Unterhalt an Ex-Frau

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

01. 10. 2001


Aktenzeichen

13 UF 97/01


Tenor


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Koblenz vom 11.01.2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Durch notariellen Vertrag vom 07.09.1983 - UR-Nr. 5/1983 Notar I - verpflichtete sich der Kläger u.a., an die Beklagte eine monatliche "Leibrente bis zu ihrem Tod" in Höhe von 3.108,- DM (wertgesichert) zu zahlen (§ 4 des Vertrages). In einem weiteren Notarvertrag - UR-Nr. 6/1983 Notar I - vom selben - Tag verzichteten beide Parteien wechselseitig auf ehelichen und nachehelichen Unterhalt (§ 5 dieses Vertrages). Am 24.03.1994 heiratete die Beklagte erneut. Die Parteien streiten darüber, ob durch die Wiederverheiratung der Anspruch auf die Leibrente erloschen ist.

Das Amtsgericht hat die Klage auf Abänderung des Notarvertrags und Rückzahlung der ab April 1994 geleisteten Rentenzahlungen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der weiterhin den Wegfall der Zahlungsverpflichtung ab April 1994 und Rückzahlung der ab diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen erstrebt.

Das Rechtsmittel ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere im Hinblick auf § 529 Abs. 3 ZPO bestehen keine Bedenken gegen die Zuständigkeit des Familiensenats. In der Sache hat das Rechtsmittel hingegen keinen Erfolg. Der Kläger schuldet der Beklagten nach wie vor und bis zu ihrem Tod die in der notariellen Urkunde vom 07.09.1983 versprochenen monatlichen Zahlungen.

Hieran hat die Wiederverheiratung der Beklagten nichts geändert, da § 1586 BGB auf die am 07.09.1983 geschlossene Vereinbarung nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar ist.

Die Parteien haben in dem notariellen Vertrag vom 07.09.1983 - UR-Nr. 6/1983 - wechselseitig auf ehelichen und nachehelichen Unterhalt verzichtet und sich damit von den im Gesetz vorgesehenen Unterhaltsansprüchen völlig gelöst. Ersatzweise haben sie in der weiteren Urkunde Nr. 5/1983 vom selben Tag eine (Unterhalts-)Vereinbarung geschlossen, die ausdrücklich als Leibrente bezeichnete Leistungen des Klägers an die Beklagte vorsieht und auch inhaltlich den §§ 759 ff BGB entspricht. Der Beklagte hat in der Vereinbarung nämlich die Gewährung einer monatlichen Geldrente, die für die Lebensdauer der Beklagten unabhängig von deren Bedürftigkeit und der Leistungsfähigkeit des Klägers und ohne Rücksicht auf eine mögliche Änderung der Verhältnisse zu leisten sein sollte, versprechen wollen und versprochen. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Eine solche Vorgehensweise ist nach § 1585 c BGB jedenfalls in Bezug auf den nachehelichen Ehegattenunterhalt, um den es vorliegend allein geht, möglich, da der nacheheliche Unterhalt in vollem Umfang der Vertragsfreiheit der Ehepartner unterliegt.

Dies erlaubt den Eheleuten, den einem der Ehegatten eingeräumten Anspruch, der der Deckung des Lebensbedarfs dieses Ehegatten für die Zeit nach der Scheidung dienen soll, von dem an sich gegebenen gesetzlichen Unterhaltsanspruch völlig zu lösen und ausschließlich auf eine eigenständige vertragliche Grundlage zu stellen. Folge einer solchen Vereinbarung ist, dass der Unterhaltsanspruch die Rechtsnatur eines gesetzlichen Anspruchs ablegt und zu einem rein vertraglichen Anspruch wird (vgl. BGH, NJW 1979, 43). Damit gilt die gesetzliche Bestimmung des § 1586 BGB, nach der ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch mit der Wiederheirat des Berechtigten erlischt, im Rahmen der Unterhaltsvereinbarung der Parteien jedenfalls nicht unmittelbar (vgl. Ermann/Dieckmann, BGB, 10. Aufl., § 1585 c Rdnr. 10).

Eine entsprechende Anwendung scheidet vorliegend ebenfalls aus, da die Parteien im Notarvertrag die Laufzeit der Rentenzahlungsverpflichtung ausdrücklich - ohne jeden Vorbehalt oder sonstigen Zusatz - "bis zum Tod der Beklagten" festgelegt haben. Die Aufnahme des Zusatzes "bis zum Tod der Beklagten" wäre nicht erforderlich gewesen, da § 759 Abs. 1 BGB sowieso vorsieht, dass eine Leibrente im Zweifel für die Lebensdauer des Gläubigers zu entrichten ist. Wenn die Parteien trotzdem eine entsprechende Formulierung in den Vertrag aufnehmen, ist für eine entsprechende Anwendung der Wiederverheiratungsregel des § 1586 BGB kein Raum, da die Parteien insoweit bereits eine klare und eindeutige Regelung getroffen haben: Weder die Wiederheirat der Beklagten noch der Tod des Klägers oder sonstige Ereignisse sollten Einfluss auf die Dauer der Verpflichtung des Klägers zur Zahlung der Leibrente haben; erst - und ausschließlich - der Tod der Beklagten sollte sie zum Erlöschen bringen. Dies gilt umso mehr, als beide Parteien anwaltlich beraten waren, die mit Hilfe der Anwälte geführten Verhandlungen sich bis zum Abschluss der Verträge am 07.09.1983 fast über ein Jahr hinzogen und die Vereinbarung zudem noch durch einen Notar beurkundet wurde.

