Kein Beseitigungsanspruch von grenznahen Lebensbäumen bei Versäumnis einer Klage

Gericht

LG Köln


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

18. 09. 2002


Aktenzeichen

10 S 111/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Auch wenn die nordrheinwestfälischen Pflanzabstände unterschritten sind, hat der Nachbar keinen Beseitigungsanspruch, wenn zwischen dem Anpflanzen und dem Einreichen der Klage mehr als sechs Jahre verstrichen sind.

  2. Für einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB ist der Nachbar in vollem Umfang beweispflichtig.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 08.03.2002 verkündete Schlussurteil des Amtsgerichts Köln - 118 C 362/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern zu je 1/2 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß den §§ 313 a Abs. 1 S. 1, 525 S. 1, 542 Abs. 1, 543, 544 Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sowie form- und fristgerecht begründete Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht mit seinem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen, mit der die Kläger Beseitigung von vier - näher bezeichneten - Lebensbäumen verlangen, die auf dem Grundstück der Beklagten nahe der Grenze zum Grundstück der Kläger stehen. Den Klägern steht der von ihnen geltend gemachte Beseitigungsanspruch nicht zu, und zwar weder deshalb, weil die nach dem Nachbarrechtsgesetz NW maßgeblichen Grenzabstände unterschritten sind, noch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Störungsbeseitigungsanspruchs gemäß den §§ 1004 Abs. 1 S. 1, 823 Abs. 1 BGB.

Im Einzelnen gilt - zusammengefasst - Folgendes:

Was die Grenzabstände nach dem Nachbarrechtsgesetz NW angeht, legt die Kammer zugunsten der Kläger zugrunde, dass die vier streitgegenständlichen Lebensbäume dichter zur Grenze stehen, als in § 41 Abs. 1 Nr. 1, bzw. Nr. 2 Nachbarrechtsgesetz NW vorgeschrieben. Näherer Ausführungen hierzu bedarf es indes nicht, weil - wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt - ein aus der Unterschreitung der Grenzabstände möglicherweise resultierender Beseitigungsanspruch gemäß § 47 Nachbarrechtsgesetz NW ausgeschlossen ist. Zwischen der Anpflanzung der Lebensbäume im März/April 1992 und der Einreichung der Klage im Juli 1998, bzw. der Zustellung im August 1998, sind mehr als sechs Jahre verstrichen. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht, ohne dass hieran vernünftige Zweifel verblieben wären, fest, dass die vier Lebensbäume - wie die Beklagten behaupten - im März/April 1992 an ihre derzeitigen Standorte gepflanzt wurden.

Dass die Lebensbäume - spätestens - im März/April 1992 gepflanzt wurden, ergibt sich zu sicheren Überzeugung der Kammer aufgrund der unmittelbar einleuchtend begründeten Jahrringanalyse durch den Sachverständigen Dr. Lesnino. Der Sachverständige hat - mit Deutlichkeit - festgestellt, dass der Baum "Y", von dem die beiden durch ihn untersuchten Proben stammen, vor der Vegetationsperiode 1992, also spätestens im Frühjahr 1992, gepflanzt wurde. Die vorgenannte Feststellung des Sachverständigen erscheint nach dem Gesamtgehalt seiner Begutachtung aus Sicht der Kammer zwingend. Die Kläger sind ihr denn auch - bezeichnenderweise - nicht entgegengetreten.

Soweit die Kläger allerdings gegenüber dem vorgenannten Ergebnis der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. Lesnino die Möglichkeit angesprochen haben, die Lebensbäume könnten im Jahre 1996 erneut - jetzt an ihre nunmehrigen Standorte - verpflanzt worden sein, so hat der Sachverständige diese Möglichkeit sicher ausgeschlossen. Eine Umpflanzung im Jahre 1996 hätte nämlich aufgrund des mit ihr notwendig verbundenen sogenannten Pflanzschocks einen ausgeprägteren Rückgang der Jahresringbreite in diesem Jahr verursachen müssen, als er tatsächlich vorliegt. Die Richtigkeit der letztzitierten Feststellung des Sachverständigen ergibt sich unmittelbar einleuchtend aus dem von ihm erarbeiteten Jahrringdiagramm (Bl. 6 seines Gutachtens vom 26.05.2001). Schließlich steht aufgrund der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. Lesnino auch fest, dass die ihm vom Sachverständigen Becker zur Untersuchung überlassenen Proben für eine Jahrringanalyse tauglich waren.

