Berücksichtigung des Bedarfskontrollbetrages beim Kindesunterhalt

Gericht

OLG Schleswig


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

11. 01. 1999


Aktenzeichen

13 WF 168/98


Leitsatz des Gerichts

Bei der Berechnung des Kindesunterhalts sind auch angesichts der Entscheidung BGH, NJW 1997, 1919ff. die Bedarfskontrollbeträge weiterhin von Bedeutung.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. ist die minderjährige Tochter des Bekl. und macht gegen ihn Unterhaltsansprüche geltend. Mit Beschluss vom 17. 6. 1998 hat das AG - FamG - ihr teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt. Das AG ist dabei von einem monatlichen Nettoeinkommen des Bekl. von durchschnittlich 3706 DM ausgegangen und hat berücksichtigt, dass der Bekl. nicht nur der Kl., sondern zwei weiteren minderjährigen Kindern, nämlich dem am 8. 4. 1985 geborenen A und dem am 24. 4. 1988 geborenen B unterhaltspflichtig ist. Im Hinblick auf diese weiteren Unterhaltsverpflichtungen hat das AG nicht die Gruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle zum Kindesunterhalt zu Grunde gelegt, in die der Bekl. mit dem angegebenen Einkommen eigentlich fiele, sondern hat nach einer Herabstufung die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Kl. - der dem Grunde nach zwischen den Parteien nicht streitig ist - nach der Gruppe 4 der Tabelle ermittelt. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, bei Berechnung des Unterhalts nach Gruppe 5 der Tabelle wäre in Anbetracht der weiteren Unterhaltsverpflichtungen der dieser Tabellengruppe entsprechende Bedarfskontrollbetrag von 1950 DM (bis 1. 7. 1998), danach von 1900 DM nicht gewahrt. Soweit die Kl. ihren Unterhaltsbedarf nach Gruppe 5 der Tabelle berechnet, hat das AG Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht versagt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kl., mit der sie die Auffassung vertritt, die Höhe ihres Unterhaltsanspruchs sei ohne Rücksicht auf Bedarfskontrollbeträge zu ermitteln, da diese bedeutungslos geworden seien. Das Rechtsmittel blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Zu Recht hat das AG in der Entscheidung über die Nichtabhilfe darauf verwiesen, dass die Bedarfskontrollbeträge weiterhin zu berücksichtigen seien.

Die Kl. stützt ihre Auffassung, die Bedarfskontrollbeträge seien bedeutungslos geworden, auf die grundlegende Entscheidung des BGH zur Berücksichtigung des Kindergeldes im Mangelfall (NJW 1997, 1919ff.) und eine sich anschließende Entscheidung des OLG Hamm (NJW 1998, 3128 f.). Nach Auffassung des Senats kommt jedoch den Bedarfskontrollbeträgen auch in Anbetracht der genannten Entscheidungen weiterhin Bedeutung zu. In der Entscheidung über die Berücksichtigung des Kindergeldes im Mangelfall hat der BGH zu der Frage der Bedeutung und Berücksichtigung der Bedarfskontrollbeträge nicht Stellung genommen. Er hat dort lediglich ausgeführt, dass die zuvor geübte Praxis, in Befolgung der Leitlinien der Düsseldorfer Tabelle den Kindesunterhalt im Mangelfall stets mit den Mindestsätzen aus der ersten Gehaltsgruppe zu bemessen, im Einzelfall zu ungerechten Ergebnissen führen könne und daher geändert werden müsse. Auch im Mangelfall sei der angemessene Tabellenunterhalt zu ermitteln und dem Wert der Tabelle entsprechend dem Einkommen des Unterhaltsschuldners zu entnehmen. In einer weiteren Stufe der Berechnung sei das im Rahmen der Mangelverteilung gewonnene Ergebnis darauf zu überprüfen, ob im konkreten Einzelfall die Aufteilung des verfügbaren Einkommens insgesamt billig und angemessen sei.

Aus dieser Entscheidung hat das OLG Hamm die Schlussfolgerung gezogen, die in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Bedarfskontrollbeträge hätten grundsätzlich, und zwar auch außerhalb eines Mangelfalles, ihre Bedeutung verloren. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht erkennbar, warum der Bedarf eines Kindes außerhalb eines Mangelfalles wegen Unterschreitens des Bedarfskontrollbetrages niedriger bemessen werden sollte als dann, wenn ein Mangelfall vorliege. Ließe man dies zu, so könnte bei einer relativ hohen „Mangelquote“ der im Wege der Mangelverteilung errechnete Anspruch höher sein als der Betrag, der einem Kind außerhalb einer Mangelfallberechnung zuzuerkennen wäre. Offen gelassen hat das OLG Hamm in seiner Entscheidung die Frage, ob die auch vom BGH erwähnte Angemessenheitskontrolle des Ergebnisses letztlich doch wieder zur Anwendung der Bedarfskontrollbeträge führen würde.

Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus der grundlegenden Entscheidung des BGH nicht zwingend, dass die Bedarfskontrollbeträge insgesamt ihre Bedeutung verloren hätten. Ohne dass es im vorliegenden Fall einer grundsätzlichen Entscheidung hierüber bedürfte, hat jedenfalls hier das AG zu Recht die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Kl. nach einer Herabstufung aus der Gruppe 4 ermittelt. Solange sich Unterhaltsansprüche in Bereichen der höheren Gruppen der Düsseldorfer Tabelle bewegen, kann sich die vom OLG Hamm zur Stützung seiner Auffassung herangezogene Situation, dass sich bei einer hohen „Mangelfallquote“ ein höherer Unterhaltsanspruch ergäbe als außerhalb einer Mangelfallberechnung, nicht ergeben. Im Übrigen sehen die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Schleswig (NJW 1998, 2425, D.2.c) für diesen Fall vor, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes im Mangelfall begrenzt wird durch den Tabellenbetrag nach der Düsseldorfer Tabelle abzüglich anteiligen Kindergeldes, so dass eine Besserstellung nicht eintreten kann.

Unter diesen Vorgaben ist weiterhin der Bedarfskontrollbetrag von Bedeutung, weil er einen sachlich nachvollziehbaren Maßstab dafür bildet, um die auch vom BGH geforderte angemessene Verteilung des zur Verfügung stehenden Einkommens zu überprüfen. Soweit - wie im vorliegenden Fall vom AG rechnerisch richtig ermittelt - unter Zugrundelegung der vorgetragenen Einkünfte des Bekl. und seiner weiteren Unterhaltsverpflichtungen der Kontrollbetrag von 1950 DM bzw. 1900 DM aus der Gruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle nicht gewahrt ist, hat daher eine Herabstufung zu erfolgen. Die Höhe der Unterhaltsansprüche der Kl. ergibt sich aus der Gruppe 4 der Tabelle.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht

Normen

BGB § 1603 I