Kein Ausschluß des Trennungsunterhalts wegen gefestigter nichtehelicher Lebensgemeinschaft

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

09. 02. 1990


Aktenzeichen

3 UF 5801/89


Leitsatz des Gerichts

  1. Hatte der im Ausland berufstätige unterhaltspflichtige Ehemann dort mit anderen Frauen sexuelle Kontakte und wendet sich anschließend die Ehefrau einem anderen Mann zu, ist der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 6 BGB nicht anwendbar.

  2. Ein Sachverhalt, der für einen Härtegrund gem. § 1579 Nrn. 1 bis 6 BGBB nicht ausreicht, kann ausnahmsweise unter den Auffangtatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB fallen.

  3. Ist die Ehefrau eine gefestigte Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann eingegangen, steht ihr trotz überobligationsmäßiger Berufstätigkeit (hier: wegen Kindesbetreuung) kein Unterhalt zu, wenn ihr Mindestbedarf durch ihre Eigeneinkünfte gedeckt ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. nimmt den Bekl., von dem sie getrennt lebt, auf Unterhalt in Höhe von 1800 DM monatlich ab März 1988 in Anspruch. Aus der Ehe der Parteien sind zwei Kinder hervorgegangen, der am 26. 12. 1982 geborene Sohn F und die am 27. 8. 1984 geborene Tochter S. Nach der Geburt des F ließ sich die Kl., die Lehrerin ist, ohne Dienstbezüge beurlauben; im März 1986 bemühte sie sich um die Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit; seit dem 3. 7. 1986 ist sie teilzeitbeschäftigt. Inzwischen ist F eingeschult worden, und die Kl. hat ihre Tätigkeit ab August 1989 auf eine halbe Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 reduziert, um - so ihr Vortrag - sich ausreichend um die beiden Kinder, insbesondere den Schulanfänger F, kümmern zu können. Der Bekl. war in Deutschland zuletzt als wissenschaftlicher Assistent an der Universität tätig. Sein Wunsch ging von jeher dahin, im Ausland zu arbeiten. Im August 1986 nahm er eine zunächst auf ein Jahr begrenzte berufliche Tätigkeit im Rahmen der Entwicklungshilfe in Ghana auf. Für die Tätigkeit in Ghana, die er nach wie vor ausübt, wurde er von der Universität beurlaubt. Die Absprache der Parteien ging dahin, daß die Kl. dem Bekl., falls sich dessen berufliche Verhältnisse in Ghana festigten und nachdem eine passende Unterkunft gefunden war, mit den Kindern folgen sollte. Als der Bekl. um die Jahreswende 1986/87 seinen Urlaub bei der Familie in Berlin verlebte, machte die Kl. deutlich, daß sie sich ein Leben in Ghana für sich kaum vorstellen könne, wobei die klimatischen Verhältnisse eine Rolle spielten, aber auch die Tatsache der wiederaufgenommenen Lehrertätigkeit. Es wurde ein Besuch der Familie bei dem Bekl. für die Sommerferien vereinbart. Die Kl. wußte von dem Bekl. selbst, daß er sexuelle Beziehungen zu einer Ghanesin unterhielt. Im Februar 1987 teilte die Kl. dem Bekl. brieflich mit, daß sie doch nicht im Sommer 1987 nach Ghana kommen, sondern sich ein neues Leben in Berlin aufbauen wolle. Bei dem nächsten Besuch des Bekl. in Berlin im April 1987 eröffnete sie ihm ihren Trennungswunsch, den sie auch aufrechterhielt, als der Bekl. seine Bereitschaft erklärte, die Tätigkeit in Ghana nicht fortzusetzen, sondern nach Berlin zurückzukommen. Der Bekl. erfuhr von der Kl., daß es seit Anfang des Jahres 1986 zwischen ihr und dem in einem Einfamilienhaus in der Nachbarschaft wohnenden B eine Beziehung gab und daß die Kl. an ein Zusammenleben mit diesem Mann dachte. Nachdem dessen Frau das Haus verlassen hatte, zog die Kl. mit den Kindern Ende September/Anfang Oktober 1987 ein; Mithausbewohner ist außerdem der 18jährige Sohn des B. Am 20. 11. 1987 brachte die Kl. das Ehescheidungsverfahren in Gang, das noch nicht abgeschlossen ist. Am 10. 10. 1987 war in Ghana ein Sohn des Bekl. aus dessen dortiger Verbindung hervorgegangen. Für F und S zahlt der Bekl. Kindesunterhalt.

