Schadensersatzpflicht des Maklers wegen positiver Vertragsverletzung
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
18. 12. 1981
Aktenzeichen
V ZR 207/80
Hat der Makler einen ihm bekannten Umstand, der für die Willensentschließung seines Auftraggebers wesentlich sein konnte, diesem verschwiegen und hätte bei Kenntnis dieses Umstandes der Auftraggeber das Geschäft nicht abgeschlossen, so ist der Makler wegen positiver Vertragsverletzung grundsätzlich verpflichtet, den Auftraggeber so zu stellen, als hätte dieser das Geschäft nicht abgeschlossen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bekl. zu 2 und 3 betreiben ein Maklerbüro. Durch ihre Vermittlung kam es am 10. 4. 1979 zu einem notariellen Kaufvertrag zwischen den Kl. und dem Gastwirt A, dem früheren Bekl. zu 1. Danach verkaufte der frühere Bekl. zu 1 ein ihm gehörendes Grundstück zum Preis von 270000 DM an die Kl. Das Grundstück ist mit einem Wohn- und Gaststättengebäude bebaut, in dem eine Ölheizungsanlage installiert ist. Weder der frühere Bekl. zu 1 noch die Bekl. zu 2 und 3 unterrichteten die Kl. vor oder bei Abschluß des Kaufvertrages darüber, daß sich der Öltank, an den die Heizungsanlage angeschlossen war, damals im Lagerraum eines in Dritteigentum stehenden Nachbargrundstücks befand. Nach Abschluß des Kaufvertrages zahlten die Kl. an die Bekl. zu 2 und 3 eine Maklerprovision in Höhe von 8200 DM sowie als Anzahlung auf den Kaufpreis weitere 10000 DM; von dieser Anzahlung leiteten die Bekl. zu 2 und 3 2000 DM an den früheren Bekl. zu 1 weiter, während sie den Rest für sich behielten. Etwa zwei Wochen nach Abschluß des Kaufvertrages erfuhren die Kl. von der Lage des Öltanks. Sie fochten mit Schreiben vom 4. 5. 1979 gegenüber dem früheren Bekl. zu 1 den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an und unterrichteten davon die Bekl. zu 2 und 3. Mit der vorliegenden Klage haben die Kl. gegenüber dem früheren Bekl. zu 1, gestützt auf die erklärte Anfechtung, hauptsächlich die Zwangsvollstreckung wegen der Kaufpreisforderung abzuwenden und Rückzahlung der Kaufpreisanzahlung von 10000 DM zu erreichen gesucht. Insoweit ist die Klage vom BerGer. rechtskräftig abgewiesen worden. Soweit sich die Klage gegen die Bekl. zu 2 und 3 richtet - und noch nicht rechtskräftig erledigt ist -, haben die Kl. in erster Instanz beantragt, die Bekl. zu 2 und 3 zur Zahlung von 8000 DM (Rückzahlung des erhaltenen Maklerlohnes) nebst Zinsen zu verurteilen. Dem hat das LG entsprochen. In der zweiten Instanz haben die Kl. im Wege der Anschlußberufung desweiteren - und zwar hilfsweise für den Fall der Erfolglosigkeit der gegen den früheren Bekl. zu 1 gerichteten Klage - beantragt, die Bekl. zu 2 und 3 zu verurteilen, weitere 8000 DM zu zahlen (Rückzahlung des nicht weitergeleiteten Teiles der Kaufpreiszahlung) und sie, die Kl., von ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Kaufvertrag vom 10. 4. 1979 freizustellen.
Das OLG hat die erstinstanzliche Verurteilung der Bekl. zu 2 und 3, an die Kl. 8000 DM zu zahlen, bestätigt und auch dem Freistellungsantrag entsprochen, den auf Zahlung weiterer 8000 DM gerichteten Antrag dagegen abgewiesen. Die Revision der Bekl. zu 2 und 3 führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Auszüge aus den Gründen:
...
I.
1. Das BerGer. hat eine Schadensersatzpflicht der Bekl. zu 2 und 3 unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung bejaht.
Es hat für erwiesen erachtet, daß dem Bekl. zu 3 schon vor Abschluß des Kaufvertrages vom 10. 4. 1979, nämlich bereits Ende März 1979, die Unterbringung des Heizöltanks auf einem fremden Grundstück bekannt gewesen sei. Dann aber habe sich aus dem zwischen den Kl. und den Bekl. zu 2 und 3 zustande gekommenen Maklervertrag die Verpflichtung ergeben, die Kl. auf diesen Umstand hinzuweisen, da es sich hierbei um einen den Wert des Grundstücks mindernden und damit für den Kaufentschluß bedeutsamen Umstand handle. Diese ihm obliegende Unterrichtungspflicht habe der Bekl. zu 3 jedenfalls fahrlässig nicht erfüllt; im Hinblick auf die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Bekl. zu 2 und 3 wirke sich das Verschulden des Bekl. zu 3 über § 278 S. 1 Alt. 2 BGB auch zu Lasten des Bekl. zu 2 aus. Aufgrund dieser positiven Vertragsverletzung stehe den Kl. ein Schadensersatzanspruch zu, der sich auf alle mittelbaren und unmittelbaren Nachteile des schädigenden Verhaltens erstrecke. Unstreitig hätten die Kl. bei Kenntnis der besonderen Lage des Heizöltanks den Kaufvertrag vom 10. 4. 1979 nicht abgeschlossen. Sie könnten daher verlangen, von den Bekl. zu 2 und 3 so gestellt zu werden, als sei dieser Vertrag zwischen ihnen und dem früheren Bekl. zu 1 nicht zustande gekommen. Wäre dies aber der Fall, so hätten die Kl. auch keinen Maklerlohn entrichten müssen; sie könnten daher dessen Rückerstattung verlangen. Weiter seien die Bekl. zu 2 und 3 unter diesem Gesichtspunkt verpflichtet, zum Ausgleich der entstandenen Nachteile die Kl. von den aus dem Kaufvertrag herrührenden Zahlungsverbindlichkeiten freizustellen.
2. Wie die Revision der Bekl. zu 2 und 3 zutreffend bemerkt, hätte das angefochtene Urteil zur Folge, daß die Kl. das Grundstück ohne Gegenleistung erwerben würden. Dies wird von der Revision mit Recht beanstandet.
a) Ohne Rechtsirrtum hat das BerGer. eine Schadensersatzpflicht der Bekl. zu 2 und 3 wegen positiver Vertragsverletzung bejaht.
Soweit die Revision bereits in Zweifel ziehen will, ob zwischen den Kl. und den Bekl. zu 2 und 3 überhaupt ein Maklvertrag zustandegekommen ist, muß sie sich daran festhalten lassen, daß das BerGer. dies als unstreitig feststellt. Schon im Hinblick darauf, daß die Bekl. zu 2 und 3 Makler sind, ist es jedenfalls im Verhältnis zu ihnen unbedenklich, das „Bestehen eines Maklervertrags“ als eine Tatsache im Sinn des Beweisrechts anzusehen (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 39. Aufl., Vorb. § 284 Anm. 4 C; BGH, NJW 1974, 1865 = LM § 675 BGB Nr. 50 (Bl. 2 unter II 1 a)) ...
Zutreffend ist das BerGer. davon ausgegangen, daß ein Maklervertrag ein besonderes Treueverhältnis begründet und den Makler verpflichtet, alle ihm bekannten Umstände, die sich auf den Geschäftsabschluß beziehen und für die Willensentschließung des Auftraggebers wesentlich sein könnten, diesem mitzuteilen (st. Rspr., s. u. a. BGH, WM 1970, 1270; LM § 652 BGB Nr. 26 (Bl. 2 R unterc); Schwerdtner, in: MünchKomm, § 652 Rdnrn. 65, 67, 68). Danach ist es nicht zu beanstanden, daß das BerGer. die rechtlich nicht abgesicherte Unterbringung des Heizöltanks für die in dem Wohn- und Gaststättengebäude installierte Ölheizungsanlage auf einem fremden Grundstück als einen Umstand angesehen hat, den der Bekl. zu 3 den Kl. hätte mitteilen müssen.
Die Feststellung, daß der Bekl. zu 3 bereits Ende März 1979, also vor Abschluß des Kaufvertrages vom 10. 4. 1979, darüber unterrichtet war, wo sich der Heizöltank befand, ist als Ergebnis tatrichterlicher Beweiswürdigung für das RevGer. bindend. Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird abgesehen (§ 565a ZPO). Dasselbe gilt für die Verfahrensrügen der Revision, die die Ausführungen des BerGer. zum Verschulden des Bekl. zu 3 betreffen. Auch im übrigen begegnen diese Ausführungen keinen Bedenken. Selbst wenn, wie die Revision meint, eine Verlegung des Tanks keine erheblichen Kosten verursacht hätte, und selbst wenn, was noch hinzukommen müßte, der Bekl. zu 3 hiervon ausgegangen wäre, so hätte der Bekl. zu 3 doch erkennen müssen, daß die Frage des Heizöltanks für die Kl. zumindest im Hinblick auf den auszuhandelnden Kaufpreis von Bedeutung sein konnte.
Diese schuldhafte Verletzung einer ihm obliegenden Mitteilungspflicht verpflichtet den Bekl. zu 3 zum Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung (st. Rspr., s. u. a. BGHZ 36, 323 (327) = NJW 1962, 734; Schwerdtner, in: MünchKomm, § 652 Rdnr. 76). Die Annahme des BerGer., daß gem. § 278 S. 1 Alt. 2 BGB diese Verpflichtung zugleich den Bekl. zu 2 treffe, wird von der Revision nicht angegriffen und begegnet auch keinen Bedenken.
b) Auf den Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung finden die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB Anwendung, es kommt also in erster Linie Naturalrestitution in Betracht (Staudinger-Löwisch, BGB, 12. Aufl., Vorb. §§ 275 bis 283 Rdnr. 35; Emmerich, in: MünchKomm, Vorb. § 275 Rdnr. 254, mit dem Bemerken, daß es insoweit nicht auf die Unterscheidung zwischen positivem und negativem Interesse ankomme). Das BerGer. hat als unstreitig festgestellt, daß die Kl. bei Kenntnis der besonderen Lage des Heizöltanks den Kaufvertrag vom 10. 4. 1979 nicht abgeschlossen hätte. Das BerGer. hat daher dem Grundsatz nach zu Recht eine Verpflichtung der Bekl. zu 2 und 3 bejaht, die Kl. so zu stellen, als sei der Vertrag vom 10. 4. 1979 nicht abgeschlossen worden (BGH, WM 1973, 613; vgl. auch Grunsky, in: MünchKomm, Vorb. § 249 Rdnr. 47; Palandt-Heinrichs, BGB, 40. Aufl., Vorb. § 249 Anm. 2g a. E.).
Die Revision macht allerdings geltend, ein Schaden der Kl. liege nicht mehr vor, weil der frühere Bekl. zu 1 noch vor seinem Auszug einen Heizöltank in dem verkauften Haus installiert habe; sie rügt, daß diesbezüglicher Sachvortrag und Beweisantritt vom BerGer. nicht berücksichtigt worden sei. Die Revision bezieht sich insoweit jedoch ausschließlich auf erstinstanzlichen Vortrag, was die erhobene Rüge nicht zu begründen vermag.
Ohne Erfolg beruft sich die Revision des weiteren auf den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, daß - im Rahmen von gegenseitigen Verträgen - wegen positiver Vertragsverletzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung (oder Rücktritt) nur dann verlangt werden kann, wenn eine solche Vertragsverletzung den Vertragszweck derart gefährdet, daß dem vertragstreuen Teil nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Vertrages nicht zugemutet werden kann (statt vieler BGHZ 11, 80 (84) = NJW 1954, 229; Senat, LM § 276 (Hb) BGB Nr. 10; Staudinger-Löwisch, Vorb. §§ 275 bis 283 Rdnr. 37). Die Revision meint, wenn selbst ein Verkäufer nur unter diesen zusätzlichen Voraussetzungen zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet sei, so könnten auch die Bekl. zu 2 und 3 nicht schlechter gestellt werden. Die Sachverhalte, auf die sich die angeführte Rechtsprechung bezieht, sind mit dem vorliegendem Fall jedoch nicht vergleichbar. Es geht dort jeweils um die Frage, ob eine positive Vertragsverletzung, derer sich ein Vertragsteil im Rahmen eines bestehenden Vertrages schuldig gemacht hat, den Vertragspartner dazu berechtigt, nicht nur Ersatz des dadurch verursachten Schadens zu verlangen, sondern sich von dem Vertrag insgesamt zu lösen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.
c) Im Rahmen der Herstellungsverpflichtung nach § 249 BGB sind unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung auch die Vorteile zu berücksichtigen, die mit dem schädigenden Ereignis in adäquat-ursächlichem Zusammenhang stehen, sofern außerdem die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspricht und den Schädiger nicht unbillig entlastet (s. u. a. BGHZ 74, 103 (113 f.) = NJW 1979, 1449; Senat, NJW 1980, 2187 = WM 1980, 1033 (1034)).
Ein solcher Zusammenhang aber ist jedenfalls hinsichtlich derjenigen Vorteile gegeben, die den Kl. unmittelbar aus dem Kaufvertrag vom 10. 4. 1979 erwachsen sind, sei es, daß es sich um noch zu erfüllende Ansprüche (insbesondere um den Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück) handelt oder um bereits realisierte Vorteile (möglicherweise Besitz und Nutzung des Grundstücks). Bei der Vorteilsausgleichung geht es auch nicht etwa um eine Einrede (Zurückbehaltungsrecht), die der Schädiger erst geltend machen müßte, sondern um eine Inhaltsbeschränkung, die dem Schadensersatzanspruch von vornherein anhaftet (BGHZ 27, 241 (248, 249) = NJW 1958, 1232; Senat, JZ 1977, 95 (96 a. E.)). Von dieser erforderlichen Ausgleichung wird sowohl der von den Kl. geltend gemachte Freistellungsanspruch als auch der Anspruch auf Erstattung der gezahlten Maklerprovision betroffen. Da es hinsichtlich der den Kl. erwachsenen Vorteile - insbesondere darüber, in wessen Besitz sich das Grundstück inzwischen befindet und in welcher Weise es gegebenenfalls von den Kl. genutzt wird - an tatrichterlichen Feststellungen fehlt, muß die Sache zur weiteren Prüfung an das BerGer. zurückverwiesen werden. Dabei werden die Bekl. zu 2 und 3 auch Gelegenheit haben, die Frage zur Erörterung zu stellen, ob der von den Kl. begehrte Schadensersatz mit den Grundsätzen von Treu und Glauben vereinbar ist (vgl. dazu BGHZ 63, 295 (297) = NJW 1975, 640).
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen