Unterhaltsberechnung: Differenzmethode für Einkünfte neben Kinderbetreuung

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

06. 08. 2001


Aktenzeichen

14 WF 107/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Erwerbseinkünfte, die neben der Betreuung von zehn und sieben Jahre alten Kindern erzielt werden, stammen im Regelfall in vollem Umfang aus unzumutbarer Arbeit. Solche Einkünfte sind um die Kinderbetreuungskosten und einen Betreuungsbonus zu bereinigen und mit dem verbleibenden Betrag teilweise bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.

  2. Einkünfte aus unzumutbarer Arbeit neben der Kinderbetreuung sind mit dem anrechenbaren Betrag im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. verlangt Prozesskostenhilfe für die Abänderung einer notariellen Urkunde vom 29. 11. 1996 über einen nachehelichen Unterhalt von 1040 DM, der mit der Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit schon einverständlich seit 1998 auf 540 DM monatlich herabgesetzt wurde, auf 0 DM. Die Bekl. versorgt unverändert die minderjährigen Töchter A (geb. 7. 12. 1990) und V (geb. 23. 2. 1994), für die sie das alleinige Sorgerecht hat. Der Kl. hat seine Abänderungsklage darauf gestützt, dass die Bekl. inzwischen mit einem neuen Partner zusammenlebe, ein eigenes Haus bewohne und wieder erwerbstätig sei. Hinsichtlich der zusätzlichen Einkünfte, insbesondere der aus unzumutbarer Arbeit, nach der Scheidung müsse auch nach der Entscheidung des BGH vom 13. 6. 2001 (NJW 2001, 2254) die Anrechnungsmethode angewandt werden.

Durch die angefochtene Entscheidung hat das AG den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Beim Kl. sei von einem Nettoeinkommen nach Abzug des Kindesunterhalts (1004 DM) von 2556 DM auszugehen, bei der Bekl. von 1950 DM, wovon gleichfalls ein Tabellensatz von 1004 DM und Kinderbetreuungskosten von 300 DM abzuziehen seien, so dass 656 DM verblieben. Für das Zusammenleben mit dem neuen Partner seien allenfalls Ersparnisse von monatlich 400 DM anzusetzen. Anwendbar sei die Differenzmethode; aus der Differenz von 1500 DM (2556 DM-1056 DM) errechne sich ein Unterhalt von 642 DM (3/7), so dass eine Herabsetzung unterhalb des schon einverständlich reduzierten Betrags von 540 DM nicht gerechtfertigt sei. Mit der Beschwerde rügt der Kl. den Abzug eines Tabellenunterhalts von 1004 DM vom Einkommen der Bekl. zuzüglich zu einem Betrag von 300 DM für Kinderbetreuungskosten. Dem Einkommen der Bekl. von 1904,52 DM seien 270 DM Kindergeld (½ von 540 DM), 300 DM für kostenfreies Wohnen und 650 DM für das Zusammenleben mit einem Dritten hinzuzurechnen, so dass sich ein Einkommen von 3124,52 DM ergebe. Dem Kl. verblieben dagegen bei einem Nettoeinkommen von 3560,15 DM nach Abzug des ab 1. 7. 2001 erhöhten Kindesunterhalts (2 × 569 DM) nur 2422,15 DM. Anzuwenden sei auch nach der Entscheidung des BGH die Anrechnungsmethode, da jedenfalls das Einkommen der Bekl. aus Versorgungsleistungen für einen neuen Partner die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt habe.

Die Beschwerde des Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 1. Zunächst ist klarzustellen, dass das Entgelt aus Erwerbsfähigkeit, das die Bekl. erzielt, in vollem Umfang aus unzumutbarer Tätigkeit stammt. Bei Betreuung und Versorgung von zwei minderjährigen Kindern im Alter von zehn und sieben Jahren ist nach allgemeiner Auffassung keine Erwerbstätigkeit zumutbar (BGH, NJWE-FER 1996, 15 = FamRZ 1996, 1067; Oldenburger Leitlinien zum 1. 7. 2001, III B 2b, NJW 2001, Beil. von H. 33, S. 40 = FamRZ 2001, 975; vgl. Überblick bei Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rspr. zur Höhe des Unterhalts, 7.Aufl., 2000, Rdnr. 403). Das gilt auch dann, wenn die Sorgeberechtigte mit einem neuen Lebenspartner zusammenwohnt, der voll berufstätig ist. Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen im Streitfall nicht vor.

Abzuziehen vom Einkommen aus unzumutbarer Arbeit sind - wie sonst auch - die durch die Erwerbstätigkeit notwendigen Betreuungskosten (vgl. z.B. Bayerische Leitlinien zum 1. 7. 2001 Nr. 10e, NJW 2001, Beil. zu H. 33, S. 11 = FamRZ 2001, 819), im Streitfall ein Betrag von 300 DM. Dem Betreuenden ist außerdem ein Betreuungsbonus zuzubilligen, wobei die Höhe von den Umständen abhängt (vgl. Büttner/Niepmann, NJW 2001, 2215 [2224] m.w. Nachw.). Im Streitfall erscheint ein Betrag von 300 DM angemessen. Entgegen der Auffassung des AG ist jedoch bei unzumutbarer Erwerbstätigkeit des Betreuenden nicht ein dem Barunterhalt entsprechender Betrag für die Kindesbetreuung abzuziehen. Mit dem Abzug der Betreuungskosten und des Betreuungsbonus (s.oben) und der nur teilweisen Anrechnung des Einkommens aus wegen der Doppelbelastung unzumutbarer Arbeit (s. unten) wird bereits berücksichtigt, dass der Betreuende eine überobligatorische Arbeit leistet. Es liefe auf eine Doppelberücksichtigung hinaus, wenn außerdem ein dem Barunterhalt entsprechender Teil vorab vom Einkommen aus unzumutbarer Tätigkeit abgezogen würde, denn anders als der Barunterhaltsverpflichtete wendet der Betreuende diesen Betrag nicht auf, sondern leistet die Betreuung zusätzlich zu seiner Erwerbstätigkeit.

Das danach bereinigte Einkommen aus unzumutbarer Arbeit (1904 DM-300 DM-300 DM = 1304 DM) ist beim Ehegattenunterhalt nur entsprechend § 1577 II BGB zu berücksichtigen (BGH, NJW 1983, 933 = FamRZ 1983, 146 und seitdem allg. Rspr.). Eine Anrechnung kommt daher nur in Betracht, wenn der Berechtigte zusammen mit dem Unterhalt den vollen Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen hat; der Mehrbetrag ist nach Billigkeit anzurechnen, wobei vielfach eine Anrechnung zu 50% vorgeschlagen wird (z.B. für den Regelfall OLG Hamm, Leitlinien zum 1. 7. 2001, Nr. 31.2, NJW 2001, Beil. zu H. 33, S. 31). Aus ihrer Erwerbstätigkeit ist daher bei der Bekl. ein Einkommen von 652 DM (½ von 1304 DM) zu berücksichtigen.

2. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist das Kindergeld auch nicht anteilig dem Einkommen hinzurechnen, denn es ist eine staatliche Zuwendung für das Kind und diese ist nur über den Kindesunterhalt zu verrechnen; es wird nicht zum Einkommen des Betreuenden oder Barunterhaltspflichtigen gerechnet (vgl. Bayerische Leitlinien Nr. 9 zum 1. 7. 2001, NJW 2001, Beil. zu H. 33, S. 11 = FamRZ 2001, 818; § 1612b V BGB). Ob es Sonderfälle gibt, in denen das anders zu beurteilen ist, kann offen bleiben, denn diese liegen hier nicht vor.

3. Versorgungsleistungen für einen neuen Partner können allenfalls mit einem Betrag von 200 DM angesetzt werden. Bei einer vollschichtigen Berufstätigkeit neben der Betreuung von zwei Kindern im Alter von sieben und zehn Jahren verbleibt keine wesentliche Arbeitskraft für die Versorgung eines Partners, zumal nicht etwa konkret vorgetragen ist, welche besonderen Leistungen insoweit erbracht würden, insbesondere keine Kinder des neuen Partners betreut werden. Auch unter Berücksichtigung von „Haushaltsersparnissen“ ergibt sich nichts anderes, denn die Bekl. erspart dadurch nur trennungsbedingten Mehrbedarf, steht aber nicht besser als in der Ehe, in der sie auch mit einem erwerbstätigen Partner zusammenlebte.

4. Mit dem AG ist auch nicht davon auszugehen, dass der Bekl. außerdem ein Wohnwertvorteil zuzurechnen ist, denn die Bekl. trägt den Wohnwert übersteigende Belastungen. Für den Ansatz einer Mietersparnis fehlt es an hinreichend konkretem Vortrag. Insgesamt ist daher bei der Bekl. von einem Einkommen von 652 DM + 200 DM auszugehen.

5. Das Einkommen aus unzumutbarer Arbeit in Höhe von 652 DM ist im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen; dies ergibt sich schon daraus, dass bereits im abzuändernden Vergleich insoweit die Differenzmethode angewandt wurde, wie das AG mit Recht ausführt. In der Sache folgt es auch daraus, dass für Einkünfte aus unzumutbarer Arbeit nichts anderes gelten kann als für Einkünfte aus zumutbarer Arbeit, die ebenfalls im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen sind (BGH, NJW 2001, 2254 = FamRZ 2001, 986). Auch sie sind (im beschriebenen Umfang) als Surrogat einer bisherigen Nurbetreuung anzusehen. Soweit der BGH in früheren Entscheidungen (z.B. NJW-RR 1998, 721 = FamRZ 1998, 1501) die Auffassung vertreten hat, Einkünfte aus unzumutbarer Arbeit könnten nicht als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend angesehen werden, ist dies mit der neuen Entscheidung vom 13. 6. 2001 (NJW 2001, 2254 = FamRZ 2001, 986) nicht vereinbar, denn die Erwerbsarbeit nach Trennung oder Scheidung wird nun generell als Surrogat der bisherigen Kinderbetreuung angesehen, ohne dass darauf abgestellt wird, ob Arbeit wegen des Alters der Kinder schon zumutbar ist. Andernfalls könnte sich ergeben, dass wegen des Alters der Kinder zunächst die ungünstigere Abzugsmethode und dann später die günstigere Differenzmethode angewandt wird und - im Einzelfall ohne Betreuungskosten - der Berechtigte sich durch Teilanrechnung der unzumutbaren Arbeit nicht besser stünde als bei der Unterhaltsberechnung nach der Differenzmethode.

Beispiel: 4000 DM-2000 DM Einkommen aus zumutbarer Arbeit = 2000 DM Differenz, davon 3/7 als Unterhalt = 857 DM. Dagegen 4000 DM, davon 3/7 = 1714 DM abzüglich (6/7 von 1000 DM =) 857 DM (= 50% der Einkünfte aus unzumutbarer Arbeit abzüglich Erwerbstätigenbonus) = 857 DM.
Zusätzliche Einkünfte aus Versorgungsleistungen für einen neuen Partner haben dagegen die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt, so dass sie im Wege der Abzugsmethode zu berücksichtigen sein können. Das bedarf im Streitfall keiner weiteren Begründung, da die Beschwerde auch dann ohne Erfolg bleibt, wie folgende Rechnung zeigt: 2422 DM (Einkommen des Kl. nach Abzug des Kindesunterhalts ab 1. 7. 2001) - 652 DM (anrechenbares Erwerbseinkommen der Bekl.) = 1770 DM, davon 3/7 = 758 DM-200 DM (Abzug der Versorgungsvergütung) = 558 DM. Dieser Betrag liegt höher als der Betrag von 540 DM, auf den der Titel bereits einverständlich herabgesetzt ist, so dass die weiter gehende Abänderungsklage keine Aussicht auf Erfolg hat.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht

Normen

BGB §§ 1578 I, 1577