Bei alledem haben sich für die Kammer keine Ansatzpunkte für Zweifel daran ergeben, dass der Sachverständige Dr. Lesnino, dessen Kompetenz im Übrigen von den Klägern auch nicht in Zweifel gezogen worden ist, die Jahrringanalyse korrekt, entsprechend den hierfür gültigen wissenschaftlichen Grundsätzen, durchgeführt hat und dass die von ihm gefundenen Ergebnisse zutreffen. Ansatzpunkte für Zweifel haben die Kläger - konkret bezogen auf den Inhalt der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. Lesnino - ebenfalls nicht aufgezeigt.

Soweit sich die Kläger dennoch bemühen, das vorerörterte - klare - Beweisergebnis mit der Begründung in Zweifel zu ziehen, für eine letztlich sichere Aussage zum Alter der Pflanzung sei - zusätzlich zur Jahrringanalyse - eine Wurzeluntersuchung erforderlich, geht dies fehl. Dasselbe gilt für die Argumentation der Kläger, wonach das vom Sachverständigen Becker am 23.11.1999 gefertigte Foto der Bewurzelung des am Garagenende stehenden Lebensbaumes einen freigelegten vollständig erhaltenen Wurzelballen zeige, was wiederum ausschließe, dass dieser Baum bereits im Jahre 1992 gepflanzt worden sei. Der grundsätzliche Erkenntniswert einer Wurzeluntersuchung ist, was die Genauigkeit des Zeitpunkts der Anpflanzung betrifft, der Jahrringanalyse methodisch zwangsläufig unterlegen. Dies haben die Sachverständigen Becker und Dr. Lesnino übereinstimmend und überzeugend bestätigt. Gerade deshalb hat das Amtsgericht zusätzlich zu der Untersuchung durch den Sachverständigen Becker den Sachverständigen Dr. Lesnino mit der - oben erörterten - Jahrringanalyse beauftragt. Im Übrigen hat der Sachverständige Dr. Lesnino auch plausibel und überzeugend begründet, warum eine Wurzeluntersuchung zum nunmehrigen Zeitpunkt - sei es im Jahre 2001, sei es im Jahre 2002 - keine verwertbaren Ergebnisse mehr erbringen kann. Eine Wurzeluntersuchung müsste sich demgemäß zwingend allein auf das vorgenannte Foto gründen. Auf diesem Foto ist aber - wie die Kammer in eigener Sachkunde beurteilen kann - gerade kein Wurzelballen, erst recht kein vollständiger Wurzelballen zu sehen, sondern vielmehr lediglich eine scharfkantig vorgenommene halbrunde Abgrabung. Hierzu passt zwanglos, dass der Sachverständige Becker zur Aussagekraft der von ihm am 23.11.1999 gefertigten Fotos erklärt hat, er "tendiere" nach den Fotos mehr zu einem Pflanzzeitpunkt 1996, als 1992; sicheren Aufschluss über den genauen Pflanzzeitpunkt könne allein eine Jahrringanalyse erbringen.

Den Klägern steht auch kein Beseitigungsanspruch wegen Störung ihres Eigentums (§§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB) zu.

Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass das über die Grenze hinauswachsende Wurzelwerk der Lebensbäume das klägerische Grundstück beeinträchtigt oder dass eine solche Beeinträchtigung - zumindest - konkret droht. Hierfür hat die in erster Instanz durchgeführte - auch bausachverständige - Beweisaufnahme indes nichts ergeben. Dem sind die Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr ernstlich entgegengetreten; ihr ganz allgemein auf die mögliche Größe und Bewurzelung von Lebensbäumen der hier fraglichen Art bezogener Vortrag ist unbeachtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.022,58 €


Vors. Richter am Landgericht
Eggeling
ist in den Ruhestand versetzt worden und deshalb gehindert, zu unterschreiben.

Beitzel

Juffern

Vorinstanzen

AG Köln, 118 C 362/98

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht