Eigenbedarfskündigung nach Zwangsversteigerungserwerb

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Rechtsentscheid


Datum

10. 06. 1992


Aktenzeichen

REMiet 2/92


Leitsatz des Gerichts

Der Zuschlag von Wohnungseigentum im Wege der Zwangsversteigerung ist als Veräußerung i. S. des § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB anzusehen. Die in dieser Vorschrift enthaltene Einschränkung des Rechts zur Kündigung wegen Eigenbedarfs ist auch dann zu beachten, wenn das Mietverhältnis gem. § 57a ZVG unter Einhaltung der gesetzlichen Frist gekündigt wird.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Bekl. ist Mieter einer Vier-Zimmer-Wohnung in M. Er hat die Wohnung 1974 von der damaligen Eigentümerin des Anwesens, einer Miteigentümergemeinschaft, angemietet. Die Gemeinschaft verkaufte das Grundstück an eine GmbH, die auch als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Durch Teilungserklärung, im Grundbuch vollzogen am 29. 9. 1983, wurde das Gebäude in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt. Das Eigentum an der von dem Bekl. gemieteten Wohnung verblieb bei der GmbH. In der Folgezeit ordnete das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung an. Mit Beschluß vom 23. 4. 1990 erteilte es dem Kl. den Zuschlag. Dieser kündigte mit Schreiben vom 24. 4. 1990 das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31. 7. 1990. Er machte geltend, seine Mutter, die bereits in vorgerücktem Alter sei und weit außerhalb M. wohne, wolle in die Räume einziehen. Der Bekl. räumte die Wohnung nicht. Der Kl. hat Räumungsklage erhoben und den Eigenbedarf ergänzend auch darauf gestützt, daß auch sein 21jähriger Sohn in die Wohnung ziehen und dort mit der Großmutter einen gemeinsamen Haushalt führen wolle.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Kl. Berufung eingelegt. Das LG hat beschlossen, einen Rechtsentscheid zu folgender Frage einzuholen: „Ist der Erwerb von Wohnungseigentum in der Zwangsversteigerung ein Erwerb aufgrund von 'Veräußerung' i. S. des § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB?"

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

II. a) Die vorgelegte Rechtsfrage ist einem Rechtsentscheid zugänglich, da sie den Bestand eines Mietvertragsverhältnisses über Wohnraum betrifft.

b) Die Rechtsfrage ist auch entscheidungserheblich. Dabei ist maßgebend, welche Rechtsauffassung das LG in dem Vorlagebeschluß vertritt sowie welche Tatsachenfeststellung und -würdigung es zugrunde legt, es sei denn diese wären unhaltbar (BayObLGZ 1987, 36 (38) = NJW 1987, 1950, st. Rspr.).

aa) Das LG möchte die Kündigungsvorschrift des § 564b BGB anwenden, obwohl die Kündigung auf das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG gestützt ist. Dies entspricht der inzwischen herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. BGHZ 84, 90 (100) = NJW 1982, 1696 = LM § 242 (Cd) BGB Nr. 240; Schmidt=Futterer-Blank, WohnraumschutzG, 6. Aufl., Rdnr. B 577, jeweils m. w. Nachw.).

bb) Das LG hält die Kündigung des Kl. für formell wirksam und hinsichtlich des Eigenbedarfs für schlüssig. Auch gegen diese Beurteilung bestehen unter Berücksichtigung der dem Senat gesetzten Grenzen der Überprüfung keine Bedenken; sie ist jedenfalls vertretbar.

cc) Ferner liegt nach Auffassung des LG in der Begründung des Wohnungseigentums an der fraglichen Wohnung in der Hand der bisherigen Grundstückseigentümerin keine Veräußerung i. S. von § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB. Auch dies entspricht der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. BayObLGZ 1981, 343 (345 f.) = NJW 1982, 451; KG, RES § 564b KGB Nr. 38; Börstinghaus, WuM 1991, 419 (420)).

c) Die vorgelegte Rechtsfrage war, soweit ersichtlich, bisher nicht Gegenstand eines Rechtsentscheids. Die Entscheidung des BGH vom 21. 4. 1982 (BGHZ 84, 90 = NJW 1982, 1696 = LM § 242 (Cd) BGB Nr. 240) betrifft lediglich die Frage, ob § 564b BGB allgemein auch auf eine Kündigung nach § 57a ZVG anzuwenden ist.

Die Rechtsfrage ist angesichts der großen Zahl von vermieteten Wohnungen, an denen in den letzten Jahren Wohnungseigentum begründet worden ist, von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist bisher noch nicht durch eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung geklärt (vgl. zu diesen Voraussetzungen BayObLGZ 1988, 109 (114) = NJW 1988, 1796 m. w. Nachw.).

3. Die vorgelegte Rechtsfrage wird wie aus dem Entscheidungssatz ersichtlich beantwortet. Dieser entspricht nicht wörtlich der Fragestellung des LG. Nach allgemeiner Meinung kann die Vorlagefrage berichtigt, ergänzt oder sonst neu gefaßt werden, wenn dies dem zuständigen Gericht zweckmäßig erscheint und die Frage in ihrem rechtlichen Kern nicht verändert wird (BayObLGZ 1989, 406 (409) = NJW-RR 1990, 17 m. w. Nachw.).

a) Ist an vermietetem Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich der Erwerber bei einer Kündigung des Mietverhältnisses nicht vor Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung an ihn auf Eigenbedarf berufen (§ 564b II Nr. 2 S. 2 BGB). Diese Regelung geht zurück auf einen Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (vgl. den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses BT-Dr VI/2421, S. 3 und 10). Sie wurde erstmals in Art. 1 § 1 II Nr. 2 1. WKSchG vom 25. 11. 1971 (BGBl I, 1839) aufgenommen und durch Art. 1 Nr. 1 2. WKSchG vom 18. 12. 1974 (BGBl I, 3603) unverändert in das BGB übernommen. Nach den Gesetzesmaterialien (Bericht des Rechtsausschusses BT-Dr VI/2421, S. 3) sollte dadurch der Rechtsprechung zu § 4 MieterschutzG, die bei Erwerb von Wohneigentum bei Eigenbedarf des Erwerbers eine „Wartefrist“ vorsah, für die Fälle der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen eine besondere gesetzliche Ausgestaltung zuteil werden. Denn gerade der Erwerb solcher umgewandelter Eigentumswohnungen erfolge regelmäßig zur Befriedigung eigenen Wohnbedarfs, der erstrebte Bestandsschutz des Mieters sei hier besonders gefährdet.

Ziel der Vorschrift ist daher in erster Linie ein verbesserter Schutz des Mieters gegen die erhöhte Gefahr der Eigenbedarfskündigung. Für den Mieter einer Wohnung in einem herkömmlichen Mietshaus spielt die Gefahr einer Eigenbedarfskündigung in aller Regel eine untergeordnete Rolle. Demgegenüber ist das Mietverhältnis durch eine Umwandlung mit nachfolgender Veräußerung erheblich gefährdet. Die Begründung von Wohnungseigentum wird, von Ausnahmefällen abgesehen, regelmäßig zum Zweck des Verkaufs vorgenommen werden. Der Erwerber einer solchen Wohnung wird aber häufig die Befriedigung eigenen Wohnbedarfs anstreben und daher an einer Beendigung des bestehenden Mietverhältnisses interessiert sein (so zutreffend Blank, in: Festschr. f. Bärmann und Weitnauer, 1985, S. 86 (93)).

Erwünschte Nebenfolge des § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB ist allerdings auch die Eindämmung spekulativer Umwandlungen. Diese Folge gründet sich jedoch gerade auf den verbesserten Kündigungsschutz des Mieters, da durch die eingeschränkte Möglichkeit der Eigennutzung der Kreis der am Erwerb einer umgewandelten Wohnung interessierten Personen verkleinert wird (so ausdrücklich die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters bei Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen BT-Dr 11/6374, S. 5; vgl. zum Gesetzeszweck auch BayObLGZ 1981, 343 (347) = NJW 1982, 451 m. w. Nachw.).

b) Geht nach der Begründung von Wohnungseigentum an einer vermieteten Wohnung das Eigentum an der Wohnung durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung auf den Ersterwerber über, so stellt sich die Frage, ob sich der Mieter gegenüber dem Ersteher der Wohnung auf die Sperrfrist nach § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB berufen kann, unter zwei Aspekten (vgl. Blank, in: Festschr. f. Bärmann und Weitnauer, S. 101 f.):

Zum einen ist zweifelhaft, ob der Begriff der Veräußerung in § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB auch den originären Erwerb durch den Zuschlag in der Versteigerung als Hoheitsakt (§ 90 I ZVG; Zeller-Stöber, ZVG, 13. Aufl., § 90 Anm. 2.1 m. w. Nachw.) erfaßt. Diese Fragestellung gilt für alle Fälle der Zwangsversteigerung in gleicher Weise, also für die Vollstreckungsversteigerung ebenso wie für die Erbenversteigerung nach § 175 ZVG und die Teilungsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft nach § 180 ZVG.

Außerdem kommt es darauf an, ob das dem Erwerber gewährte Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG auch die in § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB liegende Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters überwinden kann. Die Beantwortung dieser Frage ist für die Fälle der Teilungsversteigerung nach § 180 ZVG ohne Bedeutung, da dort § 57a ZVG nicht gilt (§ 183 ZVG).

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Auswirkungen erscheint eine getrennte Beantwortung der beiden Fragen angezeigt.

c) Die Sperrfrist nach § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB greift nur ein, wenn das Wohnungseigentum veräußert worden ist. § 571 I BGB regelt den Fall, daß der Vermieter das vermietete Grundstück an einen Dritten veräußert. Für diese Vorschrift ist allgemein anerkannt, daß hiervon nur die freiwillige, rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung erfaßt wird (Staudinger-Emmerich, BGB, 12. Aufl. (2. Bearb.), § 571 Rdnr. 28a; Palandt-Putzo, BGB, 51. Aufl., § 571 Rdnr. 7). § 57 ZVG ordnet für den Fall der Zwangsversteigerung ausdrücklich die entsprechende Anwendung des § 571 BGB an. Hingegen ist § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB in den §§ 57 ff. ZVG nicht erwähnt. Hieraus könnte der Schluß gezogen werden, auch § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB beziehe sich nur auf die freiwillige rechtsgeschäftliche Veräußerung.

Demgegenüber vertreten Rechtsprechung und Literatur, soweit sie sich zu dieser Frage ausdrücklich äußern, die Auffassung, § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB sei auch auf den Erwerb des Wohnungseigentums in der Zwangsversteigerung anzuwenden. Dies wird zum Teil damit begründet, daß die Vorschrift eine rechtsgeschäftliche Natur der Veräußerung nicht ausdrücklich voraussetze und der Mieter in allen Fällen schutzbedürftig sei (so Staudinger-Sonnenschein, BGB, § 64b Rdnr. 78; Emmerich-Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., § 564b BGB Rdnr. 49), zum Teil damit, daß nach § 57 ZVG der Ersteigerer im Verhältnis zum Mieter grundsätzlich wie ein rechtsgeschäftlicher Erwerber zu behandeln sei und die ihm eingeräumten Privilegien in den §§ 57 ff. ZVG abschließend aufgezählt seien (so Schmidt=Futterer-Blank, WohnraumschutzG, Rdnr. B644 und Blank, in: Festschr. f. Bärmann und Weitnauer, S. 101 f.; im Ergebnis auch AG Münster, WuM 1990, 215; AG Weinheim, DWW 1989, 86).

Der Senat vertritt aus den folgenden Erwägungen die im Entscheidungssatz niedergelegte Auffassung:

aa) Der Begriff der Veräußerung wird in der Gesetzessprache nicht nur im Sinn eines rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergangs verwendet. So unterscheidet der Gesetzgeber an verschiedenen Stellen ausdrücklich zwischen rechtsgeschäftlicher Veräußerung und Veräußerung im Wege der Zwangsvollstreckung (vgl. etwa § 12 III 2 WEG; § 325 III 2 ZPO; § 2 I GrdstVG). Wird daher in einer Gesetzesvorschrift von einer Veräußerung gesprochen, so kann, soweit nicht der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung getroffen hat, jeweils nur aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift oder aus dem systematischen Zusammenhang, in dem die Vorschrift steht, erschlossen werden, welche Fälle des Eigentumsübergangs hiervon erfaßt sein sollen. So wird etwa in §§ 265 I, II, 266 I ZPO der Übergang des Eigentums an einem Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung als Veräußerung angesehen (RGZ 40, 333 (339) f.; Lüke, in: MünchKomm-ZPO, § 265 Rdnrn. 34 f. und § 266 Rdnr. 14 m. w. Nachw.). Dagegen ergibt sich etwa im Fall des § 932 I BGB schon aus der Bezugnahme auf § 929 BGB, daß die dort erwähnte Veräußerung nur den durch Rechtsgeschäft bewirkten Eigentumsübergang betreffen kann.

bb) Sinn und Zweck des § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB sprechen dafür, auch den Eigentumsübergang im Wege der Zwangsversteigerung als Veräußerung im Sinn der Vorschrift anzusehen. Die Bestimmung gründet, wie dargestellt, auf der Überlegung, daß der Mieter einer Wohnung, an der nachträglich Wohnungseigentum begründet worden ist, eines erhöhten Bestandsschutzes bedarf, wenn diese Wohnung nach der Umwandlung von einer nicht mit dem bisherigen Vermieter identischen Person erworben wird. Gegen die durch den Veräußerungsvorgang eintretende erhöhte Kündigungsgefahr soll der Mieter durch eine Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen geschützt werden. Die Gefahr entsteht jedoch in jedem Fall, in dem ein Interessent bewußt gerade die vermietete Wohnung erwirbt. Ob es sich hierbei um einen rechtsgeschäftlichen Erwerb oder einen Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung handelt, ist gleichgültig. Es entspricht daher der Zielsetzung des § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB, den Erwerb in der Zwangsversteigerung dem rechtsgeschäftlichen Erwerb gleichzustellen.

Eine solche Auslegung vermeidet auch dem Schutzzweck der Vorschrift widersprechende Folgen für die Fälle der Teilungsversteigerung. Denn ließe man § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB nur nach einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung eingreifen, so bliebe der Mieter nach einer Teilungsversteigerung der Eigenbedarfskündigung des Erstehers ausgesetzt, ohne daß, anders als möglicherweise bei der Vollstreckungsversteigerung (vgl. § 57a ZVG), hierfür ein anerkennenswertes Interesse bestünde. Der Eigentümer hätte es in der Hand, nach einer Umwandlung die Sperrfrist mit Hilfe der Teilungsversteigerung zu unterlaufen.

cc) Der Zusammenhang zwischen § 571 I BGB und § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB zwingt nicht zu der Annahme, daß in beiden Fällen der Begriff der Veräußerung einheitlich verwendet wird. Rechtssystematisch setzt § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB zwar den Übergang des Mietverhältnisses auf den Erwerber voraus. Ob jedoch dieser Übergang auf der unmittelbaren Anwendung des § 571 I BGB oder auf dessen entsprechender Anwendung über § 57 ZVG beruht, ist ohne Belang.

dd) Schließlich macht auch die Systematik der §§ 57 ff. ZVG deutlich, daß der Ersteher grundsätzlich wie ein rechtsgeschäftlicher Erwerber zu behandeln ist (§ 57 S. 1 ZVG i. V. mit § 571 I BGB), soweit er nicht durch die §§ 57a bisd ZVG privilegiert wird (so insbesondere Blank, in: Festschr. f. Bärmann und Weitnauer, S. 102).

d) § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB schränkt, zumal in Gebieten, in denen die Sperrfrist durch Rechtsverordnung der Landesregierung auf fünf Jahre verlängert ist (§ 564b II Nr. 2 S. 3, 4 BGB), das Recht des Vermieters, das Mietverhältnis wegen Eigenbedarf zu beenden, ganz erheblich ein. Diese Kündigungsbeschränkung beeinträchtigt auch den Verkehrswert des Wohnungseigentums. Demgegenüber gewährt § 57a S. 1 ZVG dem Ersteher im Interesse der Erhöhung des Wertes des zu versteigernden Grundstückes (Zeller-Stöber, ZVG, § 57a Anm. 2.2) ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht.

Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur setzt sich dieses Sonderkündigungsrecht auch gegenüber der Sperrfrist nach § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB durch (AG Weinheim, DWW 1989, 86; Schmidt=Futterer-Blank, WohnraumschutzG, Rdnr. B644 sowie ausführlicher Blank, in: Festschr. f. Bärmann und Weitnauer, S. 101 f.; Barthelmess, WKSchG/MHRG, 4. Aufl., § 564b Rdnr. 84; Sternel, MietR aktuell 1991 Rdnr. 475; Börstinghaus, WuM 1991, 419 (420)). Die in der Literatur für die Gegenmeinung aufgeführten Stimmen (AG Münster, WuM 1990, 215; Staudinger-Sonnenschein, BGB, § 564b Rdnr. 78; Emmerich-Sonnenschein, Miete, § 564b BGB Rdnr. 49) beziehen sich lediglich darauf, ob auch der Eigentumsübergang in der Zwangsversteigerung als Veräußerung i. S. des § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB angesehen werden kann.

Das vorlegende Gericht verneint hingegen den Vorrang des § 57a ZVG. Dem schließt sich der Senat aus folgenden Gründen an:

aa) Nach § 57a S. 1 ZVG ist der Ersteher berechtigt, jedes Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Die Vorschrift gibt somit zum einen dem Ersteher die Befugnis zur Kündigung, auch wenn der bisherige Eigentümer als Vermieter (an dessen Stelle der Ersteher tritt, § 571 I BGB i. V. mit § 57 ZVG) zu einer solchen Kündigung nicht berechtigt war. Zum anderen legt die Vorschrift fest, welche Kündigungsfrist bei Ausübung des Sonderkündigungsrechts zu beachten ist.

Das Verhältnis zwischen § 57a S. 1 ZVG und § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB betrifft nach Auffassung des Senats die Frage der Kündigungsbefugnis. § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB normiert nach allgemeiner Auffassung nicht eine bestimmte Kündigungsfrist, sondern schließt für die in der Vorschrift genannte Zeit das Kündigungsrecht des Vermieters wegen Eigenbedarfs generell aus. Eine dennoch ausgesprochene Kündigung ist unwirksam und kann, anders als eine an sich zulässige, aber mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung, auch nicht als Kündigung zum nächstzulässigen Termin behandelt werden (OLG Hamm, RES § 564b BGB Nr. 3). Die Vorschrift betrifft also nicht die bei einer Kündigung einzuhaltende Frist, sondern allgemein die Zulässigkeit der Eigenbedarfskündigung.

Soweit das Bestehen eines Kündigungsrechts in Frage steht, ist in Rechtsprechung und Literatur inzwischen fast unumstritten, daß das Sonderkündigungsrecht nach § 57a S. 1 ZVG unter dem Vorbehalt der Gesetzgebung zum Kündigungsschutz des Mieters steht. Dies gilt sowohl für die Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 564b BGB wie auch für die Sozialklausel des § 556a BGB (BGHZ 84, 90 (100 f.) = NJW 1982, 1496 = LM § 242 (Cd) BGB Nr. 240; Schmidt=Futterer-Blank, WohnraumschutzG, Rdnr. B577; Zeller-Stöber, ZVG, § 57a Anm. 6.4, jeweils m. w. Nachw.; anders früher für das 1. WKSchG OLG Oldenburg, NJW 1973, 1841 und jetzt noch bezüglich der Anwendbarkeit des § 556a BGB Steiner-Teufel, ZVG, 9. Aufl., §§ 57 bis 57d Rdnr. 47) und entspricht einer seit langem bestehenden Rechtsauffassung zum Verhältnis des § 57a S. 1 ZVG zur Mieterschutzgesetzgebung (vgl. Witthinrich, Rpfleger 1987, 98 m. w. Nachw.). Die dargestellte dogmatische Einordnung des § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB legt es nahe, den generellen Vorrang der Mieterschutzgesetzgebung gegenüber dem Sonderkündigungsrecht des § 57a S. 1 ZVG auch auf diese Vorschrift zu erstrecken.

Dem steht auch nicht entgegen, daß § 57a S. 1 ZVG die Kündigung mit gesetzlicher Frist zuläßt. Denn die hierbei unter Umständen eintretende Abkürzung der sonst bei einer ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses über Wohnraum zu beachtenden Frist ergibt sich aus der ausdrücklichen Regelung in § 565 V BGB, wonach bei Kündigungen mit gesetzlicher Frist die Verlängerung der Kündigungsfrist nach § 565 II 2 BGB außer Betracht bleibt. § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB regelt jedoch wie dargelegt nicht die Kündigungsfrist, sondern die Zulässigkeit der Eigenbedarfskündigung allgemein.

bb) Eine andere Auslegung ist auch durch den Schutzzweck des § 57a ZVG nicht geboten. Diese Vorschrift weicht zwar bewußt im Interesse des Erstehers von dem über § 57 ZVG anwendbaren Grundsatz des § 571 I BGB ab, indem sie es dem Ersteher gestattet, das vorhandene Mietverhältnis ohne Berücksichtigung evtl. vertraglich vereinbarter Fristen vorzeitig zu kündigen (Zeller-Stöber, ZVG, § 57 Anm. 3.1). Nach verbreiteter Auffassung erschöpft sich aber der Schutzzweck der Vorschrift in der Gewährung eines derartigen zeitlichen Vorteils (BGHZ 84, 90 (100 f.) = NJW 1982, 1696 = LM § 242 (Cd) BGB Nr. 240; Witthinrich, Rpfleger 1987, 98). Dann jedoch ist die Einschränkung der Sperrfrist des § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB, die nicht auf vertraglicher Vereinbarung, sondern auf gesetzlicher Vorschrift beruht, durch die Zielsetzung des § 57a ZVG nicht geboten. Zu diesem Ergebnis führt auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen für die Gläubiger des Grundstückseigentümers. Durch die Begründung von Wohnungseigentum an den einzelnen Wohnungen erfährt das den Gläubigern als Vollstreckungsobjekt zur Verfügung stehende Grundstück in aller Regel ohnehin einen ganz erheblichen Wertzuwachs. Denn die Möglichkeit, die Wohnungen einzeln zu veräußern, gestattet es üblicherweise, einen wesentlich höheren Gesamterlös zu erzielen als dies bei einer Veräußerung des ungeteilten Objektes der Fall wäre. Nicht zuletzt dieser Umstand hat, entgegen manchen Erwartungen (vgl. Löwe, NJW 1972, 2017 (2018)), in der Vergangenheit zu einer lebhaften Umwandlungstätigkeit geführt (vgl. etwa die Angaben in der Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters bei Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen BT-Dr 11/6374, S. 5). Unter diesen Umständen besteht kein Anlaß, die Gläubiger in der Zwangsversteigerung nochmals dadurch zu begünstigen, daß aus Gründen der besseren Verwertung dem Mieter der Schutz abgesprochen wird, den ihm der Gesetzgeber gegen die Folgen der (die Vermögensmehrung veranlassenden) Umwandlung gewähren will.

cc) Die Anwendung des § 564b II Nr. 2 S. 2 BGB auf den Fall der Zwangsversteigerung führt auch nicht zu unüberwindbaren praktischen Schwierigkeiten. Insbesondere läßt sich der Zeitpunkt, zu dem das Mietverhältnis nach § 57a ZVG gekündigt werden kann, auch unter Berücksichtigung der Sperrfrist ohne Schwierigkeiten ermitteln. Nach § 57a S. 2 ZVG hat die Kündigung für den ersten Termin zu erfolgen, für den sie zulässig ist. Maßgebender Kündigungstermin ist damit der Termin, zu dem das Mietverhältnis erstmals nach dem Ende der Sperrfrist unter Beachtung der gesetzlichen Frist (§ 565 II 1, V BGB) gekündigt werden kann.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB § 564b II Nr. 2 S. 2; ZVG § 57a