Gebrauchsregelung für Parkflächenzugang
Gericht
KG
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
18. 12. 1995
Aktenzeichen
24 W 7497/94
Die den gewerblichen bzw. freiberuflich genutzten Sondereigentumseinheiten zugeordneten Parkflächen in einer Wohnungseigentumsanlage sind im Regelfall auch für Kunden bzw. Klienten der Eigentümer oder Mieter dieser Einheiten bestimmt.
Eine Zugangs- und Nutzungsregelung für die Parkflächen muß diesem Nutzungsinteresse der Inhaber gewerblich bzw. freiberuflich genutzter Sondereigentumseinheiten Rechnung tragen. Damit ist es grundsätzlich unvereinbar, wenn die Wohnungseigentümerversammlung gegen den Widerspruch der Inhaber der betreffenden Einheiten beschließt, daß die Parkpalette ganztägig verschlossen zu halten sei.
Wird ein Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung über den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums (Zugangssperren für Parkflächen) als inhaltlich fehlerhaft angegriffen, so gehört zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens auch das Begehren auf ersetzende anderweitige Regelung.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus 103 Sondereigentumseinheiten in sechs Häusern. Es sind 85 Wohnungen und 18 Läden bzw. Gewerberäume; zu der Anlage gehört eine zweigeschossige Parkpalette mit 132 Wageneinstellplätzen. Zu jeder Wohnung gehört ein Wageneinstellplatz. Den Gewerbeeinheiten sind in unterschiedlicher Zahl jeweils mehrere Wageneinstellplätze, von zwei bis zu sechs Plätzen, zugeordnet. Diese Plätze liegen auf dem unüberdachten Obergeschoß der Parkpalette. Die Ast. zu 1, 2 und 3 sind Wohnungseigentümer; sie üben in dem Haus ihren Beruf als Arzt bzw. als Optiker aus. Dem Sondereigentum des Ast. zu 1 sind zwei, dem der Ast. zu 2 und 3 je drei Wageneinstellplätze zugeordnet. In der Versammlung vom 13. 5. 1993 beschlossen die Wohnungseigentümer mit Mehrheit den Beschluß, daß „eine ganztägige Verschließung der Parkpalette zu erfolgen hat“.
Das AG hat auf Antrag der Ast. den Wohnungseigentümerbeschluß für ungültig erklärt und die Wohnungseigentümer verpflichtet, die Parkpalette täglich von 6.00 bis 22.00 Uhr unverschlossen zu halten. Das LG hat die Anträge abgewiesen. Die Rechtsbeschwerde der Ast. hatte teilweise Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
II. ... 1. Zum Anfechtungsantrag
Insoweit ist die von den Ast. zu 1 und 2 zulässig eingelegte Rechtsbeschwerde begründet. Das LG hat rechtsfehlerhaft entschieden, daß der Wohnungseigentümerbeschluß gültig ist; denn es hat die gegenseitigen Interessen der Wohnungseigentümer an der Nutzung der Parkpalette nicht ausreichend gegeneinander abgewogen und damit den Rechtsbegriff der ordnungsmäßigen Verwaltung verkannt.
a) Verfahrensfehlerfrei hat das LG durch Einsichtnahme in die Akte des geschlossenen Grundbuchs festgestellt, daß nach der Teilungserklärung den Eigentumswohnungen je ein Wageneinstellplatz und den gewerblich genutzten Sondereigentumseinheiten jeweils mehrere Wageneinstellplätze zugeordnet sind. Nicht frei von rechtlichen Bedenken ist zwar die Feststellung des LG, an den Wageneinstellplätzen bestehe Sondereigentum. Denn solches kann nach § 3 II 2 WEG nur dann bestehen, wenn die Einstellplätze in einem überdachten Raum liegen und ausreichend markiert sind; an Wageneinstellplätzen auf dem nicht überdachten Oberdeck einer Sammelgarage oder auf dem Grundstück selbst kann Sondereigentum nicht begründet werden, weil in diesen Fällen eine geschlossene Raumeinheit nicht vorhanden ist (Weitnauer,WEG, 8. Aufl., § 3 Rdnr. 62). Jedenfalls an den auf dem Oberdeck der Parkpalette angeordneten Einstellplätzen besteht also kein Sondereigentum. Zur Art der Markierung der Einstellplätze im Bereich der überdachten Parkpalette hat das LG keine Feststellungen getroffen. Auch insoweit ist die Feststellung, es bestehe Sondereigentum, also zweifelhaft.
