Ordnungsgeld wegen eines Verstoßes gegen ein Unterlassungsurteil, Anwendung der Kerntheorie

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

05. 06. 2003


Aktenzeichen

17HK O 7849/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Schuldner, welcher die Gestaltungsmerkmale eines ihm durch einstweilige Verfügung untersagten Zeitschriften-Logos nach Zustellung der einstweiligen Verfügung nur geringfügig verändert, kann auch hierdurch gegen den „Kern“ des Unterlassungsgebotes verstoßen, sofern die verwechslungsfähigen Merkmale beibehalten werden („Kerntheorie“).

  2. Ein solcher Verstoß gegen den „Kern“ des Unterlassungstenors liegt insbesondere dann vor, wenn die vorgenommenen Abweichungen bei flüchtiger Betrachtungsweise kaum wahrnehmbar sind oder diese nicht einer üblichen Aufmachung bei vergleichbaren Zeitschriften aus diesem Marktsegment entsprechen.

  3. Geht der Gläubiger gegen diese erneute Verletzungshandlung mit einer weiteren einstweiligen Verfügung vor, ist es ihm nicht verwehrt, gleichzeitig einen Ordnungsmittelantrag (§ 890 ZPO) wegen Verstoßes gegen die erste einstweilige Verfügung zu stellen.

  4. Dem Gläubiger ist es in diesem Falle nicht zuzumuten, entweder die rechtskräftige Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag oder über die weitere einstweilige Verfügung abzuwarten, bevor er den jeweils anderen Rechtsbehelf ergreift.

  5. Bei der Höhe des im Ordnungsmittelverfahren festzusetzenden Ordnungsgeldes sind auch subjektive Unlauterkeitskriterien des Schuldners zu berücksichtigen, wenn Umstände vorliegen, aus denen sich dessen Absicht ergibt, den Tenor der einstweiligen Verfügung gezielt und planmäßig zu umgehen, um den Mitbewerber hierdurch zu behindern.

Tenor


Beschluss:

  1. Gegen die Schuldnerin wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von 10 Tagen (jeweils 5.000,00 EUR Ordnungsgeld entsprechen 1 Tag Ordnungshaft), zu vollziehen am Vorstand der Schuldnerin, verhängt.

  2. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens.

  3. Der Streitwert für das Ordnungsmittelverfahren wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

1. Am 25.4.2003 erging auf Antrag der Gläubigerin eine einstweilige Verfügung gegen die Schuldnerin, wonach es ihr bei Meidung von Ordnungsmitteln verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr eine Frauenzeitschrift unter dem Titel "Frau von Heute" herauszugeben oder zu bewerben, wenn dies mit nachfolgend wiedergegebenen Titellogo geschieht:

Die einstweilige Verfügung wurde der Schuldnerin, am 25.4.2003 zugestellt.

Nach Widerspruch der Schuldnerin, wurde die einstweilige Verfügung durch Urteil des Landgerichts München I vom 22.5.2003 bestätigt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Am 2. Mai 2003 brachte die Schuldnerin ihre Frauenzeitschrift "Frau von Heute" in fast identischer Aufmachung heraus. Das Titellogo unterschied sich von dem verbotenen Logo lediglich dadurch, dass die weißen Buchstaben "Frau von Heute" nun mit einem blassen Gelb unterlegt sind:

Die Gläubigerin ist der Auffassung, diese Abwandlung des Titellogos stelle nur eine minimale Abwandlung dar. Die Schuldnerin verstoße damit gegen den Kern der einstweiligen Verfügung.

Die Gläubigerin stellt daher den Antrag:

Gegen die Schuldnerin wegen des Verstoßes gegen das mit der einstweiligen Verfügung vom 25.4.2003 ausgesprochene Verbot ein empfindliches Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen.

Die Schuldnerin beantragt

den Ordnungsmittelantrag zurückzuweisen.

Die Schuldnerin ist der Ansicht, die Gläubigerin könne nicht gleichzeitig einen Ordnungsmittelantrag in diesem Verfahren und den Antrag auf Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung beantragen. Das Landgericht München I hat am 8.5.2003 (Az.: 1 HKO 8616/03) eine neue einstweilige Verfügung gegen die Schuldnerin erlassen, in dem dieser der Titel "Frau von Heute" in der gelben Gestaltung verboten wurde. Durch diese neue einstweilige VerfÜgung demonstriere die Gläubigerin selbst, dass sie mit dem neuen gelben Titellogo keinen Verstoß gegen die erste einweilige Verfügung, sondern einen neuen Streitgegenstand sehe.

Tatsächlich verstoße die neue Zeitschrift nicht gegen den Kern der ersten einstweiligen Verfügung, da sie die einzige Zeitschrift vergleichbaren Inhalts sei, bei der die Titelworte in Gelb auf rotem Grund gehalten seien. Durch die warme Farbe Gelb weiche diese neue Zeitschrift wesentlich von der alten und bei Frauenzeitschriften üblichen Gestaltung der Buchstaben "Weiß auf Rot" ab.

2. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes beruht auf § 890 ZPO. Die Schuldnerin hat gegen den Kern des Verbotes in der einstweiligen Verfügung vom 25.4.03 verstoßen. Der "Kern" des Verbots besteht darin, dass die Gesamtaufmachung des Titellogos von "Frau von Heute" mit dem Titellogo von "Frau im Trend" auf Grund folgender Merkmale höchst verwechslungsfähig ist:

Die spezielle rote Farbe, dieselbe Schriftgröße, derselbe Schrifttyp, die Farbe Weiß für die Buchstaben sowie die Anordnung der Buchstaben innerhalb des Logos.

Das neue Logo der Schuldnerin unterscheidet sich hiervon lediglich in der Farbe der Buchstaben. Durch diese ursprünglich identische Gestaltung des Logos entstand der Eindruck, dass es sich um dieselbe Zeitschrift handelt. Das blasse Gelb der Schuldnerin ist nicht geeignet, den Eindruck zu verwischen. Das Gelb ist so blass gewählt, dass es gegenüber den Käuferinnen, auf die es als maßgebliche Verkehrskreise ankommt, bei flüchtiger Betrachtungsweise kaum ins Auge fällt. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn die Buchstaben zum Beispiel in dunklerer Farbe als das Rot, in einer Komplementärfarbe oder in einem schreienden Gelb gehalten wäre. Dann wäre der Schuldnerin zuzugeben, dass es sich dabei um eine absolut unübliche Aufmachung im Bereich der Frauenzeitschriften handelte. So aber ist das blasse Gelb, das nur eine von mehreren dominierenden Gestaltungsmerkmalen darstellt, nur eine unbedeutende Abweichung von der verbotenen weißen Farbe.

Der Gläubigerin ist es auch nicht verwehrt, sowohl ein Ordnungsmittel als auch eine neue einstweilige Verfügung zu beantragen, wenn sie sicher gehen will, dass die Handlung der Schuldnerin in irgendeiner Form sanktioniert wird. Es ist der Gläubigerin nicht zuzumuten, zunächst entweder die rechtskräftige Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag oder die über die zweite einstweilige Verfügung abzuwarten, bevor sie bei Ablehnung des Antrags den anderen Rechtsbehelf ergreift.

Das Ordnungsgeld war auf 50.000,00 EUR festzusetzen, da es sich um den gezielten und planmäßigen Versuch handelte, die Verbotsverfügung zu umgehen, ohne zugleich das Ziel des Verdrängungswettbewerbs aus dem Auge zu verlieren.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht