Mietminderung bei zu kleiner Wohnung
Gericht
OLG Karlsruhe
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
28. 12. 2001
Aktenzeichen
17 U 176/00
Es liegt ein Sachmangel der Mietsache vor, wenn die Fläche einer Wohnung erheblich kleiner ist als im Mietvertrag ausgewiesen, da die Wohnung dann nicht mehr dem geschuldeten Zustand entspricht.
1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 7.296,68 nebst 4 %
Zinsen hieraus seit dem 21. Juni 2000 zu zahlen. Im übrigen wird die
Zahlungsklage abgewiesen.
2.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten DM
6.716,16 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 09. August 2000 zu zahlen. Im übrigen
wird die Widerklage abgewiesen.
II.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Kläger 30 % und dem
Beklagten 70 % auferlegt. Die Kosten des Berufungsrechtszuges tragen der Kläger
zu 32 % und der Beklagte zu 68 %.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V.
Die Beschwer der Parteien beträgt weniger als DM 60.000,00.
Die zulässige Berufung, mit der sich der Beklagte - nach der übereinstimmenden Teilerledigung hinsichtlich der Räumungsklage - noch gegen die Verurteilung zur Zahlung rückständiger Mietzinsen und gegen die Abweisung seines Widerklagebegehrens wendet, hat teilweise Erfolg.
Die Klageforderung auf Zahlung restlicher Mietzinsen ermäßigt sich auf DM 7.296,68 nebst 4 % Prozesszinsen. Der im Wege der Widerklage geltend gemachte Bereicherungsanspruch auf Mietzinsrückzahlung ist in Höhe von DM 6.716,16 zuzüglich 4 % Prozesszinsen begründet. Das weitergehende Rechtsmittel war als unbegründet zurückzuweisen.
Klageforderung (Mietrückstände)
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte von der
ursprünglich vereinbarten (Staffel-)Miete im Monat August 1998 und in der Zeit
von September 1999 bis Mai 2000 Mietzinsen von insgesamt DM 9.588,90 nicht
bezahlt hat. Dieser rechnerisch unstreitige Rückstand verringert sich aber auf
insgesamt DM 7.296,68, weil die im Mietvertrag mit 85 m² ausgewiesene Fläche der
Gewerberäume erheblich von der im Berufungsrechtszug vom gerichtlichen
Sachverständigen ermittelten wirklichen Fläche (= 66,60 m²) abweicht. Diese
Flächenabweichung zum Nachteil des Beklagten rechtfertigt eine entsprechende
Mietminderung, die die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses kraft
gesetzlicher Regelung gemäß § 537 BGB a.F. verringert hat.
Das Recht zur
Mietzinsminderung konnte in § 11 des Mietvertrages vom 20.12.1996, der als
Formularvertrag der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz unterliegt, nicht
vollständig ausgeschlossen werden, weil darin eine unangemessene Benachteiligung
des Beklagten i.S. von § 9 ABGB liegt (vgl. Wolf-Eckert, Handbuch des
gewerblichen Mietrechts, 7. Aufl., Rz. 390; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts-
und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. II Rz. 519 m.N.). Der Ausschluss des
Minderungsrechts ist gegenüber einem Unternehmer bei einer Geschäftsraummiete
nach herrschender Auffassung nur dann nicht zu beanstanden, wenn die Klausel
lediglich den Abzug vom Mietzins ausschließt und den Mieter hinsichtlich eines
Minderungsrechtes auf einen Bereicherungsanspruch verweist (vgl. BGH NJW-RR
1993, 519/520). Die vorliegende Regelung in § 11 des Vertrages schließt aber
jedes Recht auf Minderung schlechthin aus, weil sich die Mietzinsschuld trotz
Mangelhaftigkeit der Mietsache nicht mindert und auch überzahlte Beträge nicht
zurückverlangt werden können. Der Kläger hat sich deshalb auch nicht auf einen
vereinbarten Ausschluss des Minderungsrechtes berufen.
