Sachenrechtsbereinigungsrechtliche Berechtigung von Käufern ehemals volkseigener Miteigentumsbruchteile an Grundstücken

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

22. 06. 2001


Aktenzeichen

V ZR 202/00 (Naumburg)


Leitsatz des Gerichts

Der Käufer eines ehedem volkseigenen Miteigentumsbruchteils an einem mit einem Eigenheim bebauten Grundstückkann nach § 121 II SachenRBerG zum Ankauf des Bruchteils von dessen jetzigem Inhaber berechtigt sein.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Kl. ist seit dem Jahre 1950 Mieterin des auf dem Grundstück S.-Straße 14a in H. errichteten Einfamilienhauses. Durch notariellen Vertrag vom 5. 6. 1990 mit dem „Justitiar beim Rat der Stadt H.“, der den Oberbürgermeister der Stadt vertrat, kaufte sie eine Miteigentumshälfte an dem Grundstück, die 1954 in Volkseigentum überführt worden war. Der Vertrag wurde im Grundbuch nicht mehr vollzogen. Mit Bescheid vom 19. 8. 1995 wurde der Miteigentumsanteil von dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen an die Bekl., die Erbin der früheren Miteigentümerin, zurückübertragen. Die Kl. hat beantragt, festzustellen, dass ihr ein Ankaufsrecht nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) zusteht, das den Miteigentumsbruchteil zum Gegenstand hat. Das LG hat der Klage stattgegeben, das OLG hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Kl. den Feststellungsantrag weiter.

Die Revision hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. verneint einen Anspruch der Kl. als Nutzerin und Käuferin eines Eigenheims nach § 121 II SachenRBerG. Nach dem Gesetzeswortlaut könne nur ein Gebäudekauf Ansprüche des Nutzers auslösen. Zwar liege es nicht fern, den Kauf eines Eigenheimgrundstücks einzubeziehen. Dies gelte aber nicht für den Kauf eines volkseigenen Miteigentumsanteils, denn § 121 II SachenRBerG lasse diesen Fall, obwohl er im Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. 3. 1990 (GBl DDR I, 157) - im Folgenden: DDR-Verkaufsgesetz/VerkaufsG - vorgesehen gewesen sei, unberücksichtigt. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in Frage, denn ein Miteigentumsanteil könne nicht Gegenstand eines Erbbaurechts sein, sein Ankauf durch den Nutzer sei nicht vorgesehen und laufe dem Ausgleichszweck des § 121 II SachenRBerG entgegen, denn der Zutritt eines neuen Teilhabers bringe Konfliktstoff in die Gemeinschaft.

Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.

II. Die Kl. hat das auf dem Grundstück, um dessen hälftiges Miteigentum die Parteien streiten, errichtete Eigenheim (Gebäude für den Wohnbedarf mit einer oder zwei Wohnungen, § 5 II SachenRBerG) auf Grund eines bis zum Ablauf des 18. 10. 1989 abgeschlossenen Mietvertrags an diesem Tag und zu eigenen Wohnzwecken am 1. 10. 1994 genutzt. Die Voraussetzungen, die § 121 II lit. a und c SachenRBerG für die Ansprüche des Nutzers nach Kapitel 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, darunter das geltend gemachte Ankaufsrecht, aufstellen, sind damit erfüllt. Entgegen der Meinung des BerGer. liegt aber auch das weitere Erfordernis, der Abschluss eines wirksamen, beurkundeten Kaufvertrags mit einer staatlichen Stelle der DDR bis zum Ablauf des 14. 6. 1990 (§ 121 II lit. b SachenRBerG) vor. Über die Wirksamkeit des Vertrags streiten die Parteien nicht. Die auf Grund der DDR-Kommunalverfassung vom 17. 5. 1990 (GBl DDR I, 255) entstandene Stadt H., die jedenfalls nach Art. 231 § 8 II EGBGB als Vertragspartnerin der Kl. gilt, ist als Trägerin der mittelbaren Staatsverwaltung „staatliche Stelle“ i.S. des § 121 II lit. b SachenRBerG. Der Kaufvertrag mit der Stadt hatte auch, wie es die Vorschrift verlangt, das von der Kl. genutzte Eigenheim („dieses Eigenheim“) zum Gegenstand.

1. Allerdings hat die Kl. nicht das Gebäude gekauft, denn Gebäudeeigentum (§ 288 IV DDR-ZGB) war nicht begründet worden. Gegenstand des Kaufs war vielmehr das Grundeigentum, dieses wiederum beschränkt auf einen ideellen Bruchteil. Der Senat hat, was das BerGer. offen gelassen hat, bereits entschieden, dass § 121 II lit. b SachenRBerG auch Kaufverträge über Eigenheimgrundstücke erfasst (VIZ 1999, 605 = LM H. 4/2000 § 121 SachenRBerG Nr. 3 = WM 1999, 2034). Anders als der Kauf eines Grundstücks mitsamt dem Gebäude (§ 295 DDR-ZGB) stellte indessen auch nach dem Recht der DDR der Erwerb eines Miteigentumsanteils keine rechtliche Grundlage für die alleinige und dauernde Nutzung des Eigentums dar. Die Nutzungsbefugnisse der Miteigentümer waren, in den Grundzügen mit dem geltenden Recht vergleichbar, gemeinschaftlich, die Verwaltung des Eigentums stand allen Teilhabern gemeinschaftlich zu (§§ 35, 36 DDR-ZGB); gegen den Verlust der Nutzungsbefugnis durch Aufhebung der Eigentümergemeinschaft waren die Miteigentümer, in den Grenzen des § 41 DDR-ZGB, nicht gefeit. Gleichwohl genügt der vor der Gemeinsamen Erklärung vom 15. 6. 1990 abgeschlossene Kaufvertrag über den volkseigenen Bruchteil des Eigenheimgrundstücks den Anforderungen des § 121 II lit. b SachenRBerG. Denn das DDR-Verkaufsgesetz vom 7. 3. 1990, das die regelmäßige Grundlage für den Vertrauensschutz bildet, den § 121 II SachenRBerG dem Käufer gewährt (vgl. Czub, in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 121 Rdnr. 102), sah den Verkauf volkseigener Miteigentumsanteile an Ein- und Zweifamilienhäusern vor (§ 5 DDR-VerkaufsG). Das DDR-Verkaufsgesetz verzichtete mithin darauf, den Verkauf volkseigenen Grundvermögens an die Bedingung zu knüpfen, dass der Erwerber die Befugnis zur alleinigen Nutzung des Wohnraums erlangte und gegen deren Verlust durch Aufhebung der Gemeinschaft gesichert war. Nach den Durchführungsbestimmungen (§ 4 DDR-DVO/VerkaufsG) war den Zwecken des Verkaufs Genüge getan, wenn der Käufer das Gebäude zum Zeitpunkt des Verkaufs bewohnte oder die künftige persönliche Nutzung durch ihn gesichert war. Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz hat in § 121 II den Vertrauensschutz zwar auf Mieter (Pächter und sonstige vertraglich Nutzungsberechtigte) beschränkt, weitergehende Bedingungen an das Recht zum Ankauf oder zum Erwerb eines Erbbaurechts aber nicht gestellt. Die Zielsetzung des DDR-Verkaufsgesetzes, in der sich angesichts des bevorstehenden Beitritts die Vermögensmehrung durch Auskehr öffentlichen Grundeigentums mit gewerbefördernden und wohnungswirtschaftlichen Vorstellungen vermischte, hat es nicht verlassen. § 121 II SachenRBerG schützt mithin den Vermögenserwerb des Käufers auch dann, wenn die Verwendung des Eigentums zu Wohnzwecken rechtlich nur unvollkommen abgesichert ist.

2. Entgegen der Auffassung des BerGer. ist die Befugnis des Käufers eines volkseigenen Miteigentumsanteils, aus § 121 II SachenRBerG Rechte herzuleiten, mit den Grundsätzen des Kapitels 2 des Gesetzes, auf die die Vorschrift verweist, vereinbar.

a) Zwar kommt ein Anspruch des Nutzers auf Bestellung eines Erbbaurechtes (§§ 3, 15 I, 32ff. SachenRBerG) nicht in Frage, denn die Belastung eines ideellen Miteigentumsanteils am Grundstück mit einem solchen Recht ist nicht möglich. Die Bestellung des Erbbaurechts für den Nutzer ist aber nur eines von mehreren Instrumenten der Sachenrechtsbereinigung, die dem Nutzer nicht in jedem Falle nebeneinander zur Auswahl stehen. Die gesetzlichen Ansprüche des Nutzers können, wie § 15 II und III SachenRBerG zeigen, in besonderen Fällen auf den Ankauf des Grundstücks oder den Erwerb des Erbbaurechts beschränkt sein; in anderen Fällen (§ 15 IV i.V. mit §§ 81ff. SachenRBerG) steht dem Nutzer weder das eine noch das andere Recht zu, vielmehr ist er auf eine Teilhabe am Vermögenswert verwiesen. Der Käufer des ehedem volkseigenen Miteigentumsanteils ist, mit diesen Grundsätzen übereinstimmend, auf das Recht, den Anteil des nunmehrigen Eigentümers, regelmäßig gegen die Hälfte des Bodenwertes, anzukaufen (§§ 65, 68ff. SachenRBerG), beschränkt.

b) Allerdings ist im Sachenrechtsbereinigungsgesetz die Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft zwischen dem Nutzer und dem bisherigen Alleineigentümer des Grundstücks nicht vorgesehen. Beschränkt sich der Anspruch des Nutzers auf eine Teilfläche (§§ 22ff. SachenRBerG), ist deren Abschreibung aber nicht möglich oder zweckmäßig, verweisen §§ 65 II, 66 II, 67 SachenRBerG die Beteiligten auf die Begründung und den Ankauf von Wohnungs- und Teileigentum. Ebenso bestehen Bedenken, mehrere Inhaber eines Nutzungsrechtes jeweils für sich zum Ankauf eines ideellen Bruchteils am Grundstück zuzulassen (vgl. Krauß, in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 65 Rdnr. 19). Denn das Sachenrechtsbereinigungsgesetz bietet keine Grundlage dafür, in das dem Grundeigentümer nach Ausübung der Rechte des Nutzers verbleibende Eigentum einzugreifen. Als Inhaber eines verbleibenden Miteigentumsanteils wäre er dem Anspruch seines Teilhabers, jederzeit die Gemeinschaft aufzuheben (§ 749 BGB), vor allem aber auch dem Aufhebungsrecht des Gläubigers ausgesetzt, der den Miteigentumsanteil des Nutzers gepfändet hat (§ 751 S. 2 BGB; Krauß, in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 65 Rdnrn. 19 u. 28; Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 66 Rdnr. 11). Hierum geht es im Streitfalle aber nicht. Die Bruchteilsgemeinschaft am Grundstück besteht fort. Die Bekl. verliert ihr Eigentum, den restituierten Bruchteil, vollständig. Der Mitberechtigte, dessen Rechtsstellung durch den Anspruch der Kl. keine Beeinträchtigung finden darf, war den Risiken der Bruchteilsgemeinschaft schon bisher ausgesetzt.

c) Die Überlegungen, die dazu führten, dem Mieter das Vorkaufsrecht nach dem Vermögensgesetz zu versagen, wenn nur ein Eigentumsbruchteil Gegenstand der Restitution ist (§ 20 II VermG), lassen sich auf das Ankaufsrecht des Nutzers nach § 121 II SachenRBerG nicht übertragen. Ein auf den restituierten Eigentumsbruchteil beschränktes Vorkaufsrecht liefe leer, wenn die Miteigentümer gemeinsam das gesamte Grundstück veräußern (Plesse, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 20 Rdnr. 16). Das Ankaufsrecht des Nutzers am Bruchteil lässt sich auf diese Weise nicht überspielen, denn er kann es jederzeit ausüben; für den Fall der Veräußerung gewährt ihm die Eintragung eines Vermerks über die Eröffnung des Vermittlungsverfahrens in das Grundbuch Schutz (§ 92 V und VI SachenRBerG).

d) Der Hinweis schließlich, dem vom Ankaufsrecht des Nutzers nicht betroffenen Miteigentümer dürfe kein (störender) Teilhaber aufgezwungen werden, geht fehl. Dieser Möglichkeit ist er als Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft ohnehin ausgesetzt. Den Ausgleich der Interessen, auf den das BerGer. abhebt, sucht § 121 II SachenRBerG im Verhältnis des Nutzers zum weichenden Miteigentümer, nicht dagegen zu dessen künftigem Teilhaber herbeizuführen.

III. Von der Verfassungsmäßigkeit des § 121 II SachenRBerG hat der Senat im Hinblick auf die Gesetzeskraft des Beschlusses des BVerfG vom 16. 5. 2001 (VIZ 2001, 483) auszugehen (§ 31 II BVerfGG).

Rechtsgebiete

Mietrecht