche Veränderungen (hier: Pergola auf Terrasse) vornimmt und zu deren Beseitigung verpflichtet wird, hat gegen die übrigen Wohnungseigentümer keine Schadensersatzansprüche wegen der Kosten für Auf- und Abbau.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Ast. und Ag. sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die durch Teilungserklärung vom 17. 4. 1970 entstanden ist. Zu der Anlage, die terrassenartig an einem Hang gelegen ist, gehören insgesamt 14 Gebäude mit insgesamt 56 Wohnungen. Der Ast. ist Eigentümer der Wohnung Nr. 7, die in Zeile 2 des Hauses 4 liegt. Der Wohnung ist eine Terrasse vorgelagert. Auf dieser Terrasse errichtete der Ast. eine Pergola, die an der Innenseite des Pflanztrogs befestigt ist und aus drei gleichen Holzgitterteilen besteht, und zwar aus einem seitlichen Teil und zwei vorderen Teilen, die jeweils 1,80 m breit und vom Pflanztrog aus ca. 2,50 m hoch sind. In einem früheren gerichtlichen Verfahren ist der Ast. rechtskräftig verpflichtet worden, die Pergola zu entfernen. Im vorliegenden Verfahren begehrt der Ast. von der Eigentümergemeinschaft in ihrer jetzigen Zusammensetzung die Feststellung, dass ihm Schadensersatz wegen der Errichtung und Beseitigung der Pergola in Höhe von ca. 4400 DM zusteht, weil die Eigentümergemeinschaft 1974 - vor seinem Eintritt in die Gemeinschaft - über die Terrassengestaltung einen Eigentümerbeschluss mit einer „Regelungslücke“ gefasst habe, auf den er sich bei Anbringung seiner Pergola verlassen habe. In der Eigentümerversammlung vom 18. 9. 1974 ist laut Protokoll folgender Beschluss gefasst worden:

Punkt 5: Anbringung von Sichtblenden auf den Terrassen.
Die Eigentümer fassten bei sechs Stimmenthaltungen und vier Gegenstimmen folgenden Beschluss: „Die Verwaltung soll Genehmigungen, die sie auf von Miteigentümern vorzulegende Anträge wegen der Anbringung von Sichtblenden auf den Terrassen erteilen wird, mit den nachstehenden Auflagen verbinden. Es müssen durchscheinende Materialien (nicht Eternit und nicht Mauerwerk) verwendet werden. Die Blende darf in der Höhe bis zur Unterkante des Pflanztrogs der darüber liegenden Wohnung geführt werden. Die vordere Begrenzung soll die Außenkante des Blumentrogs darstellen. Gegen die Anbringung der Blenden auf der vorhandenen Terrassenabschlusswand bestehen keine Bedenken. Bei der Errichtung von Sichtblenden aus Glasbausteinen dürfen keine farbigen Glasbausteine eingebaut werden.“

In der Hausordnung heißt es u.a.: „Um ein einheitliches Bild der Fassaden der Häuserzeilen zu gewährleisten, ist zur Anbringung von Markisen, Windschutzvorrichtungen, Blumenkästen und dergleichen die Zustimmung des Verwalters einzuholen.“ Die Teilungserklärung selbst enthält keine Vorschriften über bauliche Veränderungen. Bei Eintritt des Ast. in die Eigentümergemeinschaft und auch bei Errichtung der Pergola auf seiner Terrasse lag dem Ast. nicht die vollständige Versammlungsniederschrift vom 18. 9. 1974 vor, sondern nur eine „Zusammenfassung wichtiger Beschlüsse der Wohnungseigentümer der Wohnanlage“, in der unter B lediglich teilweise die inhaltlichen Voraussetzungen für die Anbringung von Sichtblenden auf den Terrassen genannt waren, ohne zu wiederholen, dass dies nur die „Auflagen“ waren, unter denen die Verwaltung Anträge wegen der Anbringung von Sichtblenden genehmigen sollte.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Die weiteren Rechtsmittel sind erfolglos geblieben.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 2. Es bedarf keiner vertiefenden rechtlichen Erörterung, ob überhaupt eine Haftung der Wohnungseigentümer für ihre positive Stimmabgabe in der Versammlung anzunehmen ist, weil nämlich als Kontrollinstanz für die Ordnungsmäßigkeit von Eigentümerbeschlüssen regelmäßig das gerichtliche Beschlussanfechtungsverfahren vorgesehen ist (Senat, OLGZ 1991, 172 = NJW-RR 1991, 402; ZMR 1994, 124; Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 25 WEG Rdnr. 240; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 25 Rdnr. 26; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 25 Rdnr. 163a) oder ob zumindest bei vorsätzlicher Verletzung der Treuepflicht ein Schadensersatzanspruch der Wohnungseigentümer untereinander anzunehmen ist, wenn der Eintritt des Schadens nicht durch Anfechtung des Eigentümerbeschlusses verhindert werden kann (vgl. BGHZ129, 136 = NJW 1995, 1739 [zu den Treuepflichten eines Minderheitsaktionärs]) und ob die Eigentümergemeinschaft in ihrer aktuellen Zusammensetzung insgesamt oder wirklich nur die dem Eigentümerbeschluss zustimmenden Wohnungseigentümer haften.

3. Rechtlich einwandfrei führt das LG aus, dass sich die Wohnungseigentümer zwar bemühen müssen, zur Verringerung von Streitigkeiten möglichst eindeutige Beschlüsse zu fassen, dass aber kein einklagbarer Anspruch jedes einzelnen Wohnungseigentümers besteht, Eigentümerbeschlüsse so eindeutig zu fassen, dass keinerlei Unklarheiten oder Missverständnisse möglich sind. Zutreffend weist das LG darauf hin, dass dem Wohnungseigentümer bei Zweifelsfragen andere Mittel und Wege zur Verfügung stehen, um sich Klarheit zu verschaffen und Schäden durch ein eigenmächtiges Vorgehen zu vermeiden. Abgesehen davon würde es im vorliegenden Fall an einem feststellbaren Verschulden der Wohnungseigentümer fehlen, wohingegen ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Ast. anzunehmen wäre.

4. Nach § 22 I WEG sind bauliche Veränderungen, zu denen die vom Ast. errichtete Pergola gehört, regelmäßig unzulässig. Die Teilungserklärung der Wohnanlage enthält hierzu keine Regelungen. Nach der Hausordnung ist die (vorherige) Zustimmung des Verwalters einzuholen, wenn Veränderungen an der Fassade der Häuserzeilen vorgenommen werden sollen. Angesichts dieser Umstände reichte es schon aus Rechtsgründen keineswegs aus, dass der Ast. sich lediglich auf die „Zusammenfassung wichtiger Beschlüsse der Wohnungseigentümer der Wohnanlage“ verlassen hat, in welcher der Eigentümerbeschluss vom 18. 9. 1974 lediglich in einer stark verkürzten Fassung wiedergegeben war. Bei Einsicht in die vollständige Versammlungsniederschrift hätte der Ast. unschwer erkennen können, dass überhaupt keine allgemeine Erlaubnis ausgesprochen worden war, sondern lediglich der Verwaltung Richtlinien an die Hand gegeben worden sind. Die nach der Hausordnung gebotene Rückfrage bei der Verwaltung hätte zu der Erkenntnis geführt, dass die Verwaltung der Wohnanlage hätte eingeschaltet werden müssen. Nicht bekannt sein konnte dem Ast. allerdings die Entscheidung des BGH vom 20. 9. 2000 (BGHZ 145, 158 = NZM 2000, 1184 = NJW 2000, 3500), wonach gegen eine generelle Zulassung baulicher Veränderungen durch bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss Bedenken bestehen. Immerhin gab es auch vorher bereits Rechtsprechung, wonach ein Mehrheitsbeschluss jeweils nur konkrete bauliche Veränderungen deckt, nicht aber eine Ausführung noch nach vielen Jahren zulässt (vgl. OLG Düsseldorf, NZM 1998, 79). Auch wenn die Pergola bereits im Jahre 1994 errichtet worden ist, ist das Vorgehen des Ast. schon bei Zugrundelegung der damaligen Rechtsauffassungen als eigenmächtig und nicht schutzbedürftig angesichts der gesamten Umstände zu bezeichnen.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

WEG §§ 22 I, 25 I