Aufklärungspflicht des Hausverkäufers über Hochwassergefahr

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

08. 11. 1991


Aktenzeichen

V ZR 193/90 (Koblenz)


Leitsatz des Gerichts

Der Verkäufer eines Hausgrundstückes hat eine Aufklärungspflicht bezüglich einer ihm bekannten latenten Hochwassergefahr.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit notariellem Vertrag vom 18. 7. 1986 verkaufte die Bekl. den Kl. (Eheleute) ein Hausgrundstück. Es grenzt in nördlicher Richtung an den W-Bach und in östlicher Richtung an einen künstlich angelegten Mühlgraben. Die Sachmängelgewährleistung wurde ausgeschlossen ("ohne Haftung für Flächeninhalt und Beschaffenheit, für sichtbare und unsichtbare Mängel“). Der Kaufpreis beträgt 180000 DM. Wegen eines noch offenen Restbetrages von 30000 DM betreibt die Bekl. die Zwangsvollstreckung aus der insoweit vollstreckbaren notariellen Urkunde. Die Kl. behaupten u. a., die Bekl. habe ihnen eine Hochwassergefährdung des Hauses arglistig verschwiegen, und leiten daraus einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 49763,26 DM her. Sie haben beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde in Höhe von 30000 DM für unzulässig zu erklären und die Bekl. zur Zahlung von 19763,26 DM zu verurteilen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Das BerGer. hält es für nicht bewiesen, daß die Bekl. auf ausdrückliches Befragen eine Hochwassergefährdung des Hauses verneint hat. Ungefragt habe die Bekl. die Hochwassergefährdung nicht offenbaren müssen, weil sich dieser Umstand wegen der den Käufern bekannten örtlichen Lage des Hausgrundstücks geradezu aufgedrängt habe. Vom W-Bach habe die Bekl. während ihrer Besitzzeit niemals Hochwasser im Haus gehabt. Soweit einmal Wasser in den unteren Räumen des Hauses gestanden habe, sei dies von dem damals nicht richtig regulierten Mühlgraben verursacht worden.

2. Soweit das BerGer. eine Zusicherung zur Frage der Hochwassergefährdung mangels Beweises verneint, wird das Urteil von der Revision nicht angegriffen.

3. Im übrigen halten die Ausführungen des BerGer. den Revisionsrügen nicht stand.

... b) Rechtlich fehlerhaft ist das Berufungsurteil schon insoweit, als es eine Aufklärungspflicht der Bekl. über die Hochwassergefährdung verneint. Für die Feststellung, den Käufern habe sich eine Hochwassergefährdung des Kaufgrundstücks geradezu aufdrängen müssen, fehlt es - wie die Revision mit Recht rügt - an jeder tatsächlichen Begründung (§ 286 I 2 ZPO). Allein aus der Lage eines Grundstücks zwischen zwei Gewässern folgt ohne weitere, hier nicht festgestellte, Umstände nicht dessen Hochwassergefährdung. Insoweit ist das Berufungsurteil auch widersprüchlich, weil es weiter davon ausgeht, die Bekl. habe während ihrer Besitzzeit niemals Hochwasser vom W-Bach im Hause gehabt; die einmalige Wasserüberflutung der unteren Räume sei durch den damals nicht richtig regulierten Mühlbach verursacht worden. Das kann nur bedeuten, insoweit habe sich gerade keine allgemeine situationsbedingte Hochwassergefahr des Mühlbachs verwirklicht. Darüber hinaus wird die Hochwassergefahr zum Fehler für das Hausgrundstück insbesondere, weil dieses insoweit nicht genügend abgesichert ist. Davon geht auch das BerGer. aus. Gerade die fehlende Absicherung gegen eindringendes Hochwasser ist aber ein bei Besichtigung nicht ohne weiteres erkennbarer Mangel, der für den Kaufentschluß von wesentlicher Bedeutung und deswegen zu offenbaren ist (vgl. st. Rspr. des Senats, z. B. NJW-RR 1988, 1290 = LM § 123 BGB Nr. 68 = WM 1988, 1449 (1450)). Die Bekl. hätte die Kl. deshalb auf die mangelnde Sicherung des Hauses gegen Hochwasser hinweisen und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber aufklären müssen, daß es in der Vergangenheit mindestens einmal, und zwar im Frühjahr vor Vertragsschluß, zu einer Überschwemmung der unteren Räume des Hauses gekommen war.

Fehlerhaft sind deshalb auch die Erwägungen, mit denen das BerGer. eine Arglist der Bekl. verneint. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß nur einmal Wasser in die unteren Räume des Hauses eingedrungen ist, weil der Mühlgraben nicht richtig reguliert war, wäre der Vorwurf der Arglist nicht ausgeräumt. Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels handelt arglistig, wer einen Fehler mindestens für möglich hält, gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, daß der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Nimmt der Verkäufer an, der Käufer sei aufgrund von Indizien in der Lage, den Mangel zu erkennen, so handelt er, der Verkäufer, gleichwohl arglistig, wenn er sich bewußt hierum nicht kümmert und in Kauf nimmt, daß der Käufer, weil er die Prüfung unterläßt, den Vertrag abschließt, den er bei Kenntnis des Mangels nicht geschlossen hätte (st. Rspr. des Senats; vgl. z. B. NJW 1989, 42 = LM § 463 BGB Nr. 54 = WM 1989, 1735 (1736)). Auch der einmalige Wassereintritt infolge fehlerhafter Regulierung des Mühlgrabens hat der Bekl. gezeigt, daß ihr Haus nicht gegen Hochwasser gesichert ist. Dies stellt den offenbarungspflichtigen Mangel dar, den sie nicht verschweigen durfte, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, jedenfalls bedingt vorsätzlich gehandelt zu haben. Dies gilt um so mehr, als die Überschwemmung im Frühjahr 1986, also nur wenige Monate vor Abschluß des Kaufvertrages, eingetreten war.

c) Mit Recht rügt die Revision auch die Feststellung des BerGer., die Bekl. habe in ihrer Besitzzeit niemals Hochwasser vom W-Bach im Haus gehabt, als verfahrensfehlerhaft. In der Berufungsinstanz hatten die Kl. neue Zeugen dafür angeboten, daß es in den Jahren vor Vertragsschluß regelmäßig zu mehreren Überflutungen des Hauses gekommen sei, die sowohl den Keller als auch das Erdgeschoß betroffen hätten, beispielsweise im Jahr 1985. Diese Beweisantritte durfte das BerGer. nicht als unsubstantiiert behandeln, denn nähere Angaben, die den Zeitpunkt und weitere Einzelheiten betrafen, waren nicht erforderlich, weil sie für die Rechtsfolge (arglistiges Verschweigen eines Fehlers) nicht von Bedeutung sind (vgl. BGH, NJW 1984, 2888 (2889)). Ferner hatten die Kl. für die Tatsache ständiger Überschwemmung weiteren Beweis durch Vernehmung einer Zeugin angeboten und diesen Beweis unter Vorlage einer schriftlichen Erklärung der Zeugin dahin präzisiert, daß die Zeugin im Jahr 1984 die Kellerwohnung von Hochwasser und Schlamm gereinigt habe. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Aussage des Zeugen H (Ortsbürgermeister) Bedeutung, der angegeben hat, daß der W-Bach mindestens zwei- bis dreimal jährlich über seine Ufer tritt und dabei das Hochwasser bis an das verkaufte Haus gelangt. Mit dieser Aussage hat sich das BerGer. nicht befaßt.

Das Berufungsurteil ist deshalb unter Zurückverweisung des Rechtsstreits aufzuheben. Die Kl. werden bei der erneuten Verhandlung Gelegenheit haben, auf ihre weiteren Bedenken gegen das Berufungsurteil zurückzukommen.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

BGB § 276