Mietzinsminderung bei Asbestfaserrückstand ohne konkrete Gesundheitsgefahr

Gericht

LG Mannheim


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

20. 03. 1996


Aktenzeichen

4 S 213/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine zu einem vermieteten Aussiedlerhof gehörende Scheune ist mangelhaft i.S. von § 537 BGB, wenn dort auf Grund einer früheren Nutzung Rückstände von Asbestfasern vorhanden sind. Es ist nicht erforderlich, daß der Mieter eine konkrete Gesundheitsgefahr nachweist. Vielmehr genügt es, wenn bei unsachgemäßem Umgang mit den abgelagerten Stäuben die Gefahr einer Asbestfaserfreisetzung in die Raumluft nicht auszuschließen ist.

  2. Die Gewährleistungsrechte nach § 539 I 1 BGB sind nur dann ausgeschlossen, wenn der Mieter sichere Kenntnis von einer konkreten Restbelastung hat. Es genügt nicht, wenn die Möglichkeit einer Restbelastung lediglich in Erwägung gezogen worden ist.

  3. Für die Höhe der Minderung kommt es nicht darauf an, welche Mietzinseinnahmen dem Mieter entgangen sind, weil er die Scheune wegen des Mangels nicht untervermieten konnte. Vielmehr ist der Nutzwert der Scheune zu dem Nutzwert des Gesamtanwesens in Beziehung zu setzen.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Kl., Vermieter eines Hauses mit Nebengebäuden und Scheune, haben die Bekl. mit Erfolg auf Zahlung von Mietzins in Anspruch genommen. Gegenstand der Berufung der Bekl. ist der Anspruch der Kl. auf restlichen Mietzins für die Zeit von Oktober 1992 bis Februar 1995 in Höhe von 29 x 800 DM = 23200 DM. Die Bekl. wenden gegen den Zahlungsanspruch ein, daß der Mietzins ab Oktober 1992 in Höhe von 800 DM monatlich gemindert gewesen sei. Zur Begründung tragen die Bekl. vor, daß eine zum Anwesen gehörende und mitvermietete Scheune wegen der dort gegebenen Belastung mit Asbestfasern nicht genutzt, insbesondere nicht weitervermietet werden könne. Die Berufung der Bekl. hatte in Höhe von 9840 DM Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

2. Nach Meinung der Kammer kann das Vorliegen eines Mangels nicht zweifelhaft sein.

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die fragliche Scheune über viele Jahre hinweg von einem Fassadenbauunternehmen genutzt worden ist, das dort Asbestzementplatten zugeschnitten hat. Die Kl. haben mit Schriftsatz vom 14. 9. 1994 ein Gutachten vom 7. 4. 1993 vorgelegt, das sich mit der im Frühjahr 1993 vorhandenen Asbestbelastung befaßt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, daß an fünf von insgesamt acht Meßpunkten Asbestfasern vorhanden sind. Zusammenfassend wird in dem Gutachten ausgeführt:

„Die Untersuchungsergebnisse zeigen, daß in den Staubkontaktproben keine bis mehrere Asbestfasern festgestellt wurden. Die Ergebnisse der unter Nutzungssimulation durchgeführten Raumluftmessungen korrespondieren hiermit (es wurden keine lungengängigen Asbestfasern in der Raumluft festgestellt). Die Scheune kann genutzt werden. Eine Sanierung mit dem Ziel der Nutzbarmachung der Scheune ist nicht erforderlich. Dennoch ist bei unsachgemäßem Umgang mit den abgelagerten Stäuben die Gefahr einer Asbestfaserfreisetzung in die Raumluft nicht auszuschließen. Es sollte überlegt werden, die abgelagerten Stäube durch eine sachkundige Fachfirma nach den Vorschriften der TRGS 519 entfernen zu lassen, wenn eine Gefährdung künftiger Nutzer der Scheune ganz ausgeschlossen werden soll."

b) Das AG hat das Vorliegen eines Mangels im Hinblick auf die generell gegebene Nutzbarkeit verneint. Diese Auffassung trifft nicht zu. Ein Mangel i.S. von § 537 BGB liegt vor, wenn die Mietsache mit einem Fehler behaftet ist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn die Benutzung der Sache mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden ist. Es ist nicht erforderlich, daß eine solche Gefährdung mit Sicherheit feststeht. Es genügt, daß sie nicht ausgeschlossen werden kann (OLG Hamm, NJW-RR 1987, 968 = RES 3. MietRÄndG Nr. 8 m.w. Nachw.). Nach dem Gutachten des Sachverständigen ist die Scheune zwar generell ohne Gefahr nutzbar. Bei „unsachgemäßem Umgang mit den abgelagerten Stäuben“ ist eine Gefährdung dagegen nicht auszuschließen. Der Sachverständige hat hierzu in dem Schreiben vom 9. 6. 1993 erläuternd ausgeführt, daß bei „normaler Nutzung der Scheune (z.B. Lagerhaltung, ruhiger Betriebsablauf) keine Gefahr bestehe. Anders sei es bei Situationen, „bei denen eine stärkere Staubaufwirbelung auftritt“, wie etwa bei einem „Abfegen der Inneneinbauten“.

Hierzu ist zweierlei festzustellen. Zum einen ist es bei der gewerblichen Nutzung einer Scheune niemals auszuschließen, daß es beispielsweise infolge von Reinigungs- oder anderen Arbeiten zu Staubaufwirbelungen kommt. Zum anderen ist ein Untervermieter verpflichtet, seine Untermieter auf die Asbestbelastung und die daraus folgende Sorgfaltspflicht im Umgang mit der Mietsache hinzuweisen. Es ist aus der Sicht der Kammer naheliegend, daß ein solcher Hinweis die meisten Mietinteressenten abschrecken wird, weil sich niemand ohne Not einer möglicherweise drohenden Gefährdung durch Asbestfasern aussetzen wird. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil an Lagerräumen der hier fraglichen Art kein Mangel besteht, so daß die Interessenten im Zweifelsfall auf gesundheitlich unbedenkliche Räume ausweichen werden.

Der Bevollmächtigte der Kl. zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Ansicht vertreten, daß die Warnung des Sachverständigen vor einer stärkeren Staubaufwirbelung als „reine Floskel" zu bewerten sei. Hierzu hat die Kammeranzumerken, daß die Gefährlichkeit von Asbestfasern unter Fachleuten nicht umstritten ist. Zum Beleg für den gegenwärtigen Erkenntnisstand sei hier lediglich die Bewertung von Isenmann(DWW 1994, 197 (200)) genannt, der zu diesem Punkt u.a. folgendes ausführt:

„Jedermann, der ... mit Asbest indirekt oder gar direkt zu tun hat, muß sich darüber klar sein, daß es bei Asbest (anders als bei Giften) keine Wirkungsschwelle gibt. Es liegt also keine Nullrisikozone vor. Jede Asbestfaser kann die eine Faser zuviel sein. Richtwerte auf gesetzlicher Grundlage für Asbestkonzentrationen in der Luft (ausgenommen TRK-Wert für Arbeitsplätze, an denen mit Asbest umgegangen wird) gibt es in Deutschland nicht. Einen Grenz- oder Schwellenwert für eine gesundheitlich unbedenkliche Konzentration von Asbest in Innenräumen gab es nie!"

3. Nach § 539 I 1 BGB sind die Gewährleistungsrechte ausgeschlossen, wenn der Mieter beim Abschluß des Mietvertrags den Mangel der gemieteten Sache kennt. Erforderlich ist positive Kenntnis. Insoweit genügt es nicht, wenn ein Mieter die Umstände kennt, aus denen sich der Mangel ergibt. Vielmehr muß der Mieter konkret wissen, in welcher Art und Weise die Mietsache beeinträchtigt wird (Emmerich/Sonnenschein, Miete, § 539 Rdnr. 5). Bei dieser Rechtslage reicht es nicht aus, wenn die Bekl. beim Vertragsschluß gewußt haben, daß die Scheune in der Vergangenheit zum Zuschneiden von Asbestzementplatten genutzt worden ist. Ebenfalls genügt es nicht, wenn die Bekl. von der Gefährlichkeit dieser Tätigkeit Kenntnis hatten, oder wenn sie damit gerechnet haben, daß auch nach Beendigung der Tätigkeit eine Restbelastung gegeben sein kann. Von einer positiven Kenntnis des Mangels kann nur dann ausgegangen werden, wenn den Bekl. die Ergebnisse des Gutachtens des Sachverständigen bei Vertragsschluß bekannt gewesen wären, oder wenn sie aus anderer Quelle sichere Kenntnis von einer konkreten Restbelastung gehabt hätten. Die Beweisaufnahme hat hierfür nichts ergeben. (Wird ausgeführt.)

4. Für die Höhe der Minderung kommt es nicht darauf an, welche Mietzinseinnahmen den Bekl. entgangen sind. Vielmehr ist der Nutzwert der Scheune zu dem Nutzwert des Gesamtanwesens in Beziehung zu setzen (§§ 537, 472, 473 BGB). Gegenstand des Mietvertrags ist vorliegend eine Wohnung, bestehend aus sieben Zimmern, zwei Küchen, ein Bad, zwei WC, ein Balkon, eine Waschküche und vier Kellerräumen; ein Dachgeschoß, ein Nebengebäude; Hof- und Gartenflächen; eine Scheune. Für das gesamte Mietobjekt ist ein Mietpreis von 2200 DM vereinbart. Den Nutzwert der Scheune bewertet die Kammer auf 15 % des Gesamtnutzwerts. Dies entspricht einer Minderung von 330 DM pro Monat. Hieraus folgt, daß die Bekl. für die streitbefangene Zeit noch einen Betrag von 13630 DM nachzahlen müssen.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB § 537