Aufgrund der im Berufungsrechtszug festgestellten erheblichen Flächendifferenz war der Mietzins aus dem Gesichtspunkt der Minderung nur in Höhe eines um 21,7 % gekürzten Betrages geschuldet. Um das wirkliche Ausmaß der streitigen Flächenabweichung zu ermitteln, hat der gerichtliche Sachverständige Dipl.-Ing. N. in seinem schriftlichen Gutachten vom 27.09.2001 die vom Beklagten angemieteten Gewerberäume nachgemessen. Danach beträgt die Mietfläche nur 66,60m². Das ist gegenüber der im Vertrag vereinbarten Fläche von 85 m² eine Minderfläche von 18,4 m² = 21,7 %. Die Parteien haben das Aufmaß des Sachverständigen und die sich daraus ergebende Flächenabweichung von 21,7 % nicht angegriffen. Auch Flächendefizite können die Tauglichkeit einer Mietsache zu dem vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise mindern, dass sie einen Sachmangel im Sinnes des § 537 BGB a.F. begründen. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit der in der Literatur vorherrschenden Meinung (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 60. Aufl., § 537 Rn. 17 a unter Hinweis auf Kraemer NZM 1999, 165) davon aus, dass jedenfalls in einer quantitativ erheblichen Minderfläche von Wohn- oder Gewerberaum ein Sachmangel der Mietsache liegt, der eine Mietzinsminderung rechtfertigt. Denn bei einer erheblichen Abweichung von der vertragsgemäßen Fläche entspricht das Mietobjekt nicht mehr dem geschuldeten Zustand. Die noch zulässige Maßtoleranz, die nach überwiegender Auffassung bei ca. 10 % liegt (vgl. die Nachweise bei Kraemer a.a.O. S. 169), ist im vorliegenden Fall klar überschritten. Zwar hat der Beklagte nicht konkret dargelegt, dass das Mietobjekt wegen der geringeren Gewerberaumfläche für ihn nur eingeschränkt nutzbar gewesen sei. Darauf kommt es aber auch nicht entscheidend an. Zwar hat da OLG Dresden, dem sich das Landgericht angeschlossen hat, einen zur Mietzinsminderung führenden Mangel erst dann bejaht, wenn zusätzlich die Gebrauchstauglichkeit durch die vertragswidrige Flächendifferenz beeinträchtigt ist (vgl. NJW-RR 1998, 512). Für § 537 BGB kommt es indes nicht auf eine Beeinträchtigung des Mieters oder des von ihm tatsächlich ausgeübten Gebrauchs an; vielmehr ist die Minderung der vereinbarten Gebrauchstauglichkeit der Mietsache maßgebend. Ist daher eine Mietwohnung oder ein Gewerberaum wesentlich kleiner als vereinbart, so ist bereits durch diesen Flächenmangel die Tauglichkeit der Mietsache zur Ausübung des vertragsmäßigen Gebrauchs auf der versprochenen Fläche ebenso wie der Nutzwert der Mietsache beeinträchtigt (vgl. Kraemer, NZM 1999, 156 und 2000, 1121/1123; zustimmend Palandt a.a.O. § 136 n.F. Rn. 22). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BGH zum Kauf- und Werkvertragsrecht (§§ 459 Abs. 1, 633 BGB), wonach die Mindergröße schlechthin einen Mangel bedeutet, der den Wert der betreffenden Wohnung entsprechend mindert (zuletzt BGH NJW-RR 2000, 202).
Die erhebliche Flächenunterschreitung und damit die Abweichung von der vereinbarten Sollbeschaffenheit führt gemäß § 537 Abs. 1, 472 BGB zu einer entsprechenden Herabsetzung des Mietzinses in dem Verhältnis des Werts der Nutzung mit und ohne Mangel (vgl. § 472 Abs. 1 BGB). Die Höhe der danach berechtigten Mietzinsminderung richtet sich grundsätzlich nach dem Prozentsatz der jeweiligen Flächenabweichung, auch wenn ein bestimmter Quadratmetermietzins nicht ausdrücklich vereinbart worden ist (vgl. Kraemer NZM 1999, 156/161). Dabei ist die gesamte Minderfläche bei der Berechnung der Minderung zu berücksichtigen, auch wenn bei einer Abweichung der Gewerbefläche innerhalb der zulässigen Toleranzgrenzen (bis ca. 10 %) noch nicht gemindert werden kann. Das volle Minderungsrecht, sobald eine Minderfläche die Toleranzgrenze überschritten hat, entspricht der gesetzlichen Regelung (vgl. §§ 459 Abs. 1 S. 2, 634 Abs. 3 BGB). Die vereinbarte Kaltmiete ist daher im Streitfall entsprechend der Flächenabweichung in Höhe von 21,7 % zu kürzen. Der vom Kläger auf der Grundlage der ursprünglich vereinbarten Monatsmieten errechnete Mietzinsrückstand von DM 9.588,90 ermäßigt sich daher auf DM 7.296,68 wie folgt:
August 1998 von DM 1.010,50 auf
DM 793,38
September-Dezember 1999 von DM 4.216,00 auf
DM 3.309,80
Januar-März 2000 von DM 3.266,40 auf
DM 2.564,10
April + Mai 2000 von DM 1.096 auf
DM 629,40
= zusammen DM 7.296,68
Die Berufung hat danach Erfolg, soweit der Beklagte zur Zahlung rückständiger Mieten von mehr als DM 7.296,68 verurteilt worden ist.
