Verwirkung der Maklercourtage wegen Unterdrückung eines Mängelgutachtens

Gericht

OLG Naumburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

21. 08. 2001


Aktenzeichen

9 U 84/01


Leitsatz des Gerichts

Der Makler kann den Anspruch auf Provision verlieren, wenn er ein ihm bekanntes Gutachten, das zahlreiche Mängel des Objekts dokumentiert, vorsätzlich nicht an seinen Auftraggeber weiterleitet.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl., ein Makler, hat den Bekl. nach dem Kauf eines Hausgrundstücks, das er nachgewiesen hatte, auf Zahlung der Courtage in Anspruch genommen. Der Bekl. hat u.a. eingewandt, der Kl. habe den Courtageanspruch verwirkt, weil er ihm ein Gutachten über erhebliche Baumängel des Gebäudes nicht vor dem Kauf zugeleitet habe.

Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Jedenfalls scheidet ein Provisionsanspruch des Kl. auf Grund der von ihm unterlassenen Übermittlung des Verkehrswertgutachtens an den Bekl. aus. Nach § 654 BGB ist der Anspruch auf Maklerlohn ausgeschlossen, wenn der Makler vertragswidrig auch für den anderen Teil tätig geworden ist. Nach der Rechtsprechung enthält diese Vorschrift den Ausdruck eines allgemeinen Verwirkungsgedankens. Hiernach kommt eine analoge Anwendung in Betracht, wenn der Makler sich seines Lohnes für „unwürdig“ erwiesen hat. Das ist dann der Fall, wenn er seine Treuepflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer dem Vorsatz nahe kommenden grob leichtfertigen Weise verletzt hat. Hierfür ist nicht nur allgemein ein treuwidriges Verhalten des Maklers erforderlich, das unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung zu behandeln wäre. Die Bestimmung des § 654 BGB hat vielmehr Strafcharakter und soll den Makler bei Vermeidung des Verlustes seiner Vergütung anhalten, die ihm gegenüber seinem Auftraggeber obliegende Treuepflicht zu wahren. Daher bemisst sich das Gewicht der dem Makler vorzuwerfenden Pflichtverletzung nicht so sehr nach der objektiven Seite, nämlich dem Ausmaß der Folgen des Verstoßes oder der vertragsgemäßen Bedeutung der konkret verletzten Verpflichtung. Vielmehr ist bei der Anwendung des Verwirkungsgedankens von der Rechtsprechung immer in erster Linie der subjektive Tatbestand der Treuepflichtverletzung hervorgehoben worden. In diesem Zusammenhang sind Art und Umfang des zwischen Makler und Auftraggeber bestehenden Vertrauensverhältnisses maßgeblich, das insbesondere von der wirtschaftlichen Bedeutung des Geschäfts und der (Un-)Erfahrenheit des Auftraggebers abhängt. Erfasst werden auch Pflichtverletzungen im vorvertraglichen Stadium, da es keinen Unterschied machen kann, ob der Makler Treuepflichten gegenüber seinem Auftraggeber vor oder nach Abschluss des Vertrages verletzt.

Ebenso kommt es nicht darauf an, ob dem Auftraggeber durch die Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist (BGHZ 36, 323 [326] = NJW 1962, 734; BGH, WM 1970, 1270; 1981, 590 [591]; LM § 654 BGB Nr. 15 = MDR 1985, 741; NJW-RR 1990, 372 = VersR 1990, 266 [267]; NJW-RR 1992, 817 [818]; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1986, 601 [602]; OLG Hamm, VersR 1995, 1235; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995, 500).

Unter Anwendung der vorgenannten Kriterien ist vorliegend eine Verwirkung anzunehmen. Nach dem - vom Kl. zum einen Teil ausdrücklich zugestandenen und zum anderen Teil unwidersprochen gebliebenen (§ 138 III ZPO) - Vorbringen des Bekl. hat die Verkäuferin des Grundstücks, die M, hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstückes ein Gutachten durch Dipl.-Ing. U erstellen lassen, in dem zahlreiche Baumängel und Bauschäden an dem Mehrfamilienhaus festgestellt worden sind, u.a. Feuchtigkeitsschäden im Mauerwerk, Schimmelpilzbildung, mangelhafte Wärmeschutzisolierung, mangelnder Schallschutz, fehlerhafter Innenausbau sowie Mängel an den Ver- und Entsorgungssystemen. Dieses Gutachten ist dem Kl. von der Verkäuferin zum Zeitpunkt seiner Vermittlungstätigkeit für den Bekl. und noch vor dem Abschluss des Hauptvertrags am 30. 12. 1999 zugeleitet worden. Eine Weiterleitung an den Bekl. hat der Kl. vorsätzlich unterlassen. Zu einer derartigen Weiterleitung war der Kl. jedoch auf Grund des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses verpflichtet. Hiernach oblag es dem Kl., dem Bekl. sämtliche Informationen zukommen zu lassen, die für dessen Kaufentscheidung von Bedeutung sein konnten. Dies galt hier nicht zuletzt deshalb, weil es sich bei dem in Rede stehenden Objekt um ein nur teilsaniertes Gebäude gehandelt hat (vgl. u.a. die Angaben im Kurz-Exposé) und ein potenzieller Käufer ein erhebliches Interesse an den von einem Sachverständigen getroffenen Feststellungen zur Notwendigkeit der Durchführung bestimmter Sanierungsmaßnahmen hat, um die Wirtschaftlichkeit und die Finanzierbarkeit des beabsichtigten Kaufs sachgerecht beurteilen zu können. Hinzu kommt, dass es sich vorliegend bei dem Bekl. - für den Kl. erkennbar - um eine in Baufragen unerfahrene Person gehandelt hat, während der Kl. als Makler über eine Geschäftserfahrenheit verfügt und ausweislich der Beschreibung des von ihm geführten Unternehmens auf weiteren Geschäftsfeldern tätig ist.

Aus den vorgenannten Gründen ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Kl. den Bekl. bewusst über die im Sachverständigengutachten enthaltenen Informationen zum Sanierungsbedarf des Objekts im Unklaren gelassen hat, um dessen Kauf durch den Bekl. nicht zu gefährden. Dass der vereinbarte Kaufpreis von 210000 DM unter dem im Gutachten ermittelten Verkehrswert von 264000 DM liegt, führt zu keiner anderen Bewertung, da es, wie oben ausgeführt, auf die Frage des Vorliegens eines Schadens nicht ankommt. Im Übrigen wären in diesem Zusammenhang auch die Kosten für die laut Sachverständigengutachten vorzunehmenden Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen, jedenfalls diejenigen, deren Erforderlichkeit für den Bekl. ohne Kenntnis des Gutachtens nicht erkennbar gewesen ist.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht