Beweislast für Schadensursachen in Mietwohnung

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Rechtsentscheid


Datum

09. 08. 1984


Aktenzeichen

3 REMiet 6/84


Leitsatz des Gerichts

Ist an der Mietwohnung ein Schaden eingetreten, der nicht allein durch die normale vertragsgemäße Abnutzung entstehen kann, trifft den Mieter die Beweislast, daß die Verschlechterung der Mietsache nicht von ihm verursacht und verschuldet worden ist, wenn nur eine Herkunft der Schadensursache aus dem seiner unmittelbaren Einflußnahme, Herrschaft und Obhut unterliegenden Bereich in Betracht kommt.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten im Rahmen eines Schadensersatzprozesses darüber, wer die Beweislast für die Ursachen eines Wasserschadens an der von der Kl. dem Bekl. vermieteten Wohnung trägt. Der zwischen ihnen geschlossene Mietvertrag legt dem Mieter auf, zu beweisen, daß ein Verschulden seinerseits bei der Entstehung von Schäden an der Mietwohnung nicht vorliegt, andernfalls sei er schadensersatzpflichtig. Nachdem das AG die Klage abgewiesen hatte, weil die Kl. ein Verschulden des Bekl. nicht beweisen konnte, hat das BerGer. eine Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt, die das OLG wie aus dem Leitsatz ersichtlich beantwortet hat.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

...

II. Die Vorlage ist zulässig.

Allerdings stellt sich die vorgelegte Rechtsfrage nicht ausschließlich im Wohnraummietrecht, sondern ebenso bei der Miete von Geschäftsräumen und beweglichen Sachen. Entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung, die den Rechtsentscheid auf speziell wohnraummietrechtliche Fragen begrenzen will (Landfermann, RES, II 2; Voelskow, in: MünchKomm, Vorb. § 535 Rdnr. 109), steht dieser Umstand der Zulässigkeit der Vorlage nicht entgegen. Der Wortlaut von Art. III Abs.1 des MietRÄndG ist weit gefaßt; denn er bezieht die Vorlagepflicht allgemein auf Rechtsfragen, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergeben. Nur eine Auslegung, die alle speziell mietrechtlichen Fragen, die bei Vermietung einer Wohnung von Bedeutung sein können, der Vorlagepflicht unterstellt, wird dem Sinn und Zweck des Rechtsentscheids in der durch das Gesetz vom 5. 6. 1980 (BGBl 1980 I, 657) geschaffenen Form gerecht (OLG Hamm, RES, § 536 BGB Nr. 2; Schmidt-Futterer-Blank, WKSchG, 5. Aufl., G 7; Sonnenschein, NJW 1982, 1249). Der Rechtsentscheid ist gerade dazu geschaffen worden, um die Rechtseinheit auf dem Gebiet des Wohnraummietrechts wiederherzustellen, die bis dahin in der Praxis wegen des beim LG endenden Rechtsmittelzuges in erheblichem Umfang nicht mehr gewährleistet war. Hinsichtlich der allgemeinen mietrechtlichen Fragen auf die Möglichkeit eines Urteils durch den BGH zu verweisen, geht, abgesehen davon, daß insoweit vollkommen ungewiß ist, wann die einzelne Frage jemals dort zur Beantwortung vorliegen wird, schon deshalb nicht an, weil jenen Urteilen gerade die den Rechtsentscheiden eigentümliche allgemeine Bindungswirkung fehlt, somit eine unterschiedliche Rechtsprechung auf landgerichtlicher Ebene dadurch nicht mit hinreichender Sicherheit verhindert werden kann. Ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Rechtsprechung besteht aber wegen der oftmals großen persönlichen Tragweite für die von den Entscheidungen betroffenen Parteien im gesamten Wohnraummietrecht und nicht lediglich hinsichtlich solcher Rechtsfragen, die bei Vermietung von Geschäftsräumen oder beweglichen Sachen nicht auftreten können. Eine in der vom Senat vertretenen Weise praktizierte Anwendung des Rechtsentscheidverfahrens kann auch nicht zu unerwünschten Differenzen zwischen der Rechtsprechung des BGH und derjenigen der OLGe führen; denn das OLG ist auch dann zur Vorlage an den BGH nach Art. III 1 S. 3 des 3. MietRÄndG verpflichtet, wenn es die Rechtsfrage abweichend von einem dort ergangenen Urteil beantworten will (BGH, NJW 1984, 1615 = WuM 1984, 119). Die Einbeziehung der allgemein-mietrechtlichen Vorschriften in das Rechtsentscheidverfahren ist schließlich auch deshalb gerechtfertigt, weil sich bei Anwendung dieser Bestimmungen im Bereich des Wohnraummietrechts nicht selten besondere Interessenabwägungsfragen stellen, auf die einzugehen im sonstigen Mietrecht keine Veranlassung besteht. Auf der anderen Seite folgt aus der Beschränkung des Rechtsentscheids auf das Wohnraummietrecht, daß dieser, soweit er zu Vorschriften des allgemeinen Mietrechts ergeht, sich immer inhaltlich auf die Anwendung im Wohnraummietrecht zu beschränken hat ...

III. 1. Gem. § 548 BGB hat der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen der gemieteten Sache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, nicht zu vertreten. Daraus folgert eine im Schrifttum und teilweise auch in der Rechtsprechung vertretene Ansicht die umfassende Beweislast des Mieters dafür, daß eine während der Mietzeit eingetretene Verschlechterung der Mietsache nur auf vertragsgemäßen Gebrauch zurückzuführen ist (Palandt-Putzo, BGB, 43. Aufl., § 548 Anm. 1c; RGRK, 12. Aufl., § 549 Rdnr. 13; Jauernig-Teichmann, BGB, 3. Aufl., § 548 Anm. 3; Wolf-Eckert, Hdb. d. Gewerbl. Miet- und PachtR, 4. Aufl., Rdnr. 125; RGZ 122, 292 (295); OLG Hamburg, MDR 1966, 846). Nach dieser Auffassung haftet der Mieter sowohl, wenn die Ursache des Schadens ungeklärt bleibt, als auch dann, wenn es ihm nicht gelingt, sich für die feststehende Ursache zu entlasten. Demgegenüber wollen Staudinger-Emmerich (BGB, 12. Aufl., § 548 Rdnrn. 22-24) und Sternel (MietR, 2. Aufl., V 30) danach unterscheiden, ob es sich um Schäden, die auf normaler, vertragsgemäßer Abnutzung beruhen können, handelt oder um solche, die von vornherein nicht Folge des vertragsgemäßen Gebrauchs der Sache sein können. Allein im letzteren Falle trete eine Umkehr der Beweislast ein, jedoch auch nur dann, wenn die feststehende Schadensursache zum Gefahrenbereich des Mieters gehöre. Der BGH hat die Frage bisher nicht umfassend entschieden, dem Mieter aber dann den Beweis für Schadensursache und mangelndes Verschulden auferlegt, wenn der vermietete Raum infolge des Mietgebrauchs zerstört worden ist (BGHZ 66, 349 = NJW 1976, 1315 = LM § 548 BGB Nr. 3).

2. Eine generelle Beweisbelastung des Mieters führt jedenfalls im Bereich des Wohnraummietrechts für Schäden, die ihre alleinige Ursache nicht in einem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache haben können, im Ergebnis zu einer Risikoverteilung, die mit den sich aus dem Gesetz ergebenden gegenseitigen vertraglichen Pflichten von Mieter und Vermieter nicht vereinbar ist. Diese Rechtsauffassung betont einseitig die den Mieter hinsichtlich der von ihm genutzten Sache treffende Obhuts- und Fürsorgepflicht. Sie berücksichtigt zu wenig die dem Vermieter gem. § 536 BGB obliegende Verpflichtung, den Mietraum während der gesamten Vertragsdauer in einem Zustand zu erhalten, der dessen ungestörten Gebrauch ermöglicht (vgl. BGH, NJW 1964, 33; Staudinger-Emmerich, §§ 535, 536 Rdnrn. 32 f., 42 f.). Daher hat der Vermieter insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß von der Heizungs-, Elektro- und Sanitärinstallation des Hauses keine Gefahren für die vermietete Wohnung ausgehen (vgl. auch BGH, WM 1976, 537). Gerade bei Brand- und Wasserschäden ist grundsätzlich eine in diesen Verantwortungsbereich des Vermieters fallende Ursache ebenso möglich wie eine solche, die aus dem Pflichtenkreis des Mieters herrührt. Es ist aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt angemessen, den Mieter mit dem Aufklärungsrisiko von Ursachen aus einem Bereich zu belasten, für dessen ordnungsgemäße Beschaffenheit der Vermieter einzustehen hat. Eine uneingeschränkte Beweislast des Mieters kann ihn in erhebliche Beweisnot bringen, weil er dann auch Umstände aufklären muß, die außerhalb seines unmittelbaren Einfluß- und Kenntnisbereichs liegen. Er müßte sich mit technischen Einrichtungen im Haus auseinandersetzen, zu denen er gewöhnlich keinen Zugang hat, weil deren Wartung und Überwachung allein Sache des Vermieters ist. Dies brächte im Einzelfall die Gefahr mit sich, daß der Mieter hinsichtlich der Folgen einer möglicherweise im Risikobereich des Vermieters liegenden Ursache nicht nur die eigenen Nachteile zu tragen, sondern darüber hinaus die dem Vermieter entstandenen Schäden zu ersetzen hat. Das würde im praktischen Ergebnis zu einer wesentlichen Einschränkung der Verantwortlichkeit des Vermieters für die ihm nach § 536 BGB obliegenden Erhaltungspflichten führen.

3. Bei den Schäden, um die es hier geht, kommt regelmäßig ein Anspruch des Vermieters aus positiver Vertragsverletzung in Betracht. Im Bereich dieser Ansprüche hat die Rechtsprechung eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität analog § 282 BGB niemals über den typischen Gefahren- und Risikobereich des Schuldners hinaus ausgedehnt (vgl. BGH, NJW 1964, 33, 35; VersR 1976, 1084 (1085); 1978, 85 (87)). Es ist kein Grund ersichtlich, allein im Mietrecht diese Beweislastumkehr noch weiter zu Lasten des Mieters auszudehnen. Die Vorschrift des § 548 BGB, die gerade an den Gebrauch der Mietsache, also ein dem Mieter zuzurechnendes Verhalten anknüpft, liefert für eine solche Erweiterung keinen Ansatzpunkt. Auch der BGH hat deshalb bereits angedeutet, ohne auf die Frage bisher allerdings näher eingehen zu müssen, daß dort, wo Obhutspflichten des Mieters mit Erhaltungspflichten des Vermieters zusammentreffen, eine differenzierende Beurteilung der Beweislastverteilung notwendig ist (BGHZ 66, 349 (352) = NJW 1976, 1315 = LM § 548 BGB Nr. 3). Nach der Auffassung des Senats folgt aus den dargelegten Gründen, daß eine Beweislast des Mieters solange nicht in Betracht kommt, wie der Vermieter die Möglichkeit einer in seinem Risiko- und Verantwortungsbereich liegenden Schadensursache nicht ausgeräumt hat.

4. Dasselbe muß gelten, soweit eine im unmittelbaren räumlichen Obhuts- und Einflußbereich eines anderen Mieters liegende Schadensursache in Betracht kommt. Denn der Vermieter hat die Pflicht, den Mieter auch vor Schädigungen durch andere Mieter zu schützen. Er ist zudem rechtlich und tatsächlich eher in der Lage, eine in den Räumen eines dritten Mieters liegende Ursache aufzuklären. Die aus § 548 BGB hergeleitete Beweislast des Mieters ist nur für den sich aus der Benutzung der Sache ergebenden Einfluß- und Obhutsbereich gerechtfertigt. Die Unwirksamkeit einer Mietvertragsklausel, wonach die Mieter für die Verstopfung von Abflußleitungen haften, deren Ursache nicht festgestellt werden kann (OLG Hamm, NJW 1982, 2005; LG Karlsruhe, MDR 1980, 230), beruht letztlich auf dieser Erwägung; denn eine nach § 11 Nr. 15 AGB-Gesetz unzulässige Risikoverlagerung zu Lasten des Mieters liegt dort gerade deshalb vor, weil mit einer solchen Klausel dem Mieter die Beweislast für einen nicht in seinem unmittelbaren Herrschafts- und Obhutsbereich befindlichen Umstand aufgebürdet wird.

5. Demgegenüber ist es gerechtfertigt, daß der Mieter die volle Beweislast trägt, sobald davon auszugehen ist, daß die Schadensursache in dem durch die Benutzung der Mietsache abgegrenzten räumlich-gegenständlichen Bereich liegt. Aus den mit dem Gebrauch der Mietsache verbundenen Obhuts- und Fürsorgepflichten sowie Herrschafts- und Einflußnahmemöglichkeiten folgt, daß das dem Mieter nach § 548 BGB übertragene und ihm allein zuzurechnende Risiko den gesetzlichen unmittelbaren Nutzungsbereich der Wohnung umfaßt. Daher hat der Mieter sich nicht erst dann zu entlasten, wenn eine bestimmte Schadensursache aus dem ihn betreffenden Bereich, wie z. B. ein nicht abgedrehter Wasserhahn oder ein Schaden am Zuleitungsschlauch der Waschmaschine, positiv feststeht. Es genügt, wenn die konkrete Ursache zwar unbekannt ist, aufgrund der Umstände des Einzelfalls jedoch nur eine solche aus dem Gefahrenbereich des Mieters in Betracht kommen kann.

Daraus ergibt sich folgende Beweislastverteilung: Der Vermieter muß beweisen, daß die Schadensursache in dem der unmittelbaren Einflußnahme, Herrschaft und Obhut des Mieters unterliegenden Bereich gesetzt worden ist, wozu er gegebenenfalls die Möglichkeit einer aus seinem Verantwortungs- und Pflichtenkreis oder demjenigen eines anderen Mieters desselben Hauses herrührenden Schadensursache ausräumen muß. Ist dieser Beweis geführt, so hat sich der Mieter umfassend hinsichtlich Verursachung und Verschulden zu entlasten (im Ergebnis wohl ebenso Erman-Schopp, BGB, 7. Aufl., § 548 Rdnr. 5; Soergel-Kummer, BGB, 11. Aufl., § 548 Rdnr. 12; Baumgärtel, Hdb. d. Beweislast, § 548 Rdnr. 4). Entsprechendes gilt, wenn möglicherweise ein außenstehender Dritter Schadensverursacher ist, für dessen Handeln keine der Parteien schon nach allgemeinen Vorschriften (§§ 278, 831 BGB) haftet. Die umfassende Beweislast nach § 548 BGB trifft den Mieter auch dann erst, wenn feststeht, daß dessen Handlung in dem durch den Mietgebrauch begrenzten Bereich stattgefunden hat.

6. Der Vermieter wird durch die Verpflichtung, hinsichtlich des ihn treffenden Risikobereichs den Negativbeweis führen zu müssen, nicht unbillig belastet. In vielen Fällen wird schon nach dem Schadensverlauf jede dem Vermieter zuzurechnende Ursache von vorneherein ausscheiden (vgl. BGHZ 66, 349 = NJW 1976, 1315 = LM § 548 BGB Nr. 3; BGH VersR 1976, 1084). Bei Geschehensbildern, die nach der Lebenserfahrung einen bestimmten Ursachenablauf wahrscheinlich erscheinen lassen, kann auch die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises dem Vermieter die Beweisführung erleichtern. Insoweit lassen sich jedoch nicht durch Rechtsentscheid allgemeine Regeln aufstellen. Dies im Einzelfall zu beurteilen, bleibt allein Aufgabe des Tatrichters.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB § 548