Weitergehende Minderungsrechte des Beklagten wegen behaupteter sonstiger Mängel hat das Landgericht mit zutreffender Begründung, auf die der Senat nach eigener Überprüfung Bezug nimmt, verneint. Soweit der Beklagte mit Gegenforderungen aus § 812 BGB wegen zuviel bezahlter Mietzinsen aufgerechnet hat, scheitert diese Aufrechnung an der in § 11 Nr. 11 des Gewerberaummietvertrages wirksam vereinbarten Aufrechnungsbeschränkung, soweit es sich nicht um unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen handelt (vgl. § 11 Nr. 3 AGB-Gesetz). Das vereinbarte Aufrechnungsverbot gilt grundsätzlich auch über das Vertragsende hinaus weiter (vgl. BGH WM 2000, 779; OLG Hamm NJW-RR 1994, 711).
Widerklage
Soweit der Beklagte den Kläger - für den Fall, dass seine Aufrechnung unzulässig ist - widerklagend auf Rückzahlung zuviel geleisteter Mietzinsen in Anspruch nimmt, ist die Widerklage aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe von DM 6.716,16 nebst unstreitigen Prozesszinsen begründet.
Die Überzahlung ergibt sich daraus, dass der Beklagte in der Zeit von Januar 1997 bis August 1998 (= 32 Monate), während der die Miete wegen der erheblichen Abweichung von der vertragsgemäßen Mietfläche um 21,7 % gemindert war, in Unkenntnis des Flächenmangels monatliche Zahlungen in Höhe der vollen Staffelmiete gezahlt hat. Danach ist der Kläger gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zur Rückerstattung überzahlter Mietzinsen in Höhe von insgesamt (1997: 12 x DM 209,62 = DM 2.515,44 + 1998: 11 x DM 217,12 = DM 2.388,32 + 1999: 8 x DM 226,55 = DM 1.812,40 =) DM 6.716,16 verpflichtet.
Die weitergehende Zahlungswiderklage hat das Landgericht zu Recht abgewiesen.
Keinen Erfolg hat die Berufung auch hinsichtlich der auf Feststellung gerichteten Widerklage, die das Landgericht mit zutreffender Begründung abgewiesen hat. Hinzukommt, dass das Mietverhältnis der Parteien schon durch die fristlose Kündigung des Klägers vom 22. Mai 2000 wirksam beendet worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 91 a ZPO. Dabei waren dem Beklagten die Prozesskosten aufzuerlegen, soweit die Parteien nach der Räumung und Herausgabe des Mietobjekts den Rechtsstreit hinsichtlich des Räumungsbegehrens im Termin vom 19.06.2001 übereinstimmend für erledigt erklärt und insoweit widersprechende Kostenanträge gestellt haben. Denn der Kläger konnte das Mietverhältnis § 554 BGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist am 22.05.2000 kündigen, weil der Beklagte - ungeachtet des geminderten Mietzinses - für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils des Mietzinses im Verzug war. Ein Zurückbehaltungsrecht, das bei Vorhandensein erheblicher Mängel des Mietobjekts den Eintritt des Verzuges hätte hindern können, stand dem Beklagten nicht zu.
Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
Dr. Hundertmark
Prof. Dr. Seidel
Hefermehl
Vors. Richter am
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