Mit Katzennetzanbringung an Balkon als zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung - Nachahmerprävention

Gericht

OLG Zweibrücken


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

09. 03. 1998


Aktenzeichen

3 W 44/98


Leitsatz des Gerichts

Wird der Gesamteindruck einer Wohnanlage baulich verändert und wird dadurch der optische Gesamteindruck der Wohnanlage beeinträchtigt, gelten besonders strenge Maßstäbe. Das gilt besonders dann, wenn ein Katzenetz am vorderen Abschluss des als Loggia ausgestalteten Balkons unter Zugriff auf das Gemeinschaftseigentum angebracht werden soll.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. zu 1 ist Sondereigentümerin der Wohnung im Erdgeschoß. Vor ihrem als Loggia ausgestalteten Balkon hat sie an dessen vorderen Abschluß an der Innenseite ein „Katzennetz„ angebracht, um zu verhindern, daß ihre Perserkatzen bei offenstehender Balkontür vom Balkon auf die Straße gelangen können. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 12. 5. 1997 haben die Miteigentümer mit großer Mehrheit den Verwalter beauftragt, die Entfernung des Netzes am Balkon der Wohnung der Bet. zu 1, wenn erforderlich, auch mit anwaltschaftlicher und gerichtlicher Hilfe durchzusetzen.

Auf Antrag der Bet. zu 1 hat das AG Speyer diesen Beschluß für ungültig erklärt und dies damit begründet, daß das beanstandete Netz von dunkler Farbe und optisch kaum wahrnehmbar sei, so daß das Gesamtbild der Fassade nicht beeinträchtigt werde. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der sonstigen Miteigentümer hat das LG Frankenthal (Pfalz) den Beschluß des AG abgeändert und den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde der Bet. zu 1 hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

2. ... Das Anbringen des Netzes stellt eine bauliche Veränderung i.S. des § 22 I 1 WEG dar. Die Vorinstanz hat unwidersprochen festgestellt, daß die Bet. zu 1 zu dessen Befestigung in das zum gemeinschaftlichen Eigentum zählende, ihren Balkon umrandende äußere Mauerwerk eingegriffen hat . . . Die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zu dieser Maßnahme wäre deshalb nach § 22 I 2 WEG nur dann nicht erforderlich, als durch die bauliche Veränderung deren Rechte nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden. Eben dies ist aber der Fall. Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß unter einem Nachteil i.S. des § 14 Nr. 1 WEG nicht nur eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung zu verstehen ist, wenn auch ganz geringfügige Beeinträchtigung außer Betracht bleiben können. Als in diesem Sinne nachteilig sind vielmehr auch Veränderungen, die das architektonische Aussehen, das ästhetische Bild oder den Stil des Anwesens verändern. Eine deutlich sichtbare bauliche Veränderung kann schon begrifflich nicht als geringfügig vernachlässigbar eingestuft werden. Es ist auch nicht Sinn und Zweck der Regelung des § 22 I 2 WEG, die Zulässigkeit einer baulichen Veränderung davon abhängig zu machen, ob eine nicht ganz unerhebliche Veränderung des optischen Eindrucks, der architektonischen und ästhetischen Gestaltung eines Bauwerks nach dem Urteil des letztinstanzlich entscheidenden Richters als ästhetisch geglückt anzusehen ist oder nicht. Der Schutz der Wohnungseigentümer erfordert es vielmehr, Veränderungen des optischen Eindrucks der Gesamtanlage schlechthin von ihrer Zustimmung abhängig zu machen, mag eine beabsichtigte Veränderung von einem Teil der Betrachter auch als nicht nachteilig oder gar vorteilhaft empfunden werden (Senat, NJW-RR 1987, 1358). Diese Auffassung teilt die wohl h.M. in Rechtsprechung und Literatur (vgl. nur Palandt/Bassenge, BGB, 57. Aufl., § 22 WEG Rdnr. 9; Röll, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 22 WEG Rdnrn. 32, 33 - anders aber Rdnr. 21; KG, WE 1992, 256; OLG Düsseldorf, WE 1990, 203, u. FGPrax 1995, 102; OLG Köln, WE 1990, 172; OLG Celle, WuM 1995, 338). Demgegenüber erachtet insbesondere das BayObLG nicht jede Änderung des architektonischen Erscheinungsbilds als einen nicht hinzunehmenden Nachteil. Dies sei nur bei einer nicht ganz unerheblichen negativen Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage der Fall (WuM 1997, 186 m. w. Nachw.; in diesem Sinne auch Bärmann/Pick/Merle, WEG, 7. Aufl., § 22 Rdnr. 125; zum Streitstand s. auch Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 22 Rdnr. 14 m. w. Nachw.). Welcher Auffassung zu folgen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn auch nach der dargestellten engeren Betrachtungsweise, insbesondere des BayObLG, ist der angefochtene Beschluß der Wohnungseigentümer nicht zu beanstanden.

Die Feststellung, ob eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung darstellt, liegt weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet; das RechtsbeschwGer. kann die tatsächliche Würdigung des LG gem. § 27 I 2 FGG, § 561 II ZPO nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüfen, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht (vgl. BayObLG, NJWE-MietR 1997, 112). Rechtsfehlerfrei hat das LG festgestellt, daß das Katzennetz bei Betrachten der Hausfassade ohne weiteres erkennbar ist. Es stellt keine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) dar, daß die Zivilkammer keinen Augenschein an Ort und Stelle eingenommen, sondern sich im Hinblick auf die in Frage stehenden Veränderungen mit den von der Bet. zu 1 zum Beweis selbst vorgelegten Lichtbildern begnügt hat; auch damit konnte das Gericht hier ausreichende Klarheit über die Erkennbarkeit der optischen Veränderungen gewinnen (vgl. BayObLG, NJWE-MietR 1997, 112; OLG Hamm, DWE 1995, 158). In der Tat belegen die Lichtbilder die getroffenen Feststellung. Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des Senats hat sich die Zivilkammer in der angefochtenen Entscheidung zu einer etwaigen nicht ganz unerheblichen negativen Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage folgerichtig nicht geäußert. Dahingehende Feststellungen vermag indes der Senat anhand der von der Bet. zu l selbst vorgelegten und durch die Zivilkammer zum Gegenstand der Erörterung gemachten Lichtbilder selbst zu treffen (zur Zulässigkeit vgl. Keidel/Kuntze, FGG Teil A, 13. Aufl. § 27 Rdnr. 59; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rdnr. 45).

Das Katzennetz bewirkt eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage, wie sie ausweislich des von der Bet. zu 1 angegriffenen Beschlusses der Eigentümerversammlung offenbar auch die große Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer empfindet.

Das einheitliche und harmonische Bild der Fassade wird für den Betrachter deutlich erkennbar und störend unterbrochen. Bei der Gestaltung einer Gebäudefassade gelten insoweit besonders strenge Anforderungen (vgl. BayObLG, MDR 1986, 853; NJW-RR 1991, 722 [723]). So sind z.B. in der Rechtsprechung ästhetische Beeinträchtigungen bzw. Verschlechterungen des optischen Erscheinungsbilds durch ca. 15cm vorstehende Rolladenkästen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1418), eine Ladenmarkise (KG, NJW-RR 1995, 587) oder Balkonmarkise (BayObLG, NJW-RR 1996, 266) anerkannt. Zu Recht hat das LG darauf hingewiesen, daß im Falle der Zulässigkeit des Katzennetzes auch anderen Vögel, Katzen, Hunde oder sonstige Tiere haltenden Wohnungseigentümern das Anbringen unterschiedlichster Netze (bei Vogelhaltung z.B. sehr engmaschig) gestattet werden müßte und infolgedessen nicht auszuschließen wäre, daß eine Vielzahl von Balkonen in unschöner Weise - fast an eine Baustelle erinnernd - zugehängt wären.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht