Ersetzung der Zustimmung zur Namensänderung
Gericht
OLG Nürnberg
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
15. 04. 1999
Aktenzeichen
11 WF 412/99
Zu den Voraussetzungen, unter denen die Ersetzung der Zustimmung des nicht sorgeberechtigten Elternteils zur Namensänderung des Kindes „zum Wohl des Kindes erforderlich“ ist.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Ast. ist der am 3. 3. 1989 geborene Sohn der Bet. B (Mutter) und S (Vater), deren Ehe rechtskräftig geschieden ist. Die elterliche Sorge für den Ast. wurde der Mutter übertragen. Die Mutter ist seit 25. 7. 1997 wieder verheiratet. Sie führt als Ehenamen den Namen ihres zweiten Mannes. Die Mutter des Ast., ihr Ehemann und der Ast. wollen, daß sie alle drei den gleichen Familiennamen führen. Der Vater hat sein Einverständnis zur Namensänderung nicht gegeben. Auf Antrag des Ast. wurde durch Beschluß des AG - FamG - vom 2. 12. 1998 die Einwilligung des Vaters in die Namensänderung ersetzt.
Die sofortige Beschwerde des Vaters hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
II. Nach § 1618 S. 4 BGB kann die Zustimmung des nicht sorgeberechtigten Elternteils zu einer Namensänderung ersetzt werden, wenn die Änderung des Namens „zum Wohl des Kindes erforderlich ist“. Zur Frage, wann eine derartige Änderung zum Wohl des Kindes erforderlich ist, hat das BVerwG im Rahmen einer Entscheidung vom 10. 3. 1983 zu § 3 I NÄG folgende Grundsätze aufgestellt (BVerwGE 67, 52ff. = NJW 1983, 1866):
„Ein die Namensänderung rechtfertigender Grund ist daher gegeben, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet. Welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, bestimmt sich also (auch) nach dem Gewicht der jeweils im Einzelfall entgegenstehenden Belange. Hat etwa der nicht sorgeberechtigte Elternteil sich um das Wohlergehen des Kindes nur wenig oder gar nicht gekümmert oder selbst infolge Wiederverheiratung einen neuen Namen angenommen, so wird er gegenüber einer Namensänderung seines Kindes eigene schützenswerte Interessen im allgemeinen nicht ins Feld führen können, sondern auf das Vorbringen beschränkt sein, die beantragte Namensänderung werde sich nicht zum Wohle des Kindes auswirken.
Aus dem Gesagten folgt weiter, daß eine Namensänderung nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn sie nur dazu dienen soll, dem Kind mit der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbundene Unannehmlichkeiten zu ersparen, die ohnehin als solche nur altersbedingt und damit vorübergehender Natur sind, die gedeihliche Entwicklung des Kindes aber nicht ernstlich beeinflussen. Denn Kinder können nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten; Kinder aus gescheiterten Ehen müssen daher jedenfalls in gewissem Umfang mit den damit verbundenen Problemen - so auch mit denen einer Namensverschiedenheit nach der Wiederheirat des sorgeberechtigten Elternteils - zu leben lernen. Deswegen geht es nicht an, unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls eine Art Regelvermutung zugunsten einer Namensänderung in Stiefkinderfällen aufzustellen, etwa mit der Begründung, - namentlich kleinere - Kinder geschiedener Eltern hätten in aller Regel unter der Namensverschiedenheit in der neuen Familie zu leiden, so daß eine Namensänderung regelmäßig dem Kindeswohl diene.
Für die Änderung des Familiennamens fehlt es daher insbesondere dann an einem wichtigen Grund, wenn die Namensänderung nur verdecken soll, daß das Kind aus einer geschiedenen Ehe stammt, um den damit im Alltag verbundenen Problemen aus dem Weg zu gehen. Weiter ist zu berücksichtigen, wie sich die Namensänderung auf das Verhältnis zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil auswirkt. Eine stabile persönliche Beziehung des Kindes zum nicht sorgeberechtigten Elternteil ist für das Wohl des Kindes ebenso von Bedeutung (vgl. BVerfGE 31, 194 [209] = NJW 1971, 1447) wie seine Integration in den neuen Familienverband des sorgeberechtigten Elternteils. Das Namensänderungsrecht darf daher nicht dazu herhalten, im Bewußtsein des Kindes die Tatsache zu verdrängen, daß es sozusagen „zwei Väter“ hat; dieser Gesichtspunkt gewinnt insbesondere dann an Gewicht, wenn das Kind bereits eine enge Bindung an den leiblichen Vater entwickelt hatte, und ist vor allem bei größeren Kindern zu beachten. Bei kleineren Kindern kann dagegen - je nach Lage des Falles - das Bedürfnis nach einer neuen stabilen familiären Beziehung so sehr im Vordergrund stehen, daß die Belange des nicht sorgeberechtigten Elternteils an einer namensmäßigen Verlautbarung der Abstammung des Kindes hinter diesem Bedürfnis zurücktreten müssen und damit eine Namensänderung gerechtfertigt erscheint.
Die nachdrückliche und intensive Ablehnung eines leiblichen Elternteils, der durch sein Verhalten zu einer solchen Reaktion keine Veranlassung gegeben hat, ist dagegen als solche - weil in aller Regel Ausdruck einer kindlichen Fehlentwicklung - noch kein Anlaß für eine Namensänderung, und zwar auch dann nicht, wenn das Kind infolge einer negativen Beeinflussung durch die sorgeberechtigte Mutter den leiblichen Vater ablehnt. In diesen Fällen entspricht es vielmehr dem Wohl des Kindes am ehesten, die Ursachen einer solchen Fehlentwicklung abzubauen und damit diese selbst zu beseitigen; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der leibliche Vater als nicht sorgeberechtigter Elternteil aus seiner auch ihm gem. Art. 6 II 1 GG obliegenden Elternverantwortung heraus bemüht, zu dem Kind gute persönliche Beziehungen zu pflegen.“
Diese Grundsätze wendet der Senat auch auf die Neufassung des § 1618 S. 4 BGB an. Die allgemeinen Erwägungen der Integration des Kindes in die neue Familie und der Namensgleichheit in dieser Familie reichen damit nicht aus, um eine Namensänderung gegen den Willen des Vaters zu rechtfertigen.
Auch der Wunsch des Kindes und seine derzeitige Ablehnung von Kontakten mit dem Vater, die wohl auch von der Mutter und ihrem jetzigen Ehemann erheblich mitbeeinflußt ist, reichen für eine derartige Namensänderung nicht aus.
Die Besonderheiten des vorliegenden Falles liegen darin, daß der Vater durch sein Verhalten und seine Äußerungen den Ast. erheblich verunsichert hat. Zwischen den Eltern ist derzeit ein Verfahren beim FamG wegen des Umgangsrechts anhängig. Es waren vorher bereits fünf Verfahren wegen des Umgangsrechts des Vaters mit dem Sohn anhängig. Dazu kommen die Äußerungen des Vaters, „daß F bezüglich seines zukünftigen Lebensraums sowieso zu uns nach W. tendiert und daß sich F nach seinem 14. Lebensjahr auch für ein Leben mit uns entscheiden wird“. Aus den Äußerungen von F bei den verschiedenen Anhörungen ergibt sich, daß der Ast. zur Zeit jedenfalls seinen Vater vollständig ablehnt und jeden Kontakt mit ihm vermeiden möchte. Die immer wieder vorgetragene Behauptung des Vaters, daß der Sohn später ohnehin freiwillig bei ihm leben wolle, muß daher zu einer erheblichen Verunsicherung, verbunden mit einer Angst vor weiteren Versuchen des Vaters, die elterliche Sorge zu erlangen, führen. Diese Verunsicherung und Verängstigung des Kindes kann durch eine Änderung des Namens abgebaut werden. Durch die Einbenennung in die neue Familie wird für den Ast. deutlich gemacht, daß sein Platz auch in dieser Familie ist, und daß er nicht befürchten muß, möglicherweise gegen seinen Willen zu seinem Vater ziehen zu müssen.
Dem steht nicht entgegen, daß der wiederverheiratete Vater ein weiteres Kind hat, das seinen Namen trägt. Eine Gesamtbetrachtung der für und gegen die Ersetzung der Einwilligung des Vaters sprechenden Gründe ergibt, daß im vorliegenden Fall das Wohl des Ast. die Ersetzung der Einwilligung erfordert.
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