Unwirksamkeit eines Unterhaltsverzichts
Gericht
OLG Schleswig
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
19. 12. 2000
Aktenzeichen
8 UF 201/99
Ein Unterhaltsverzicht ist nichtig, wenn er für die Vertragsparteien erkennbar zur Sozialhilfebedürftigkeit des Verzichtenden führt.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien hatten im Dezember 1992 die Ehe geschlossen. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Klägerin begehrt nachehelichen Unterhalt. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Unterhaltsverzichts. Für die 1961 geborene Klägerin war es die zweite Ehe. Aus ihrer ersten Ehe stammen zwei Kinder, die sich in einer Pflegefamilie befinden. Die Klägerin hat den Beruf einer Verkäuferin erlernt. Während des Zusammenlebens der Parteien hat sie überwiegend Sozialleistungen erhalten. Sie leidet unter schweren Depressionen, insulinpflichtigem Diabetes, chronischer Pankreatitis und ist im Jahre 1994 an einem Zervix-Karzinom operiert worden. Zurzeit bezieht sie Sozialhilfe.
Der 1959 geborene Beklagte war bis August 1997 Angestellter der Post. Das Arbeitsverhältnis ist einvernehmlich aufgelöst worden, der Beklagte hat eine Abfindung erhalten. Bis Juni 1998 hat er Arbeitslosengeld erhalten, danach wegen einer Umschulungsmaßnahme bis April 2000 Unterhaltsgeld. Er sollte zum Versicherungskaufmann ausgebildet werden. Danach hat er etwa 1 1/2 Monate eine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Seit September 2000 ist er arbeitslos.
Die Parteien haben sich im April 1996 getrennt. Juli 1997 schlossen sie eine notariell beurkundete Scheidungsfolgenvereinbarung, in der unter anderem ein Verzicht auf Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich sowie nachehelichen Unterhalt vereinbart worden ist.
Das FamG hat den Antrag auf Ehegattenunterhalt zurückgewiesen. In den Gründen heißt es, die Klägerin habe gem. § 1585c BGB wirksam auf Ehegattenunterhalt verzichtet. Sie sei bereits bei Eheschließung krank und nicht erwerbsfähig gewesen. Somit wäre sie auch ohne Eheschließung sozialhilfebedürftig gewesen. Im Übrigen sei die Ehe relativ kurz gewesen.
Die Berufung der Klägerin hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Die Klägerin hat derzeit keinen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten gem. §§ 1572 oder 1573 BGB, weil der Beklagte nicht leistungsfähig ist. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung, also der 1.3.2000.
Allerdings hat die Klägerin nicht wirksam auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. Das ist im Hinblick auf Abänderungsmöglichkeiten gem. § 323 ZPO, die auch bei klagabweisenden Urteilen bestehen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 323 Rz. 22), festzustellen.
Nach § 1585c BGB können Ehegatten über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung Vereinbarungen treffen, insoweit besteht grundsätzlich Formfreiheit. Jedoch ist ein solcher Unterhaltsverzicht wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn er für die Vertragsparteien erkennbar zur Sozialhilfebedürftigkeit des Verzichtenden führt, auch wenn er nicht auf einer Schädigungsabsicht der Ehegatten zu Lasten des Sozialhilfeträgers beruht (BGH v. 8.12.1982 - IV b ZR 333/81, FamRZ 1983, 137 [139] = MDR 1983, 296; v. 9.7.1992 ?XII ZR 57/91, FamRZ 1992, 1403 = MDR 1993, 53). Maßgeblich kommt es auf den aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter der Vereinbarung an, wobei Beurteilungszeitpunkt der Vertragsabschluss ist (OLG Düsseldorf v. 8.11.1995 - 5 UF 102/95, FamRZ 1996, 734 [735]). Im Zeitpunkt des Abschlusses der Scheidungsfolgenvereinbarung war die Klägerin nicht erwerbstätig, sie war seit 1995 fast ständig arbeitsunfähig krank. Das war dem Beklagten bekannt. Ob er gewusst hat, dass sie bei Abschluss der Vereinbarung Sozialhilfe bezogen hat, ist nicht entscheidend. Ihm war der Krankheitsverlauf der Klägerin bekannt, für die Annahme, dass sie bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung gesund und arbeitsfähig gewesen sei, hat er keine konkreten Anhaltspunkte vortragen können. Für die Unwirksamkeit der Vereinbarung ist es ausreichend, dass der Beklagte in Kauf genommen hat, dass die Klägerin infolge des Unterhaltsverzichts der Allgemeinheit zur Last fallen würde. Das ist hier ohne weiteres anzunehmen und hat sich auch tatsächlich bestätigt.
Die Ansicht des FamG, der Unterhaltsverzicht sei nicht sittenwidrig, weil die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung auch ohne Eheschließung sozialhilfebedürftig geworden wäre, ist nicht zutreffend. Denn die Klägerin hätte im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung kraft Gesetzes Unterhaltsansprüche gegen den Beklagten gehabt, die unabhängig davon bestehen, ob sie bereits bei Eheschließung sozialhilfebedürftig gewesen ist. Es kommt allein auf die Frage an, ob dieser Verzicht wirksam ist oder nicht.
Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin scheitert jedoch zurzeit an der mangelnden Leistungsfähigkeit des Beklagten.
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