Die Frage, ob Sondereigentum an den Wageneinstellplätzen besteht, bedarf jedoch keiner weiteren Aufklärung. Denn es ist davon auszugehen, daß die Teilungserklärung in der Beschreibung der Sondereigentumseinheiten im Bestandsverzeichnis - entsprechend dem von dem LG wörtlich zitierten Einzelfall des dem Ast. zu 1 gehörenden Sondereigentums Nr. 101 - die Wageneinstellplätze als „dazugehörig“ bezeichnet. Sofern damit wegen der örtlichen Verhältnisse oder einer nicht ausreichenden Markierung ein Sondereigentum an den Wageneinstellplätzen nicht entstanden ist, hat die Teilungserklärung jedenfalls ein durch Bezugnahme im Grundbuch eingetragenes, jeden Gebrauch eines Nichtberechtigten ausschließendes Sondernutzungsrecht des jeweiligen Eigentümers nach § 15 I WEG begründet. Zur Abwehr unberechtigter Benutzung hat dieses Recht dieselbe Wirkung wie das Sondereigentum.
b) Aus dieser Zuordnung der Wageneinstellplätze zum Sondereigentum hat das LG gefolgert, der Wohnungseigentümerbeschluß entspreche den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung und sei deshalb gültig. Diese Ansicht ist nicht frei von Rechtsfehlern. Denn das LG hat die durch eine Auslegung der Teilungserklärung gebotene Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen der Wohnungseigentümer nicht ausreichend gewürdigt.
Mehrere Wageneinstellplätze sind nur denjenigen Sondereigentumseinheiten zugeordnet, die gewerblich genutzt werden dürfen. Diese Einstellplätze sollen also im Interesse der Berufsausübung offensichtlich auch Patienten oder Kunden der Eigentümer oder Mieter dieser Sondereigentumseinheiten dienen. Daraus ist zu schließen, daß eine nach § 15 II WEG mit Mehrheit zu beschließende, den Zugang zur Parkpalette regelnde Bestimmung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung nur dann entspricht, wenn sie auch das Interesse dieser Eigentümer an einem zumutbaren Zugang zur Parkpalette für ihre Patienten oder Kunden gebührend berücksichtigt. Der angefochtene Wohnungseigentümerbeschluß tut dieses jedoch nicht; denn er bestimmt nur, daß die Parkpalette ganztägig verschlossen zu halten ist. Damit berücksichtigt er ausschließlich das Interesse derjenigen Wohnungseigentümer, deren Sondereigentum nur ein Wageneinstellplatz zugeordnet ist, an der ungestörten Benutzung ihres Platzes. Der Zugang für Patienten oder Kunden der Wohnungseigentümer, die in der Anlage ihr Gewerbe oder ihren Beruf betreiben, ist jedoch praktisch ausgeschlossen oder zumindest in unzumutbarem Maße erschwert. Diese Regelung verstößt damit gegen eine Vereinbarung, nämlich die in der Teilungserklärung enthaltene Bestimmung, daß Sondereigentümer, denen die Nutzung mehrerer Einstellplätze zusteht, diese für ihre Kundschaft bereithalten dürfen. Der angefochtene Wohnungseigentümerbeschluß widerspricht deshalb den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.
Der in dem angefochtenen Beschluß zitierte, bestandskräftige, in der Versammlung vom 25. 10. 1976 gefaßte Wohnungseigentümerbeschluß führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn in jenem Beschluß haben die Wohnungseigentümer keine Regelung dahin getroffen, daß die Parkpalette ganztägig verschlossen bleiben soll. Die dort getroffene Regelung hat nur zum Inhalt, daß die Parkpalette von 19.00 bis 6.00 Uhr verschlossen werden soll. Die ganztägige Verschließbarkeit ist dort lediglich als eine denkbare Möglichkeit erwähnt, nicht aber in die von den Wohnungseigentümern beschlossene Regelung als deren Teil tatsächlich einbezogen worden. Damit bedarf keiner Erörterung, ob der gesetzliche Anspruch auf angemessene Gebrauchsregelung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 15 III WEG) überhaupt durch die Bestandskraft früherer Eigentümerbeschlüsse dauernd beeinträchtigt werden kann.
2. Zum Verpflichtungsantrag
a) Die Ast. beantragen, die übrigen Wohnungseigentümer zu verpflichten, die Parkpalette täglich von 6.00 bis 22.00 Uhr unverschlossen zu halten. Das LG hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - diesen Antrag ohne besondere Erörterung ebenfalls zurückgewiesen. Das jedoch ist, weil der Anfechtungsantrag begründet ist, nicht frei von Verfahrensfehlern. Das LG hat seine verfahrensrechtliche Pflicht verkannt, die Ast. dazu zu veranlassen, einen sachgerechten Antrag zu stellen (s. hierzu Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 13. Aufl., § 12 Rdnr. 26).
Mit dem Verpflichtungsantrag begehren die Ast., durch eine ersetzende gerichtliche Entscheidung eine Gebrauchsregelung nach § 15 III i.V. mit § 43 I Nr. 1 WEG zu treffen (vgl. Senat, NJW-RR 1994, 912 = WE 1994, 339 = OLGZ 1994, 527 zur Zulässigkeit einer ersetzenden gerichtlichen Entscheidung zur Regelung der Parkplatzbenutzung). Sie haben zwar nur beantragt, die Wohnungseigentümer zu verpflichten, die Parkpalette täglich von 6.00 bis 22.00 Uhr unverschlossen zu halten. Gegenstand des Verfahrens ist aufgrund dieses Antrages jedoch nicht nur die begehrte konkrete Regelung, die allein den Interessen der gewerbetreibenden Wohnungseigentümer entspricht, sondern auch jede andere sachgerechte Regelung, die dem Wortlaut des Antrages zwar nicht entspricht, als ein die Interessen aller Wohnungseigentümer berücksichtigendes Minus von ihm aber auch erfaßt wird. Das Rechtsschutzbegehren des Ast. ist in einem solchen Fall, in dem eine konkrete, aber unangemessene Gebrauchsregelung durch ersetzende gerichtliche Entscheidung begehrt wird, erst dann ausgeschöpft, wenn auch keine Möglichkeit für eine andere sachgerechte Regelung erkennbar ist. Das Gericht darf sich deshalb in solchen Fällen nicht darauf beschränken, den konkreten Verpflichtungsantrag zurückzuweisen, sondern es hat, gegebenenfalls nach Ermöglichung der Beratung und Beschlußfassung in einer neuen Wohnungseigentümerversammlung, durch eigene nach § 12 FGG anzustellende Ermittlungen eine die Interessen aller Wohnungseigentümer berücksichtigende Regelung festzulegen. Nur so ist das durch den konkreten Verpflichtungsantrag unvollständig bezeichnete verfahrensrechtliche Begehren der Ast. zu erfüllen, durch die ersetzende gerichtliche Entscheidung eine interessengerechte Gebrauchsregelung zu schaffen (s. Senat, Beschl. v. 26. 9. 1994 - 24 W 8362/93 zum vergleichbaren Fall, durch ersetzende gerichtliche Entscheidung eine Hausordnung zur Benutzung eines Treppenpodests zu schaffen).
Nach diesen Grundsätzen sind weitere Ermittlungen erforderlich, die der Senat als RechtsbeschwGer. nicht selbst durchführen kann. Die Sache ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.
Die Ast. haben auf die von ihnen begehrte konkrete Regelung nämlich keinen Anspruch, weil auch sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung nicht entspricht. Denn auch diese Regelung schafft keinen Ausgleich der widerstreitenden Interessen, sondern bevorzugt eindeutig die gewerbetreibenden Wohnungseigentümer. Die begehrte ganztägige Öffnung der Parkpalette erfüllt allerdings deren Interesse, ihren Kunden oder Patienten einen ungehinderten Zugang zur Parkpalette zu verschaffen. Es liegt jedoch nahe, daß bei einer ganztägigen Öffnung der Parkpalette auch mehr Kunden oder Patienten Zugang finden, als dem jeweiligen Wohnungseigentümer Wageneinstellplätze zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen sind. Ferner besteht auch die naheliegende Gefahr, daß dieser Personenkreis die im unteren Geschoß der Palette liegenden, der Sondernutzung einzelner Wohnungseigentümer zugewiesenen Wageneinstellplätze belegt und nicht die für ihn bestimmten, auf dem Obergeschoß liegenden Parkplätze benutzt. Es liegt auf der Hand, daß dadurch die Interessen derjenigen Wohnungseigentümer, denen ein Recht zur ausschließlichen Nutzung eines einzigen Wageneinstellplatzes zugewiesen ist, in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden können. Denn die Gefahr, daß der ihnen zustehende Einstellplatz von einem Fremden belegt wird, ist offenkundig. Die von den Ast. erstrebte Regelung ist also ebenso einseitig wie die von der Mehrheit der Wohnungseigentümer beschlossene Regelung; denn jede Gruppe verfolgt eine ausschließlich ihren eigenen Interessen dienende Regelung. Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht jedoch nur eine solche Regelung, die die widerstreitenden Interessen zu einem angemessenen Ausgleich bringt.
Es sind mehrere Regelungen denkbar. Das LG durfte sich deshalb nicht darauf beschränken, die Möglichkeit zu verwerfen, die den einzelnen Wohnungseigentümern zugewiesenen Wageneinstellplätze durch Knickpfähle zu sichern. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird vielmehr verschiedene Möglichkeiten der Sicherung auf ihre technische und finanzielle Durchführbarkeit prüfen und das die Interessen aller Bet. am ehesten wahrende System auswählen müssen. Erst wenn die dazu erforderliche Mehrheit sich in der Wohnungseigentümerversammlung nicht findet, wird das Gericht nach dem Grundsatz der Amtsermittlung (§ 12 FGG) gegebenenfalls nach Erhebung des Sachverständigenbeweises durch eine ersetzende gerichtliche Entscheidung eine die gegenläufigen Interessen aller Wohnungseigentümer so weit wie möglich ausgleichende ersetzende Regelung bestimmen müssen.
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