Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Bauträgervertrags und Schadensersatzanspruch

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

07. 06. 2001


Aktenzeichen

VII ZR 420/00 (Naumburg)


Leitsatz des Gerichts

  1. Die folgende Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauträgervertrags: „Der amtierende Notar wird angewiesen, den Antrag auf Umschreibung des Eigentums erst dann zu stellen, wenn der in bar zu entrichtende Kaufpreis … voll gezahlt ist.“ benachteiligt den Klauselgegner hinsichtlich der Pflicht zur Vorleistung unangemessen und ist daher wegen eines Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam.

  2. Der Erwerber kann mit einem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum aufrechnen oder den Erwerbspreis mindern, wenn der Bauträger als alleiniger Eigentümer durch die endgültige Verweigerung der Nachbesserung zu erkennen gibt, dass er nicht bereit ist, an der Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche mitzuwirken.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit notariellem Vertrag vom 19. 12. 1995 erwarben die Kl. von dem Bekl. Wohnungseigentum an einer neu errichteten, bezugsfertigen Doppelhaushälfte zu einem Preis von rund 318000 DM. Von diesem Betrag sollten die Kl. zunächst 303000 DM und den Restbetrag nach vollständiger Fertigstellung und Abnahme zahlen. Die Vertragsparteien erklärten die Auflassung und der Bekl. bewilligte und beantragte die Eintragung der Kl. im Grundbuch. Mit dem Vollzug des Vertrags beauftragten die Parteien den beurkundenden Notar. In § 10 V des Vertrags heißt es: „Der amtierende Notar wird angewiesen, den Antrag auf Umschreibung des Eigentums erst zu stellen, wenn der in bar zu entrichtende Kaufpreis gem. § 3 voll gezahlt ist.“ Die Kl. zahlten den vereinbarten Erwerbspreis bis auf einen Restbetrag von 23200 DM. Die Kl. haben den Bekl. wegen verschiedener Mängel vergeblich zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Unter anderem haben sie beanstandet, dass das Doppelhaus nicht über die beantragte und in die Baugenehmigung eingeflossene 18 m³ Kläranlage verfüge. Sie behaupten, für die erforderlichen Nachbesserungen sei ein Betrag von 30400,47 DM aufzuwenden. Um diesen Betrag sei die offene Restkaufpreisforderung des Bekl. zu mindern. Sie könnten deshalb vom Bekl. die Umschreibung des Eigentums verlangen. Hilfsweise begehren sie, den Bekl. zu verurteilen, die Zustimmung zur Eigentumsumschreibung Zug um Zug gegen Hinterlegung des streitigen Restwerklohns in Höhe von 23200 DM zu erteilen. Der Bekl., der Eigentümer beider Doppelhaushälften ist, hat die Auffassung vertreten, hinsichtlich der Sammelgrube liege kein Mangel vor. Für eine Minderung fehle den Kl. auch die Aktivlegitimation, da die Kläranlage gemeinschaftliches Eigentum der Wohnungseigentümer sei. Ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft liege nicht vor. Da die Kl. den Vertrag nicht vollständig erfüllt hätten, müsse er der Eintragung der Kl. als Eigentümer im Grundbuch nicht zustimmen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Die Revision hatte Erfolg, sie führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat ausgeführt:

Der Bekl. sei nach § 10 V des Erwerbervertrags gegenwärtig nicht verpflichtet, an der Eintragung der Kl. in das Grundbuch mitzuwirken, weil die Kl. die Kaufpreisschuld bisher nicht vollständig getilgt hätten. Die Kl. seien uneingeschränkt vorleistungspflichtig. Der Einwand der Kl., der Kaufpreis sei durch Verrechnung getilgt, da ihnen entweder ein Schadensersatzanspruch in Höhe des noch offenen Betrags oder eine entsprechende Minderung zustehe, sei unbegründet. Dabei könne offen bleiben, ob Mängel bestünden und ob die Kl. berechtigt seien, hieraus Rechte geltend zu machen. Selbst wenn derartige Ansprüche bestünden, verbliebe eine Restforderung des Bekl. Wenn ein Mangel am Gemeinschaftseigentum vorliege, könne der Erwerber nur einen seinem Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum entsprechenden Betrag geltend machen. Danach könnten die Kl. für die Balkonsanierung die behaupteten Kosten in Höhe von insgesamt 5126,34 DM und von den Kosten für die Kläranlage lediglich die Hälfte, 12637,04 DM verrechnen. Selbst wenn die Kl. berechtigt sein sollten, den gesamten Betrag geltend zu machen, könnten sie nur Leistung an die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen, aber nicht einen bestehenden Schadensersatzanspruch mit ihrer Kaufpreisrestschuld verrechnen.

II. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist der Vortrag der Kl. zu unterstellen, dass das zu erwerbende Sondereigentum der Kl. und das Gemeinschaftseigentum Mängel aufweisen, deren Beseitigung der Bekl. endgültig verweigert hat und deren Behebung einen Kostenaufwand von 30400,47 DM erfordert. Der Ansicht des BerGer., den Kl. sei es verwehrt, in Höhe der Mängelbeseitigungskosten den Preis für den Erwerb des Wohnungseigentums zu mindern oder mit einem entsprechenden Schadensersatzanspruch aufzurechnen, kann nicht beigetreten werden. Sie wird den Besonderheiten des Streitfalls nicht gerecht.

Nach der Rechtsprechung des BGH steht dem einzelnen Erwerber der Schadensersatzanspruch wegen eines behebbaren Mangels am Gemeinschaftseigentum in Höhe der gesamten Mängelbeseitigungskosten zu (BGHZ 141, 63 [65] = NJW 1999, 1705 = LM H. 8/1999 § 635 BGB Nr. 120). Der Erwerber ist jedoch ohne einen dazu ermächtigenden Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich daran gehindert, den Schadensersatzanspruch oder die Minderung mit Zahlung an sich selbst durchzusetzen (BGHZ 141, 63 [65] = NJW 1999, 1705 = LM H. 8/1999 § 635 BGB Nr. 120; BGHZ 74, 258 [264] = NJW 1979, 2401 = LM § 17 AktG 1965 Nr. 3 L). Der vorliegende Fall gebietet hiervon aber eine Ausnahme, wie sie der BGH stets dann bejaht hat, wenn die Interessen der Gemeinschaft an der Durchsetzung der gemeinschaftsbezogenen Ansprüche und die Interessen des Schuldners an einer übersichtlichen Haftungslage nicht berührt sind (vgl. BGHZ 114, 387 = NJW 1991, 2480 = LM § 21 WohnungseigentumsG Nr. 15).

Der Bekl. ist Eigentümer beider Doppelhaushälften. Er hat sich als Vertragspartner der Kl. endgültig geweigert, die gerügten Mängel zu beseitigen. Er hat damit auch zu erkennen gegeben, dass er kein Interesse daran hat, an der Beseitigung der gerügten Mängel am Gemeinschaftseigentum oder an der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen mitzuwirken. Weitere Miteigentümer sind nicht betroffen. In einem solchen Fall ist es geboten, den Kl. auf der Grundlage ihrer Befugnis, Mängel am Gemeinschaftseigentum selbstständig geltend zu machen (BGHZ 110, 258 [259f.] = NJW 1990, 1663 = LM § 21 WohnungseigentumsG Nr. 12), auch das Recht zuzubilligen, wegen der Mängel am Gemeinschaftseigentum in Höhe der Mängelbeseitigungskosten den Erwerbspreis zu mindern oder mit einem entsprechenden Schadensersatzanspruch aufzurechnen, um die Eigentumsumschreibung zu bewirken. Der Bekl. verdient als bisheriger Alleineigentümer und Vertragspartner, der seinen Vertragspflichten nicht nachkommt, keinen Schutz. Er kann sich deshalb auch nicht darauf berufen, dass seine Interessen als Miteigentümer durch die Aufrechnung oder Minderung berührt seien. Dass der Gemeinschaft durch die Verringerung des Erwerbspreises die Mittel für eine Sanierung nicht unmittelbar zur Verfügung stehen, muss der Bekl. als Folge seines vertragswidrigen Verhaltens hinnehmen.

III. Zur Feststellung der von den Kl. behaupteten Mängeln und Mängelbeseitigungskosten ist die Sache an das BerGer. zurückzuverweisen. Sollten die Mängelbeseitigungskosten nur geringfügig unter dem noch offenen Preis für den Erwerb des Wohnungseigentums liegen, wird das BerGer. zu prüfen haben, ob der Klage im Hinblick auf § 320 II BGB gleichwohl stattzugeben ist.

Sollte sich bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung der Sache herausstellen, dass keine Mängel vorliegen oder trotz der Aufrechnung oder Minderung noch ein so erheblicher Preis geschuldet wird, dass eine Anwendung des § 320 II BGB nicht in Betracht kommt, wird das BerGer. zu prüfen haben, ob die in § 10 Nr. 5 des Erwerbsvertrags enthaltene Verpflichtung der Erwerber zur Vorleistung wirksam vereinbart ist. Sollte die Klausel, wie die Revision geltend macht, eine von dem Bekl. gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung sein, hielte sie einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand. Durch die auferlegte Pflicht zur Vorleistung verliert der Erwerber die Möglichkeit, sein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB zur Geltung zu bringen, wenn der Veräußerer nicht oder schlecht erfüllt. Eine Vorleistungsverpflichtung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nur dann wirksam, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, der auch bei der Abwägung mit den hierdurch für den Erwerber entstehenden Nachteilen Bestand hat (vgl. BGHZ 141, 108 [114] = NJW 1999, 2180 = LM H. 7/1999 § 1 AGBG Nr. 33). Ein solcher ist nicht ersichtlich.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

AGBG § 9 I, II Nr. 1; BGB §§ 634 I, 635