Kaufpreisnachforderung nach langer Zeit wegen rechtswirksamen Aufsichtsratsbeschlusses, Beweis zur Bereicherung

Gericht

OLG München, Zivilsenate in Augsburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

01. 10. 2002


Aktenzeichen

30 U 205/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Bereicherungsgläubigerin muss beweisen, dass ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung nicht vorlag. Das hat durch Widerlegung der Umstände zu geschehen, die für den Rechtsgrund sprechen.

  2. Es ist lebensfremd anzunehmen, die Willenskundgabe eines Kollegialorgans (hier des Aufsichtsrats einer AG) müsse durch alle seine Mitglieder erfolgen, und könne nicht durch ein einzelnes Mitglied, z.B. dem Vorsitzenden, geschehen.

  3. Aufsichtsratbeschlüsse können nur ausdrücklich, nicht stillschweigend gefasst werden. Die Verwendung des Ausdrucks „Beschluss“ ist nicht notwendig, vielmehr nur, dass der Beschluss ausdrücklich gefasst wird.

  4. Die Wahl eines Vertreters der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat durch die Betriebsversammlung „für weitere vier Jahre“ ist nicht kalendermäßig zu verstehen. Soweit keine anderen Umstände vorliegen, ist anzunehmen, dass die Betriebsversammlung keinen Bezug zu bestimmten Hauptversammlungen hat und es den Arbeitnehmern darauf ankommt, immer pflichtgemäß im Aufsichtsrat vertreten zu sein.

Tenor


ENDURTEIL:

  1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 22. Februar 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 12.000 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien streiten um eine auf Bereicherungsrecht gestützte zusätzliche Zahlung wegen eines Hausverkaufs durch die Klägerin an den Beklagten im Jahre 1973.

Der Beklagte, von 1954 bis 1985 alleiniger Vorstand der Klägerin, kaufte am 28.05.1973 ... von dieser das bebaute Grundstück ... zum Preise von 155.000 DM. Dieser Preis entsprach vereinbarungsgemäß nicht dem Verkehrswert.

Für die Klägerin trat bei der Beurkundung Frau ... in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsrats, vorbehaltlich der Genehmigung des Vorsitzenden des Aufsichtsrates auf. Am 08.08.1973 genehmigte dieser das Handeln der Frau ... .

Der Kaufvertrag wurde vollzogen und der Beklagte am 12.02.1974 aufgrund der Auflassung vom 28.05.1973 als Eigentümer im Grundbuch des Amtsgerichts ... eingetragen. Seit 23.11.1994 sind aufgrund einer Auflassung vom 25.10.1994 ... als Miteigentümer zu je 1/2 eingetragen.

Zur Besetzung des Aufsichtsrates in der damaligen Zeit haben die Parteien verschiedene Urkunden vorgelegt:

...

Laut einem Schreiben vom 07.01.1969 (Anlage K 19) der Klägerin an das Registergericht in Augsburg verstarb der Aufsichtsratsvorsitzende ... am 25.12.1968. Als Ersatz sollte die bisherige Arbeitnehmervertreterin ... bestellt werden (siehe hierzu auch zwei Anlagen K 20 und die Anlagen K 23 und K 24). Außerdem wurde die Wahl des ... mitgeteilt.

Zu den Wahlen der Arbeitnehmervertreter legte die Klägerin vor:

- Protokoll der Betriebsversammlung vom 04.01.1969 zur Wahl des ... (Anlage K 19) und

- Protokoll der Betriebsversammlung vom 04.03.1977 zur Wahl des ... (Anlage K 27).

Nach § 10 der Satzung der Klägerin (Anlage K 1) besteht der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern. Die Wahl erfoIgt auf die längste nach § 102 AktG zulässige Zeit. Wiederwahl ist zulässig.

§ 13 der Satzung schreibt vor, daß über die Sitzungen des Aufsichtsrats eine Niederschrift anzufertigen ist, die der Vorsitzende zu unterschreiben hat.

Die Klägerin war der Meinung, der Verkauf des Grundstücks sei ohne einen Beschluß des Aufsichtsrats erfolgt und der damalige Vorsitzende des Aufsichtsrats hätte den Kaufvertrag auch nicht wirksam genehmigt. Der im Protokoll vom 18.04.1973 festgehaltene Gesprächsinhalt zum Grundstücksverkauf stelle keine ausreichende Ermächtigung für den Aufsichtsratsvorsitzenden dar. Der Gesprächsinhalt sei schon kein Beschluß. Schließlich sei das Protokoll auch nicht vom Arbeitnehmervertreter unterschrieben wie es sonst der Fall gewesen sei. Selbst wenn der Gesprächsinhalt ein Beschluß sei, decke sich dieser nicht mit den Bedingungen des Vertrages.

Auch in den folgenden Aufsichtsratssitzungen sei kein Beschluß gefaßt worden. Auch sonst liege keine Genehmigung des Kaufvertrages durch die Klägerin vor.

Das Haus selbst sei unter Wert verkauft worden, weshalb der Beklagte die Differenz zwischen Wert und Kaufpreis bereicherungsrechtlich schulde, dies seien 165.000 DM.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug den Antrag gestellt,

den Beklagten zur Zahlung von 165.000 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 17.01.2001 zu verurteilen.

Der Beklagte hat

die kostenpflichtige Abweisung der Klage beantragt.

Er hat zur Begründung ausgeführt, daß sich die Verpflichtung der Klägerin zum Verkauf des Grundstücks etwa zum halben Verkehrswert aus dem Dienstvertrag ergeben habe (Verschaffung von freier Wohnung, kostenfreier Lieferung von Wasser, Strom und Beheizung). Der im Protokoll vom 18.04.1973 zum Verkauf enthaltene Text sei ein wirksamer Aufsichtsratsbeschluß gewesen. Wenn die für die Klägerin beim Vertrag und beim Vertragsvollzug handelnden Personen widerrechtlich gehandelt hätten, hätte die Klägerin diese zum Schadensersatz herangezogen. Tatsächlich sei der Aufsichtsrat in den Hauptversammlungen immer entlastet worden.

Herr ... habe das Protokoll vom 18.04.1973 nicht unterschrieben, weil er mit der Veräußerung nicht einverstanden gewesen sei.

Selbst wenn man unterstelle, daß der Aufsichtsratsvorsitzende nicht wirksam ermächtigt worden sei, so habe er lediglich seine grundsätzliche Vertretungsmacht gegenüber dem Vorstand mißbraucht.

Hilfsweise hat der Beklagte vorgebracht, daß er nicht mehr bereichert sei. Er habe nur noch den Nießbrauch am Grundstück.

Weiter hilfsweise behauptet der Beklagte, daß der Kaufvertrag als wirksam behandelt werden müsse, weil damit eine Verpflichtung aus dem Dienstvertrag erfüllt worden sei. Die Klägerin habe auch einen Vertrauenstatbestand geschaffen.

Das Landgericht Augsburg hat ohne Beweisaufnahme (die Zeugen für die Vorgänge im Jahre 1973 leben entweder nicht mehr oder sind nicht mehr vernehmungsfähig) am 22.02.2002

den Beklagten zur Zahlung von 165.000 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 17.01.2001 verurteilt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Kaufvertrag vom 28.05.1973 unwirksam sei, weil der Aufsichtsrat am 18.04.1973 keinen wirksamen Beschluß gefaßt habe. Der Arbeitnehmervertreter ... zwar anwesend gewesen, habe jedoch das Protokoll nicht unterzeichnet und auch an der Sitzung nicht mitgewirkt, weil am 18.04.1973 Fritz ... und Mathilde ... zu Mitgliedern des Aufsichtsrats gewählt worden waren, nicht aber ein Arbeitnehmervertreter. Die Amtszeit des ... habe ebenfalls am 18.04.1973 geendet.

Eine Vertretungsermächtigung für den Aufsichtsratsvorsitzenden ... zur Genehmigung des Grundstückskaufvertrages habe es ebenfalls nicht gegeben.

Die Entlastung des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung sei keine Genehmigung. Auch auf Hauptversammlungen sei der Vertrag nicht genehmigt worden.

Der streitgegenständliche Inhalt des Protokolls vom 18.04.1973 sei auch keine Beschlußfassung, weil er nicht als "Beschluß" bezeichnet worden sei.

Die Geltendmachung von Wertersatz sei keine unzulässige Rechtsausübung, weil der Beklagte als Vorstand gewußt habe, daß der Aufsichtsrat am 18.04.1973 nicht beschlußfähig gewesen sei.

Den Wertersatz habe die Klägerin der Höhe nach richtig errechnet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten.

Er wiederholt im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, daß das Landgericht irrtümlich davon ausgegangen sei, daß ... am 18.04.1973 nicht mehr Mitglied des Aufsichtsrats gewesen sei. Dafür hätten die vorgelegten Unterlagen nichts hergegeben, vielmehr spreche das Protokoll für seine Mitgliedschaft. ... habe gegen die Veräußerung gestimmt. Diesbezügliche Beweise habe das Landgericht nicht erhoben.

Es komme auch nicht darauf an, ob ein Beschluß als solcher bezeichnet werde oder nicht. Schließlich habe das Landgericht die Grundsätze des Bereicherungsrechts mißachtet.

Der Beklagte beantragt daher

die Aufhebung des Ersturteils und die Abweisung der Klage.

Die Klägerin beantragt

die Zurückweisung der Berufung, weil sie das Ersturteil für richtig hält.

... sei am 04.01.1969 nur für vier Jahre gewählt worden und nicht für die gesetzliche Höchstdauer, so daß dessen Tätigkeit zumindest am 31.01.1973 geendet habe. Aus der fehlenden Unterschrift des ... auf dem Protokoll vom 18.04.1973 sei zu folgern, daß er nicht mehr Mitglied des Aufsichtsrats gewesen sei.

Das Landgericht habe alle Beweismittel richtig gewürdigt. Der Kaufvertrag sei auch nicht nachträglich genehmigt worden. Entscheidend sei auch, daß der Kaufvertrag so wesentlich vom Besprochenen abweiche, daß er per Beschluß hätte genehmigt werden müssen.

Die Geltendmachung von Wertersatz sei auch keine unzulässige Rechtsausübung, weil der Beklagte gewußt habe, daß für den Kauf kein Aufsichtsratsbeschluß vorliege.

Das Erstgericht habe den Wertersatz richtig berechnet.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien und ihrer Beweisangebote wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Ferner nimmt der Senat Bezug auf das Ersturteil und die Sitzungsniederschriften.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und erfolgreich.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis des am 28.05.1973 verkauften Anwesens ..., weil sie nicht beweisen konnte, daß der Kaufvertrag unwirksam ist und der Beklagte damit ohne Rechtsgrund aus ihrem Vermögen etwas zugewendet erhalten hatte.

1. Die Klägerin als Bereicherungsgläubigerin muß beweisen, daß ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung nicht vorlag. Das hat durch die Widerlegung der Umstände zu geschehen, die für den Rechtsgrund sprechen bzw. den Beweis, daß der vom Beklagten in Anspruch genommene Rechtsgrund nicht besteht (vgl. z. B. Baumgärtl-Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht 2. Auflage, § 812 BGB, Rdnr. 11; BGH ZIP 1995, 456 (457 rechte Spalte); BGH, VersR 1992, 1028 (1029); BGH NJW-RR 1991, 574/575; Münchener Kommentar-Lieb, BGB, 3. Auflage, § 812, Rdnr. 330).

2. Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung ist der Kaufvertrag vom 28.05.1973. Bei diesem wurde die Klägerin durch das Mitglied des Aufsichtsrates ... vertreten, deren Handeln der Vorsitzende des Aufsichtsrats genehmigte. Nach § 112 AktG hat allerdings nicht ein einzelnes Mitglied, auch nicht der Vorsitzende, die Vertretungsbefugnis, sondern der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit. Dem Senat erscheint es jedoch lebensfremd, wenn die Willenskundgabe eines Kollegialorgans durch die unter Umständen zahlreichen Mitglieder des Aufsichtsrates erfolgen müßte. Deshalb ist das Handeln des Vorsitzenden, in dessen Vertretung Frau ... handelte, auszulegen:

Der Vorsitzende wollte das vollziehen, was der Aufsichtsrat in seiner Sitzung vom 18.04.1973 beschlossen hatte, nämlich den Verkauf des der Gesellschaft gehörenden Anwesens ... zum Preis von 155 000 DM, der nach dem übereinstimmenden Parteiwillen nicht dem Verkehrswert entsprach. Eine eigene Entschließungsfreiheit stand dem Vorsitzenden nicht zu. Der Vorsitzende ist demnach als Erklärungsvertreter des Aufsichtsrats aufgetreten (vgl. z. B. Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 112, Rdnr. 5; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG (Bearbeitung 1973), § 112, Rdnrn. 13 - 23; Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, 2. Auflage, Band 4, § 31, Rdnr. 87; BGHZ 12, 327 ff. (334 ff.) für den Vorstand als Erklärungsvertreter des Aufsichtsrates; RG JW 1928, 215, 216: Aus dem Grundsatz der Gesamtvertretung folgt keineswegs, daß alle Aufsichtsratsmitglieder in eigener Person tätig werden müßten). Eine Satzung oder eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats liegt dem Senat nicht vor. Der Senat schließt aber daraus, daß der Vorsitzende das Handeln des einfachen Mitglieds genehmigte, daß der Aufsichtsrat der Klägerin den Vorsitzenden zur Abgabe von Erklärungen im Vollzug seiner Beschlüsse ermächtigt hatte.

3. Der Aufsichtsrat der Klägerin hat in seiner Sitzung vom 18.04.1973 (Anlage K 2) beschlossen:

"Das Anwesen ... wird entsprechend einer früher gegebenen mündlichen Zusage des Aufsichtsrates an Herrn Direktor ... zu einem Preis von 155.000 DM veräußert, wobei die Hälfte des Kaufpreises im Dezember 1973 und die zweite Hälfte bis 31.03.1974 bezahlt wird. Nutzen und Lasten sollen ab 01.01.1974 auf Herrn ... übergehen."

Aufsichtsratsbeschlüsse können nur ausdrücklich, nicht stillschweigend gefaßt werden (allgemeine Meinung: vgl. z. B. BGH NJW 1989, 1928 ff. (1929) mit weiteren Nachweisen; Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 108, Rdnr. 4; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG (Bearbeitung 1973), § 108, Rdnrn. 4 - 6). Die streitgegenständliche Formulierung ist vom Wortlaut her ein Beschluß, weil formuliert wird, daß das Anwesen ... um 155.000 DM verkauft wird. Die Entscheidung enthält keinen Vorbehalt, sondern ist vielmehr gewissermaßen der Vollzug einer bereits früher gegebenen, nicht näher bekannten Zusage des Aufsichtsrats. Die Verwendung des Ausdrucks "Beschluß" ist nicht erforderlich, vielmehr nur, daß er ausdrücklich gefaßt wird, wie im vorliegenden Fall.

An der Form des Beschlusses ist auch sonst nichts zu bemängeln, weil das Protokoll vom Vorsitzenden unterzeichnet ist (§ 107 Abs. 2 AktG). Unschädlich ist die Mitunterzeichnung durch den Vorstand und von nur einem weiteren Aufsichtsratsmitglied.

Der Aufsichtsrat war auch beschlußfähig. Die Mitglieder ... und ... waren auf der der Aufsichtsratssitzung vorangehenden Hauptversammlung als Vertreter der Anteilseigner wieder gewählt worden und deshalb wiederum Mitglieder des Aufsichtsrates. § 102 Abs. 1 AktG bestimmt die Höchstdauer der Amtszeit aller Mitglieder des Aufsichtsrats, in deren Rahmen die Amtszeit für jedes Aufsichtsratsmitglied individuell auch kürzer festgelegt sein kann (vgl. z. B. Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 102, Rdnrn. 2 ff.).

Streitig sind die Mitgliedschaft und die Mitwirkung des Arbeitnehmervertreters ... . Die Klägerin möchte zur Stützung ihrer Rechtsmeinung "Punkt 4. der Tagesordnung" der Niederschrift über die ordentliche Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ... vom 18.04.1973 (Anlage K 17, URNr. E 1307 des Notars ...) heranziehen, worin es unter anderem heißt, daß mit der Beendigung der heutigen Hauptversammlung das Amt der Mitglieder des bisherigen Aufsichtsrats endet und die Hauptversammlung mit allen Stimmen die Wiederwahl von Herrn ... und Frau ... beschlossen hat. Diese Feststellung bezieht sich allerdings nur auf die von den Anteilseignern zu wählenden Mitglieder des Aufsichtsrates und die Hauptversammlung hat demnach auch nur diese gewählt. Der Hinweis des Vorsitzenden der Hauptversammlung, daß sich der Aufsichtsrat nach den Bestimmungen der §§ 96, 101 AktG i.V.m. § 76 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz 1952 zusammensetze, entsprach der Sach- und Rechtslage.

Aus dem Protokoll vom 19.04.1969 (Anlage B 11), das auch nur der Vorsitzende des Aufsichtsrats ... unterschrieben hat, ist zu entnehmen, daß ... als Arbeitnehmervertreter anwesend war. Er war auf der Betriebsversammlung vom 04.01.1969 (Anlage K 19) gewählt und für die nächsten vier Jahre als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat delegiert worden. Wollte man die nächsten vier Jahre exakt und kalendermäßig auffassen, hätte die Bestellung am 04.01.1973 geendet. Die Wahl im Januar 1969 war erforderlich geworden, weil die bisherige Arbeitnehmervertreterin ... wegen des Todes des Vorsitzenden ... vom Registergericht als weiteres Mitglied des Aufsichtsrats von seiten der Anteilseigner bestellt werden sollte (Anlage K 19). In der Betriebsversammlung vom 04.03.1977 (Anlage K 27) wurde ... für weitere vier Jahre als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat delegiert. Der Senat schließt aus diesen beiden vorgelegten Niederschriften über die Betriebsversammlungen, daß der Ausdruck "für weitere vier Jahre" nicht kalendermäßig zu verstehen ist. Die Betriebsversammlungen haben auch keinen Bezug zu bestimmten Hauptversammlungen, so daß der Senat davon ausgeht, daß es den Arbeitnehmern darauf ankam, immer pflichtgemäß im Aufsichtsrat vertreten zu sein. So enthält auch der Bericht über die Prüfung der Bilanz zum 31.12.1973 (Anlage K 21) unter anderem folgenden Text:

"4.3. Dem Aufsichtsrat gehörten im Berichtsjahr an:

Herr Wirtschaftsprüfer ... - Vorsitzer -
Frau ... - stellv. Vorsitzer -
Herr ... - Arbeitnehmervertreter bis 18.04.1973 -
Herr ... - Arbeitnehmervertreter ab 19.04.1973 -."

Meldungen der Klägerin an das Registergericht über die Mitglieder des Aufsichtsrates aus der streitgegenständlichen Zeit liegen dem Senat nicht vor. Der Senat geht aus den vorgenannten Erwägungen davon aus, daß auch die am 18.04.1973 anwesenden Personen, nämlich ... und der Beklagte den ... zu Recht als Arbeitnehmervertreter angesehen haben.

Für die fehlende Unterschrift des ... gibt es eine plausible Erklärung, nämlich daß die Niederschrift nicht am 18.04.1973, sondern erst nachträglich gefertigt wurde und ... sie dann auch nicht unterschrieben hat, weil schon ... als Nachfolger sein Amt angetreten hatte. Es mag auch sein, daß ... nicht unterschrieb, weil er mit dem Verkauf nicht einverstanden war, wie der Beklagte vorträgt. Der Senat vermag jedoch nicht der Meinung der Klägerin zu folgen, daß ... deshalb nicht unterschrieben hat, weil er nicht anwesend war. Daran ändert auch nichts, daß für seine Unterschrift auch keine "Leiste" vorgesehen war. Vielleicht hatte er den anderen Sitzungsteilnehmern mitgeteilt, daß er auch das Protokoll nicht unterschreiben werde.

Aus den vorgelegten Unterlagen geht nur hervor, daß jedenfalls am 03.10.1973 der Nachfolger des ..., nämlich ... sein Amt angetreten hatte (Anlage K 22).

4. Der in der Notarurkunde vom 28.05.1973 erklärte Wille des Aufsichtsrats stimmt auch mit dem Beschluß vom 18.04.1973 überein. Die Abweichung hinsichtlich der Höhe und der Fälligkeit, der beiden Kaufpreisraten (70.000 DM statt 77.500 DM im Dezember 1973 bzw. 85.000 DM statt 77.500 DM am 15.03.1974 statt "bis 31.03.1974") ist unerheblich.

Daß der Besitz lastenfrei übertragen werden sollte, versteht sich von selbst, weil der Aufsichtsratsbeschluß davon ausgeht, daß der Beklagte das Anwesen etwa zum halben Verkehrswert erhält. Die im Beschluß erwähnte frühere mündliche Zusage kann auch aus der Zeit herrühren, in der ... als Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat war. Die erwähnte Zusage ist nämlich nicht datiert.

Die Klägerin möchte aus der Lückenhaftigkeit ihrer Dokumentation über den Aufsichtsrat zum Nachteil des Beklagten Rechte herleiten. Diese können ihr wegen ihrer Beweisbelastung nicht zugestanden werden.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlaß (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 ZPO).


Barth
Vorsitzender Richter

Wurm
Richter am Oberlandesgericht

Dr. Huber KI
Richter am Oberlandesgericht

Vorinstanzen

LG Augsburg, 1.O.84/01

Rechtsgebiete

Gesellschaftsrecht