Flächenmaßstab für Verteilung der verbrauchsabhängigen Nebenkosten

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Rechtsentscheid


Datum

27. 09. 1983


Aktenzeichen

4 REMiet 14/82


Leitsatz des Gerichts

Haben die Parteien eines Wohnungsmietvertrages einen Verteilungsmaßstab für die vom Mieter zu tragenden verbrauchsabhängigen Nebenkosten (Wasser, Entwässerung, Müll) nicht vereinbart, so ist die Verteilung dieser Nebenkosten durch den Vermieter unter die Mietparteien nach dem Flächenmaßstab, d. h. nach dem Verhältnis der verschiedenen Wohnungsflächengröße nicht schlechthin in jedem Falle unbillig i. S. der §§ 315, 316 BGB und deshalb unverbindlich. Die Beurteilung der Unbilligkeit ist vielmehr Sache der Prüfung des Einzelfalles.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Das LG hat dem OLG die folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt: „Hat bei einem Wohnungsmietverhältnis, in dem vertraglich kein Umlegungsmaßstab für die Verteilung von verbrauchsabhängigen Nebenkosten, nämlich Wasserverbrauch, Kanalgebühren und Müllabfuhr, vereinbart ist, der Vermieter sein einseitiges Bestimmungsrecht nach den §§ 315, 316 BGB sachgerecht und damit wirksam ausgeübt, wenn er gegenüber dem Mieter in der Nebenkostenabrechnung die genannten verbrauchsabhängigen Nebenkosten anteilig nach den jeweiligen Wohnungsgrößen der Mieter desselben Hauses umlegt?” Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kl. verlangt von den Bekl., seinen früheren Mietern, die Bezahlung von Nebenkosten für das Jahr 1977 gemäß seiner berichtigten Nebenkostenabrechnung vom 20. 10. 1981 nach Abzug geleisteter Vorauszahlungen von 360 DM in Höhe von nunmehr 769,52 DM. Die Kosten für Wasser (220,46 DM), Kanalisation (116,73 DM) und Müllabfuhr (139,99 DM) sind nach dem Flächenanteil der Wohnung an der gesamten Wohnfläche des 38 Parteien-Wohnhauses ermittelt worden. Der Mietvertrag enthält insoweit keine Vereinbarung über den anzuwendenden Aufteilungsschlüssel. Die frühere Abrechnung vom 30. 8. 1978 wies hinsichtlich der genannten Positionen keine abweichenden Werte auf. Die Bekl. wandten sich gegen die Verteilung nach dem Flächenmaßstab mit der Begründung, die verbrauchsabhängigen Nebenkosten seien sachgerecht nur nach der Zahl der im Hause wohnenden Personen aufzuteilen.

Das AG hat die Bekl. antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Auf Vorlage des LG hat das OLG wie aus dem Leitsatz ersichtlich entschieden.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

... III ... Haben Mietvertragsparteien einen Verteilungsmaßstab nicht in anderer Weise vereinbart, hat der Vermieter gem. § 316 BGB ein einseitiges Bestimmungsrecht zur Festlegung des Verteilungsschlüssels, allerdings mit der sich aus § 315 I BGB ergebenden Einschränkung, daß der gewählte Maßstab billigem Ermessen zu entsprechen hat. Von dieser gesetzlichen Grundlage für die Verteilung von Nebenkosten der genannten Art im Fall fehlender vertraglicher Vereinbarung über den Maßstab geht auch die Vorlagefrage aus. Sie ist, soweit ersichtlich, in Literatur und Rechtsprechung unstreitig (Sternel, MietR, 2. Aufl., II Rdnr. 68, III Rdnr. 287 mit Rechtssprechungsnachw.; Schmidt=Futterer, WohnraumschutzG, 4. Aufl., C 3). Voraussetzung ist allerdings eine vertragliche Übereinkunft zwischen den Mietvertragsparteien, daß der Mieter die Nebenkosten zusätzlich zum Mietzins zu tragen hat. Nur in diesem Fall stellt sich die Frage nach dem Verteilungsschlüssel. Sie ergibt sich ferner auch dann nicht, wenn die Nebenkosten bereits durch Meßeinrichtungen für jeden Mieter gesondert erfaßt wurden, was aber hier nicht der Fall ist.

Das Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen läßt begriffsnotwendig nicht nur eine einzig mögliche Entscheidung zu, sondern gewährt die Wahl unter den Möglichkeiten eines bis an die Grenzen der Billigkeit reichenden Ermessenspielraums (Soergel-Schmidt, BGB, 10. Aufl., § 315 Anm. 6). Das Ermessen gewährt also grundsätzlich die Wahlfreiheit zwischen mehreren Größen innerhalb des Ermessensrahmens (Neumann=Duesberg, JZ 1952, 706). Hält die Parteibestimmung sich im Ermessensrahmen und weist sie keine Ermessensfehler auf, so ist sie gem. § 315 III 1 BGB verbindlich. Das Gericht ist daran gebunden. Es darf sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle des Parteiermessens setzen (Neumann=Duesberg, JZ 1952, 705).

Auf den Fall des Verteilungsschlüssels für die genannten Nebenkosten angewandt, ergibt sich, daß neben dem Personenschlüssel (Verteilung nach Maßgabe der in den verschiedenen Mietwohnungen jeweils lebenden Personen), der von dem vorlegenden LG als allein anwendbar angesehen wird, auch der Flächenmaßstab möglich ist, zumindest nicht generell auszuschließen ist, es sei denn, dieser widerspräche in jedem Fall und unter allen Umständen immer billigem Ermessen. Dies kann jedoch in dieser Ausschließlichkeit nicht festgestellt werden und wird auch, soweit ersichtlich, in Literatur und Rechtsprechung nicht in dieser Weise vertreten. Zwar tritt Kox (ZMR 1980, 292; 1981, 163) für die alleinige Anwendung des Personenschlüssels ein, seinen Ausführungen läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß er das dem Vermieter zustehende Ermessen gem. §§ 315 und 316 BGB berücksichtigt hat und unter diesen Voraussetzungen nicht auch den Flächenmaßstab für geeignet hält. Nach Sternel (II Rdnr. 68) soll die Bestimmung „sachgerecht, d. h. möglichst am Verbrauch orientiert und für alle Mieter gleich sein”. Billiges Ermessen hat sich nach objektiven Kriterien zu richten (Staudinger, BGB, 11. Aufl. § 315 Rdnr. 6). Diesen Anforderungen genügt der Flächenmaßstab. Er knüpft nicht an eine willkürliche Größe an, die keinen Bezug zum Verbrauch hätte und bereits deshalb zu verwerfen wäre. Dem Flächenmaßstab liegt die Erwägung zugrunde, daß die Wohnungsgrößen in der Regel in einem bestimmten, also untereinander vergleichbaren Verhältnis zu der Anzahl der in den Wohnungen lebenden Personen stehen und es damit auch gestatten, den Verbrauch an Wasser sowie den Anfall von Hausmüll in den einzelnen Wohnungen rechnerisch zueinander in ein Verhältnis zu setzen. Diese Annahme ist nicht sachfremd, sondern entspricht jedenfalls in groben Zügen der Lebenswirklichkeit. Wenn gleichwohl in zahlreichen Fällen dieses Verhältnis nicht zutreffen sollte, etwa weniger Personen eine größere Fläche bewohnen oder umgekehrt zahlreiche Personen eine geringere Anzahl von Quadratmetern, so wird hierdurch die Anwendbarkeit des Flächenmaßstabs nicht generell ausgeschlossen oder in Frage gestellt. Vielmehr ist dann im Einzelfall zu entscheiden, ob bei erheblichen Abweichungen der Flächenmaßstab noch anwendbar ist. Generelle Feststellungen hierzu lassen sich jedoch nicht treffen. So ist es denkbar, daß es bei Wohngebäuden mit wenigen Wohneinheiten eher möglich ist, besondere Konstellationen im Verhältnis von Personenzahl zur Flächengröße zu berücksichtigen als in größeren Wohngebäuden mit zahlreichen Mietparteien.

Gegen die Anwendbarkeit des Flächenmaßstabs kann nicht eingewendet werden, der Personenschlüssel sei ihm grundsätzlich überlegen, da er in jedem Fall der besser geeignete Maßstab sei, den individuellen Verbrauch zu erfassen. Zwar wird bei dem Personenschlüssel auf den Faktor abgestellt, der den Verbrauch unmittelbar beeinflußt, nämlich die Anzahl der als Verbraucher in Betracht kommenden Personen. Dem steht jedoch entgegen, daß sich diese Bezugsgröße durch Veränderungen in der Anzahl der dauerhaft in einer Wohnung wohnenden Personen innerhalb des Abrechnungszeitraums derart verändern kann, daß es hierdurch zu Verfälschungen des Ergebnisses kommt, die einer sachgerechten Zuordnung der Nebenkosten zuwiderlaufen. Dieses Unsicherheitsmoment entfällt bei dem Flächenmaßstab, da sich bei ihm der Bezugspunkt, nämlich die Wohnungsgröße, nicht verändert. Insofern bietet er also die größere Beständigkeit und dient damit der Rechtssicherheit bei der Kostenaufteilung.

Immerhin hat, wie noch angemerkt sei, auch der Gesetzgeber den Flächenmaßstab für den Bereich des preisgebundenen Wohnraums hinsichtlich der Kosten für Wasser und Entwässerung durchaus für anwendbar gehalten. Gem. § 21 II Neubaumieten-VO dürfen nämlich die Kosten der Wasserversorgung nach dem Verhältnis der Wohnflächen oder nach einem Maßstab, der dem unterschiedlichen Wasserverbrauch der Wohnparteien Rechnung trägt, umgelegt werden. Entsprechendes gilt für die Entwässerung gem. § 21 II Neubaumieten-VO.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 315, 316