Miteigentum an einer zickzackförmigen Grenzbepflanzung

Gericht

LG Gießen


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

13. 07. 1994


Aktenzeichen

1 S 163/94


Leitsatz des Gerichts

Eine Beeinträchtigung des dem Nachbarn an einer gemeinsamen Grenzeinrichtung zustehenden Mitbenutzungsrechts scheidet nicht deshalb aus, weil der Eigentümer nur die auf seinem Grundstück stehenden Teile der Grenzeinrichtung entfernt hat.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. nimmt die Bekl. auf Beseitigung der Beeinträchtigung ihres Rechts auf Mitbenutzung einer Grenzeinrichtung in Anspruch, hilfsweise verlangt sie Schadensersatz. Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Im Jahre 1989 pflanzten sie entlang der Grundstücksgrenze eine Thuja-Hecke, wobei die Pflanzen - nach Art einer Zickzacklinie - zum einen Teil auf dem Grundstück der Kl., zum anderen auf dem Grundstück der Bekl. eingesetzt wurden. 1993 ließ die Bekl. die auf ihrem Grundstück stehenden Pflanzen gegen den erklärten Willen der Kl. in einem Teilbereich direkt über dem Erdboden abschneiden und an deren Stelle einen Maschendrahtzaun errichten. Durch die von der Bekl. herbeigeführte Änderung sieht sich die Kl. in ihrem Interesse an einem Sichtschutz zum Grundstück der Bekl. beeinträchtigt.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Das Rechtsmittel der Kl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Bekl. ist verpflichtet, den von ihr geschaffenen Eingriff in das Mitbenutzungsrecht der Kl. an der Hecke entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze rückgängig zu machen und die entfernten Thuja-Pflanzen durch entsprechende zu ersetzen. Diese Verpflichtung hat ihre gesetzliche Grundlage in § 1004 I 1 BGB, der auf die Beeinträchtigung des Mitbenutzungsrechts an Grenzeinrichtungen entsprechend anwendbar ist ( Palandt/Bassenge, BGB, 51. Aufl. (1992), § 922 Rdnrn. 2, 4 m.w.Nachw.). Die von der Bekl. vorgenommene Veränderung bezog sich auf eine Grenzeinrichtung i.S. von § 921 BGB, denn die entfernten Thuja-Pflanzen gehörten zu einer Hecke, die von der Grenze durchschnitten wurde, ohne daß es darauf ankäme, ob der Schnitt genau in der Mitte verlief. Auch diente die Hecke dem Vorteil beider Grundstücke, nämlich der Grenzscheidung. Mit der Bewertung als Grenzeinrichtung ist aber die gesetzliche Vermutung verknüpft, daß die Eigentümer der Nachbargrundstücke zur Benutzung der Einrichtung nur gemeinschaftlich berechtigt sind (§ 921 BGB). Inwieweit die Grenzeinrichtung dem einen oder dem anderen Nachbarn gehört, spielt für die Vermutung des gemeinschaftlichen Benutzungsrechts keine Rolle, solange nur keine äußeren Merkmale auf Alleineigentum eines Nachbarn an der gesamten Einrichtung hinweisen. Widerlegt ist die Vermutung, wenn das Alleineigentum eines Nachbarn feststeht (Palandt/Bassenge, § 921 Rdnr. 3).

Vorliegend sprechen weder äußere Umstände dafür, daß sich die Hecke insgesamt auf dem Grundstück und damit im Alleineigentum der Bekl. befand, noch hat die Bekl. den Beweis ihres Alleineigentums geführt. Sie hat vielmehr selbst vorgetragen, die Pflanzen hätten sich zum Teil auf dem einen, zum Teil auf dem anderen Grundstück befunden. Damit gehörten die von der Bekl. entfernten Pflanzen zwar zu ihrem Grundstück (§ 94 I BGB) und auch zu ihrem Eigentum an dem Grundstück (§ 946 BGB), durch das gemeinschaftliche Benutzungsrecht der Kl. an der Hecke insgesamt war die Bekl. aber in ihrer Einwirkungs- und Ausschließungsbefugnis gem. § 903 S. 1 BGB beschränkt. Insoweit durfte sie trotz ihrer Eigentümerstellung mit den Pflanzen nicht nach Belieben verfahren. Nach der gesetzlichen Ausgestaltung der durch das Mitbenutzungsrecht der Kl. gezogenen Eigentumsschranke in § 922 S. 3 BGB durfte sie die zur Hecke gehörenden Pflanzen nicht ohne Zustimmung der Kl. entfernen, solange diese noch irgendein Interesse am Fortbestand der Grenzeinrichtung hatte. Ein solches Interesse bestand aber im Hinblick auf den durch die Einrichtung bewirkten Sichtschutz, der durch das Entfernen einer Vielzahl der jeweils versetzt auf dem Grundstück der Bekl. stehenden Pflanzen beeinträchtigt ist.

Zur Beseitigung der Beeinträchtigung sind die entfernten Thuja-Pflanzen neu zu setzen, wobei für jeden der durch das Absägen entstandenen Stümpfe - an deren jeweiliger Stelle - eine neue Pflanze in Höhe der noch vorhandenen einzupflanzen ist.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

BGB §§ 921, 1004