Das AG - FamG - hat die mit Zahlung von 1800 DM monatlich gerichtete Klage abgewiesen. Die Kl. macht mit ihrer Berufung geltend, daß sich ihr Bedarf ab August 1989 erhöht habe, nachdem sie nur noch eine halbe Lehrerstelle bekleide und ihr eine darüber hinausgehende Erwerbstätigkeit wegen der beiden Kinder, die ihrer Betreuung bedürften, nicht zuzumuten sei. Ihr Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Es kann unter den Umständen des vorliegenden Falles dahingestellt bleiben, ob die von dem Bekl. getrennt lebende Kl. die Voraussetzungen des § 1361 I BGB für einen Anspruch auf Unterhalt erfüllte und in welcher Höhe dieser Unterhaltsanspruch gegebenenfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Einkünfte der Parteien und ihrer Belastungen angemessen wäre; denn der Senat teilt die Ansicht des AG, daß der Kl. gem. § 1361 III BGB i. V. mit § 1579 Nr. 7 BGB in entsprechender Anwendung ein Anspruch auf Unterhalt während des Getrenntlebens für die Zeit ab März 1988 zu versagen ist.

Bei der entsprechenden Anwendung des § 1579 Nr. 7 BGB, auf den sich der Bekl. berufen hat und der § 1579 I Nr. 4 BGB a. F. entspricht, verkennt der Senat nicht, daß es sich um den Auffangtatbestand der Härteklausel handelt, der ihre Anwendbarkeit beim Vorliegen eines „anderen“ Grundes, „der ebenso schwer wiegt wie die in den Nrn. 1 bis 6 aufgeführten Gründe“, sicherstellen soll. Die Anwendung des § 1579 Nr. 7 BGB macht damit deutlich, daß der Härtegrund des § 1579 Nr. 6 BGB, den der Bekl. zunächst ebenfalls zu bedenken gegeben hatte, hier verneint wird; denn es läßt sich nicht feststellen, daß - wie es § 1579 Nr. 6 BGB voraussetzt - der Kl. ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten (Bekl.) zur Last fällt, weil sie sich während der Ehe mit dem Bekl. einem anderen Mann, nämlich dem B, zugewandt hat und mit ihm eine nicht nur flüchtige Beziehung eingegangen ist. Der Bekl. hat nicht in Abrede gestellt, daß er schon vor dem Jahr 1986, in dem die Beziehung der Kl. zu B ihren Anfang genommen hat, während seiner Aufenthalte in Ghana mit anderen Frauen oder einer anderen Frau liiert war. Dabei mag es durchaus sein, daß der Bekl. diesen sexuellen Kontakten keine Bedeutung für den Bestand seiner Ehe beigemessen und sie der Kl. auch niemals verschwiegen hat; daß diese Kontakte von der Kl. über längere Zeit offensichtlich ohne nennenswerten Protest hingenommen worden sind, weil ihr die Einstellung des Bekl., daß diese Kontakte mit der Ehe und seiner Zuneigung zu ihr (Kl.) nichts zu tun hätten, bekannt war, schließt es aber nicht aus, dieses Verhalten - wie die Beziehung der Kl. zu B - objektiv als ein eheliches Fehlverhalten zu werten. Welchem Fehlverhalten das größere Gewicht beizumessen ist, braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden, weil es für die Nichtanwendung des § 1579 Nr. 6 BGB genügt, festzustellen, daß sich kein einseitiges Fehlverhalten der Kl. ergeben hat; denn die Einseitigkeit eines Fehlverhaltens wird durch Verfehlungen von einigem Gewicht seitens des anderen Ehegatten ausgeräumt (BGH, NJW 1982, 1461 = FamRZ 1982, 463 (464)), und die außerheblichen Kontakte des Bekl. haben immerhin auch zu der Geburt eines Kindes in Ghana am 10. 10. 1987 geführt.

Obwohl ein Sachverhalt, der für einen der Härtegründe des § 1579 Nrn. 1 bis 6 BGB nicht ausreicht, in der Regel den Auffangtatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB nicht erfüllen kann (BGH, NJW 1987, 1761 (1763)), gilt das für eine Beziehung wie die der Kl. zu B unter den besonderen Umständen, die hier festzustellen sind, nicht; denn wenn ein Unterhaltsberechtigter wie die Kl. zu einem neuen Partner ein auf Dauer angelegtes Verhältnis aufnimmt, kann das Erscheinungsbild dieser Verbindung in der Öffentlichkeit dazu führen, daß eine Unterhaltsbelastung und der damit verbundene Eingriff in Handlungsfreiheit und Lebensgestaltung für den Unterhaltspflichtigen unzumutbar werden (vgl. BGH, NJW 1983, 1548 = FamRZ 1983, 569 (572); NJW 1989, 1083 = 1989, 487 (490)). Diese Voraussetzungen und mit ihnen der Härtegrund des § 1579 Nr. 7 BGB sind hier gegeben; denn die Beziehung der Kl. zu B hat sich „in einem solchen Maße verfestigt, daß damit gleichsam ein nichteheliches Zusammenleben an die Stelle einer Ehe getreten ist“ (BGH, NJW 1989, 1083 = FamRZ 1989, 487 (491); das macht die Belastung des Bekl. durch Inanspruchnahme wegen Unterhalts von seiten der Kl. unzumutbar, weil sie grob unbillig wäre.

Dabei wird keineswegs außer acht gelassen, daß die Kl. hier Unterhalt für die Zeit ab März 1988 beansprucht und daß nicht jedes Zusammenleben sofort zu unterhaltsrechtlichen Konsequenzen führt; denn erst nach einem gewissen Zeitablauf läßt sich verläßlich beurteilen, ob die Partner nur „probeweise“ zusammen leben oder „auf Dauer in einer verfestigten Gemeinschaft“ (BGH, NJW 1989, 1083 = FamRZ 1989, 487 (491)). Entgegen der Ansicht der Kl. ist das Bestehen einer derartigen „verfestigten Gemeinschaft" zwischen ihr und B aber für die Zeit ab Mitte März 1988 bereits festzustellen. Dem steht nicht entgegen, daß die Kl. unstreitig erst Ende September 1987 in das Einfamilienhaus des B gezogen ist; denn eine feste soziale Verbindung setzt nicht notwendig einen gemeinsamen Haushalt voraus (BGH, NJW 1984, 2692 = FamRZ 1984, 986 (987)). Hier kommt hinzu, daß die Kl. schon früher zu B gezogen wäre, wenn nicht noch die Ehefrau des B mit dort gewohnt hätte, der es zunächst an einer passenden neuen Unterkunft fehlte; das ergibt sich aus dem Brief der Kl. an den Bekl. vom Pfingsmontag 1987. An dem „nichtehelichen Zusammenleben" der Kl. mit B besteht nach der Schilderung, die der Bekl. in seinem Schriftsatz vom 6. 11. 1989 von den Räumlichkeiten im Hause des B und seiner Aufteilung gegeben hat, kein Zweifel; die Kl. hat der Schilderung nicht mehr widersprochen:

Nach welchem Zeitablauf festgestellt werden kann, daß sich eine Beziehung zu einem nichtehelichen Zusammenleben verfestigt hat und ein Härtegrund i. S. von § 1579 Nr. 7 BGB daraus zu folgern ist, läßt sich nicht allgemein verbindlich festlegen. Eine „gewisse Mindestdauer" der Beziehung mag erforderlich sein; ob diese Mindestdauer in der Regel „kaum unter zwei bis drei Jahren liegen dürfte“, wie der BGH annimmt (NJW 1989, 1083 = FamRZ 1989, 487 (491)), oder ob unter Umständen schon ein bis zwei Jahre genügen (Soergel-Häberle, BGB, 12. Aufl. (1989), § 1579 Rdnr. 25), bedarf hier keiner Entscheidung, weil auch die Anforderungen, die der BGH im Regelfall annimmt, erfüllt sind; denn seit Anfang des Jahres 1986, als die Kl. die Beziehung zu B aufgenommen hat, waren bis Februar 1988 jedenfalls mehr als zwei Jahre vergangen. In dieser Zeit hat die Kl. nicht nur unvermindert an B festgehalten wie dieser an ihr, sondern sie hat die Trennung von dem Bekl. herbeigeführt, sie hat ihre eigene Wohnung aufgegeben und ist mit den Kindern der Parteien in das Haus von B übergesiedelt, und sie hat die Ehescheidung eingeleitet, obwohl der Bekl. bereit gewesen wäre, die Ehe fortzusetzen; diese Umstände machen deutlich, in welchem Maße sich die Beziehung der Kl. zu B bis zum März 1988 verfestigt hatte und daß für die Kl. bereits zu diesem Zeitpunkt „ein nichteheliches Zusammenleben" an die Stelle ihrer Ehe mit dem Bekl. getreten war.

Daß die Inanspruchnahme des Bekl. auf Unterhalt für die Kl. grob unbillig i. S. von § 1579 BGB wäre, gilt auch „unter Wahrung der Belange“ der beiden minderjährigen Kinder der Parteien, die der Kl. „zur Erziehung anvertraut" sind. Die Belange der Kinder sind gewahrt, weil deren Pflege und Erziehung trotz Versagung des Unterhaltsanspruchs der Kl. gesichert bleibt; denn selbst jetzt, seit die Kl. nur noch eine halbe Lehrerstelle innehat, verfügt sie nach eigenen Angaben über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages von rund 2560 DM; das ist weit mehr als das, was die Wahrung der Belange der Kinder erfordert; denn dafür genügt es schon, daß die Kl. mehr Geld zur Verfügung hat, als sie „zur Deckung eines Mindestbedarfs benötigt“ (BGH, NJW 1990, 253 = FamRZ 1989, 1279 (1280)). Der Mindestbedarf eines (unterhaltsberechtigten) Ehegatten, der Haushaltsvorstand und erwerbstätig ist, wird nach der „Düsseldorfer Tabelle" (NJW 1988, 2352 = FamRZ 1989, 911 (913) seit dem 1. 1. 1989 auf 1100 DM veranschlagt; dieser Betrag verbleibt der Kl. selbst dann noch, wenn sie sich, wie sie vorträgt, mit 1200 DM als „Miete“ an den Unkosten des Hauses des B pro Monat beteiligt, was in diesem Zusammenhang - obwohl es der Bekl. bestreitet - ohne weiteres als richtig unterstellt werden kann. Daß der Bekl. für die gemeinsamen Kinder der Parteien einen angemessenen Unterhalt zahlt, ist der Vollständigkeit halber wenigstens zu erwähnen.

Daß die Kl. in Anbetracht der von ihr betreuten Kinder, die beide noch keine acht Jahre alt sind, nicht unbedingt erwerbstätig zu sein brauchte (vgl. BGH, NJW 1983, 1427 (1429)), schließt die grobe Unbilligkeit einer Inanspruchnahme des Bekl. nicht aus; denn die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit der Kl. im Juli 1986 entsprach ihrer freien Entschließung und ihrem persönlichen Wunsch, und die Kl. hat sich auch nicht etwa selbst darauf berufen, daß sie „überobligationsmäßig“ tätig sei, wenn man davon absieht, daß sie ihre Teilzeitarbeit nach Einschulung des Sohnes F auf eine halbe Planstelle reduziert hat. Das ist aber ohne Bedeutung, weil der Mindestbedarf der Kl. - wie oben schon dargelegt - nach wie vor gedeckt ist.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht; Nichteheliche Lebensgemeinschaft

Normen

BGB § 1579 Nrn. 6, 7