Änderung der Betriebskosten und Umlagemaßstab für Wasserverbrauch

Gericht

LG Mannheim


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

27. 01. 1999


Aktenzeichen

4 S 141/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Für eine Änderung der Umlagenvereinbarung reicht es nicht aus, wenn der Vermieter eine nicht als umlagefähig vereinbarte Betriebskostenposition in die Betriebskostenabrechnung aufnimmt und der Mieter hiergegen keine Einwände erhebt. Dies gilt auch dann, wenn dieses Verfahren über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren praktiziert wird.

  2. Erhöhen sich die nicht umgelegten Betriebskosten, so muß der Vermieter das Verfahren nach § 4 II MHRG einhalten. Im Falle einer Kostensenkung besteht eine Ermäßigungspflicht (§ 4 IV MHRG). Für das Erhöhungsrecht gilt die Ausschlußfrist nach § 4 III MHRG. Die Ermäßigungspflicht ist zeitlich unbegrenzt.

  3. Der Vermieter kann die Betriebskosten für Wasser, Abwasser, Müllabfuhr und Treppenhausbeleuchtung auch dann nach dem Verhältnis der Wohnflächen auf die Mieter umlegen, wenn sich in dem Gebäude teilweise Kleinwohnungen (von ca. 50 m2) und teilweise Großwohnungen (von ca. 145 m2) befinden. Die Mieter der Großwohnungen haben keinen Anspruch auf Änderung des Umlagemaßstabs.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Kl., Mieter in einem Mehrfamilienwohnhaus des Bekl. mit Wohnungen unterschiedlicher Größe (von 48,43 m2 bis 145,9 m2), haben sich nach Bezahlung einer Betriebskostenabrechnung des Bekl. gegen die Umlage der Kosten für einen Hauswart, gegen eine Erhöhung der Gartenpflegekosten und gegen den Umlagemaßstab für Wasser, Abwasser, Müllabfuhr und Treppenhausbeleuchtung, gemäß dem nach Wohnflächen umgelegt wird, gewandt, und haben als Mieter einer großen Wohnung eine Umlage nach Kopfzahl als angemessen bezeichnet.

Das AG hat der Klage hinsichtlich der Kosten für den Hauswart mit 2188,12 DM und für die Gartenpflege mit 560,14 DM entsprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufungen beider Parteien hatten keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I. 1. Hauswartskosten

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Bekl. in den Betriebskostenabrechnungen betreffend die Zeit vom 1. 4. 1993 bis 31. 3. 1997 Kosten für die Tätigkeit eines Hauswarts in Höhe von insgesamt 2188,12 DM in Ansatz gebracht und daß die Kl. diese Kosten bezahlt haben. Das AG hat den Kl. einen Bereicherungsanspruch in dieser Höhe zugesprochen und zur Begründung ausgeführt, daß die genannte Betriebskostenposition nicht umlagefähig sei.

b) Dies ist zutreffend: In dem Mietvertrag vom 28. 5. 1977 ist unter § 3 Nr. 2 vereinbart, daß die Kl. die Kosten für Wasser, Abwasser, Müllabfuhr und Treppenhausbeleuchtung zu tragen haben. In § 3 Nr. 6 Mietvertrag ist geregelt, daß der Vermieter Erhöhungen der Betriebskosten i.S. von § 27 der II. BerechnungsVO „durch schriftliche Erklärung, die Grund und Berechnung enthält“, auf die Mieter umlegen kann. Eine solche Umlage setzt nach § 4 II MHRG voraus, daß sich die Betriebskosten nach Vertragsschluß erhöht haben und daß der Vermieter eine der Regelung des § 4 II MHRG entsprechende Erhöhungserklärung abgibt. Der Bekl. hat aber keine Erhöhungserklärung abgegeben. Hieraus ergibt sich, daß die Kl. die genannten Kosten nicht schulden.

c) Die Berufung macht geltend, daß die fragliche Betriebskostenposition im Abrechnungszeitraum 1981/82 eingeführt worden sei. Seit diesem Zeitpunkt hätten die Kl. diese Kosten bezahlt. Hierin sieht der Bekl. eine „Änderung des Mietvertrags durch schlüssiges Verhalten“. Diese Ansicht teilt die Kammer nicht: Eine Änderung des Mietvertrags durch schlüssiges Verhalten kann angenommen werden, wenn das tatsächliche Verhalten einer Partei als Angebot zum Abschluß eines Änderungsvertrags und das Verhalten der Gegenpartei als Annahme dieses Angebots bewertet werden kann. Daran fehlt es vorliegend. Nach dem Vortrag der Berufung hat der Bekl. die Hauswartskosten ohne weitere Erklärung in die Betriebskostenabrechnung aufgenommen. Hierdurch hat der Bekl. zum Ausdruck gebracht, daß er zur Umlage dieser Kosten berechtigt sei. Jedenfalls konnten und mußten die Kl. die Betriebskostenabrechnung in dieser Art und Weise interpretieren. Bei dieser Sachlage kann nicht unterstellt werden, daß beide Vertragsparteien die Absicht zur Vertragsänderung gehabt haben und daß diese Absicht durch den Ansatz der Hauswartskosten einerseits, die Zahlung dieser Kosten andererseits verwirklicht worden ist.

d) Aus dem Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe vom 22. 4. 1993 (NJW-RR 1993, 977) kann der Bekl. nichts für sich herleiten. Aus der genannten Entscheidung ergibt sich zwar, daß der Kl. berechtigt war, die Kostenart „Hausmeisterkosten“ ab dem Zeitpunkt ihres Entstehens in den Mietzins einzubeziehen. Allerdings folgt daraus nicht, daß der Mieter die genannten Kosten vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an schuldet. Vielmehr entsteht eine Verpflichtung zur Zahlung der erhöhten Betriebskosten erst dann, wenn der Vermieter eine Erhöhungserklärung i.S. von § 4 II MHRG abgegeben hat.

2. Gartenpflegekosten a) Das AG hat festgestellt, daß der Bekl. in der Zeit von Mai 1991 bis Juli 1995 mehrere Erhöhungserklärungen nach § 4 II MHRG abgegeben hat. Weiter hat das AG festgestellt, daß sich die Gartenpflegekosten in der Zeit nach der Erhöhung vom 1. 7. 1992 erheblich reduziert haben, ohne daß der Bekl. dies zum Anlaß einer Betriebskostenermäßigung nach § 4 IV MHRG genommen hätte.

Das AG hat hierzu ausgeführt, daß die Betriebskostenbelastung der Kl. in der Zeit von Januar 1994 bis März 1998 um insgesamt 560,14 DM niedriger gewesen wäre, wenn der Bekl. sich in der Zeit von Mai 1991 bis Juli 1995 gesetzeskonform verhalten hätte. Folgerichtig hat das AG den Kl. den Betrag von 560,14 DM zugesprochen.

b) Dies ist zutreffend: Sind die Betriebskosten - wie vorliegend - nur zum Teil auf den Mieter umgelegt worden, so kann und muß der Vermieter hinsichtlich der umgelegten Betriebskosten nach § 4 I 2 MHRG abrechnen. Hinsichtlich der nicht umgelegten Betriebskosten muß der Vermieter das Verfahren nach §§ 4 II und IV MHRG einhalten. Aus § 4 II MHRG folgt, daß der Vermieter die insoweit eingetretene Kostensteigerung auf den Mieter umlegen kann. Die Umlage setzt voraus, daß sich die nicht umgelegten Betriebskosten insgesamt erhöht haben und daß der Vermieter eine dem Gesetz entsprechende Erhöhungserklärung abgegeben hat. Haben sich die nicht umgelegten Betriebskosten nach einer Erhöhung ermäßigt, so ist der Vermieter verpflichtet, dies dem Mieter mitzuteilen und den Mietzins herabzusetzen. Dem Erhöhungsrecht entspricht also eine Ermäßigungspflicht. Für das Erhöhungsrecht gelten die in § 4 III MHRG geregelten Ausschlußfristen; die Ermäßigungspflicht ist dagegen zeitlich unbegrenzt.

Daraus folgt, daß zwar der Mieter seinen Anspruch auf Ermäßigung von Betriebskostenpositionen bis zur Grenze der Verjährungsfrist geltend machen kann. Der Vermieter ist dagegen mit seinem Anspruch auf Umlage erhöhter Betriebskosten ausgeschlossen, wenn er - wie hier - die Erhöhung nicht innerhalb der Fristen des § 4 III MHRG geltend gemacht hat.

c) Mit der Berufung macht der Bekl. geltend, daß sich seit Mai 1995 verschiedene Betriebskostengruppen, nämlich die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung und die Gartenpflegekosten, erhöht hätten. Hieraus errechnet der Bekl. einen Erhöhungsbetrag von 670,91 DM, mit dem er gegen den Rückforderungsanspruch aufrechnen will. Ein solches Verfahren ist nicht möglich. Nach der Regelung in § 4 II MHRG hat der Vermieter nur dann einen Anspruch auf erhöhte Betriebskosten, wenn die Erhöhung mit einer wirksamen Erhöhungserklärung nach § 4 II MHRG geltend gemacht wird. Eine solche Erklärung hat der Bekl. in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab Mai 1995 aber nicht abgegeben.

3. Umlagemaßstab a) In dem Mietvertrag vom 28. 5. 1977 ist hinsichtlich der als umlagefähig bezeichneten Kosten für Wasser, Abwasser, Müllabfuhr und Treppenhausbeleuchtung kein Umlagemaßstab vereinbart. Der Bekl. hat diese Kosten in der Vergangenheit nach dem Verhältnis der Wohnflächen auf die Mieter umgelegt. Die Kl. haben erstinstanzlich beantragt, den Bekl. zur Verwendung eines Umlagemaßstabs zu verurteilen, „der billigem Ermessen entspricht“.

b) Der Bekl. hat hierzu die Ansicht vertreten, daß der Klagantrag „keinen vollstreckungsfähigen Inhalt“ besitze und damit unzulässig sei. Diese Frage kann vorliegend offen bleiben: Den Kl. kommt es offensichtlich darauf an, daß der Bekl. in Zukunft einen verbrauchsorientierten Maßstab verwendet. Den verschiedenen Schriftsätzen der Kl. ist zu entnehmen, daß diese eine Umlage entsprechend der Kopfzahl für angemessen erachten. Sie tragen hierzu vor, daß das Gebäude aus 20 Wohneinheiten bestehe. Die meisten Wohneinheiten seien nur 48,43 m2 groß. Die von dem Bekl. genutzte Wohnung habe dagegen eine Wohnfläche von 145,90 m2.

c) Das AG hat hierzu ausgeführt, daß die Voraussetzungen für eine Änderung des Umlagemaßstabs nicht gegeben sind. Dies ist zutreffend: Nach § 20 II 1 NMVO sind die Betriebskosten nach dem Verhältnis der Wohnflächen umzulegen. Das gilt auch für die Kosten der Treppenhausbeleuchtung, für die Kosten der Wasserversorgung und der Entwässerung (§ 21 II NMVO) sowie für die Kosten der Müllabfuhr (§ 22a II NMVO). Die Kosten der Wasserversorgung und der Entwässerung sowie die Kosten der Müllabfuhr kann der Vermieter statt dessen nach einem verbrauchsabhängigen oder verbrauchsorientierten Maßstab umlegen; eine gesetzliche Verpflichtung zur Wahl eines solchen Maßstabs ist den genannten Regelungen dagegen nicht zu entnehmen.

Die Vorschriften der §§ 20ff. NMVO gelten nur für den preisgebundenen Wohnraum; sie werden indessen auf den frei finanzierten Wohnraum entsprechend angewandt, weil sie keinen speziellen auf die Kostenmiete zugeschnittenen Gehalt haben, sondern die gesetzgeberische Vorstellung über die Angemessenheit der Betriebskostenumlage präzisieren. Den Regelungen der §§ 20ff. NMVO ist zu entnehmen, daß es bei der Umlage verbrauchsabhängiger Kosten nicht allein auf eine gerechte Kostenverteilung ankommt, sondern daß hierbei auch Gesichtspunkte der Praktikabilität zu berücksichtigen sind. Insoweit ist anerkannt, daß die Umlage der Betriebskosten nach dem Verhältnis der Wohnfläche praktikabel ist, weil die Flächenanteile einfach zu ermitteln sind und sich im Verlauf der Mietzeit nicht verändern. Der sogenannte „Personenschlüssel“ wird dagegen allgemein als unpraktisch angesehen, weil die Bewohnerzahl wechselt und weil unter Umständen länger dauernde Besuche einerseits oder längere Ortsabwesenheit andererseits zu berücksichtigen sind oder sein könnten. Dies hat zur Folge, daß sich der nach dem Personenschlüssel abrechnende Vermieter häufig mit Einwendungen der Mieter gegen die tatsächlichen Ansätze des Verteilungsschlüssels konfrontiert sieht.

Diese Einwendungen tragen zum Teil ausgesprochen skurrile Züge, so wenn z.B. erörtert wird, ob fürs Autowaschen (AG Dortmund, WuM 1986, 262), für Säuglinge (AG Wuppertal, DWW 1988, 282) oder gar für Hunde (AG Paderborn, DWW 1988, 151) Zuschläge berechnet werden müssen. Es kommt hinzu, daß die persönlichen Lebensgewohnheiten der Nutzer, die zu einem höchst unterschiedlichen Wasserverbrauch und zu unterschiedlicher Müllverursachung führen können, durch den Personenschlüssel nicht erfaßt werden. Deshalb wird zu Recht die Ansicht vertreten, daß der Personenschlüssel zwar den Anschein der größeren Verteilungsgerechtigkeit für sich hat, aber in Wirklichkeit nicht zu einem gerechteren Ergebnis führt (OLG Hamm, NJW 1984, 984 = RES § 535 BGB Nr. 6; Langenberg, BetriebskostenR, Rdnrn. S 41 - 43).

Insoweit kann hinsichtlich der Wasserkosten nur durch den Einsatz von Wohnungszwischenzählern Abhilfe geschaffen werden. Bei den Müllkosten wäre an eine verbrauchsabhängige Erfassung des Abfalls zu denken. Solche Möglichkeiten stehen dem Vermieter zwar zur Verfügung (§ 541a BGB, § 4 V MHRG). Der Vermieter ist aber (gegenwärtig) nicht zur verbrauchsabhängigen Abrechnung verpflichtet.

d) Es ist anerkannt, daß der Mieter in bestimmten extremen Ausnahmefällen einen Anspruch auf Änderung des Umlagemaßstabs haben kann. Voraussetzung ist, daß die Unbilligkeit des gewählten Maßstabs für den Vermieter evident ist, daß ein anderer Maßstab zu gerechteren Ergebnissen führt und daß ein Wechsel des Maßstabs möglich und zumutbar ist (Blank, DWW 1992, 65 [69]; Langenberg, Rdnr. F 5, jeweils m.w. Nachw.). Die Kammer ist mit dem AG der Ansicht, daß diese Voraussetzungen nicht schon dann gegeben sind, wenn sich in einem Haus größere und kleinere Wohnungen befinden: Zwar ist es zutreffend, daß bei gleicher Belegungszahl und gleichen Verbrauchsgewohnheiten die Nutzer der großen Wohnung benachteiligt werden. Insoweit ist der Berufung zuzustimmen. Diese Annahme ist vorliegend aber nicht gesichert. So ist denkbar, daß die Bewohner der Großwohnung aufgrund ihrer Lebensgewohnheiten einen großen Wasserverbrauch haben, während der Verbrauch der Nutzer der Kleinwohnungen - etwa infolge häufiger Ortsabwesenheit - oder infolge eines geringeren Hygienebedürfnisses sehr gering ist. Insoweit ist auch keine weitere Aufklärung möglich. Die Verbrauchsgewohnheiten der Mieter gehören zu deren Privatsphäre. Die Erforschung der Privatsphäre ist zwar möglich, wenn dies aufgrund gewichtiger Interessen erforderlich ist. Das Interesse der Kl. an der Verringerung ihrer Wasserkosten reicht dazu nicht aus.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

MHRG § 4; BGB § 546