Auch eine ergänzende Vertragsauslegung - wenn sie denn hier überhaupt in Betracht kommt - führt zu keinem anderen Ergebnis. Hierbei ist darauf abzustellen, welche Regelung die Parteien im Hinblick auf den mit dem Vertrag verfolgten Zweck bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise getroffen hätten, wenn sie einen Sachverhalt wie den hier eingetretenen bedacht hätten (vgl. BGH, FamRZ 1995, 726). Zweck des Vertrages war vorliegend zum einen, der beklagten Ehefrau ein Äquivalent für den Verzicht auf den gesetzlichen Unterhalt zu gewähren ("Versorgungsrente"), zum anderen sollte die Leibrente aber auch - und dies sagt der Vertrag in § 4 im Zusammenhang mit der Leibrentenvereinbarung ausdrücklich - eine Gegenleistung für die Übertragung des - zumindest formell - im Alleineigentum der Beklagten stehenden, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in H (Wert: 1,2 Mio. DM, vom Kläger laut Vertrag übernommene Belastung: 720.422,60 DM) darstellen.

Daneben hat die Beklagte im Notarvertrag Nr. 6/1983 weiteres - im Gegensatz zu dem Grundstück in H - ausdrücklich als treuhänderisch gehalten bezeichnetes Vermögen (Eigentumswohnung in K, 150.000,- DM sowie verschiedene Wertpapiere) auf den Kläger übertragen. Zwar geht der Senat davon aus, dass der Erwerb dieses Vermögens sämtlich aus den Einkünften des als Ingenieur und Statiker selbständig erwerbstätigen Klägers finanziert wurde und die allenfalls aushilfsweise im Betrieb des Klägers mitarbeitende und im Übrigen mit der Haushaltsführung betraute Beklagte nur zur Begrenzung des mit der selbständigen Tätigkeit des Klägers verbundenen Haftungsrisikos jeweils Alleineigentümerin geworden ist. Aus diesem Grund hatten die Parteien bereits durch notariellen Vertrag vom 17.03.1966 Gütertrennung vereinbart. In diesem Zusammenhang ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch die ihr überlassene Haushaltsführung ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in gleicher Weise erfüllt hat wie der Kläger (§ 1360 S. 2 BGB).

Da nach der Intention des Gesetzgebers die Haushaltsführung eine gleichwertige und nicht ergänzungsbedürftige Beitragsleistung zum Familienunterhalt darstellt (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 59. Aufl., § 1360 Rdnr. 9), war die Beklagte nicht verpflichtet, sämtliches in der Ehe auch aufgrund ihres Beitrags zum Familienunterhalt erworbenes Vermögen ohne jeden Ausgleich auf den Kläger zu übertragen. Dem trägt der Notarvertrag Nr. 5/1983 vom 07.09.1983 Rechnung, in dem die Leibrente nicht lediglich als Unterhaltsersatz, sondern auch als Gegenleistung für die Übertragung (eines) der in der Ehe erworbenen Vermögenswerte ausgewiesen ist. Von daher entspricht die Vereinbarung einer Leibrente über den Zeitpunkt einer eventuellen erneuten Heirat der Beklagten, mit der der Versorgungsgesichtspunkt in der Regel entfällt, hinaus bis zu ihrem Tod letztlich den beiderseitigen Interessen und benachteiligt den Kläger im Hinblick auf das übertragene Vermögen nicht unangemessen. Für eine ergänzende Vertragsauslegung im Sinne des Klagebegehrens ist damit kein Raum.

Auch die Grundsätze über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage führen nicht zu einem Erlöschen der Zahlungsverpflichtung aufgrund der neuen Heirat der Beklagten. Der Beklagte hat nicht dargetan, dass die Nichtwiederverheiratung der Beklagten bis zu ihrem Lebensende Geschäftsgrundlage des Leibrentenversprechens geworden ist.

Zwar sind auch Vereinbarungen, die rein vertragliche, vom Gesetz losgelöste Unterhaltsansprüche begründen, grundsätzlich - wenn auch unter erheblich engeren Voraussetzungen als die Anpassung gesetzlicher Unterhaltsansprüche - einer Abänderung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zugänglich (vgl. Göppinger/Wax/Hoffmann, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., Rdnrn. 1316, 1359). Die Voraussetzungen hierfür liegen aber nur dann vor, wenn konkrete Vorstellungen und Erwartungen fehlgeschlagen sind, die die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend als bestehend angenommen haben (vgl. Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., Rdnr. 1272).

Zwar mag der Kläger - so wie er behauptet - davon ausgegangen sein, dass die Beklagte nach der Trennung der Parteien nicht erneut heiratet; aus seinem Vorbringen ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, ob auch die Beklagte, für die die Ehe mit dem Kläger immerhin bereits die 2. Ehe und die bei Abschluss des Vertrages erst 47 Jahre alt und ohne jede Bindung - Kinder waren aus der Ehe nicht hervorgegangen - war, entsprechende konkrete Vorstellungen hatte. Immerhin waren die Parteien anwaltlich vertreten und hatten nahezu ein Jahr über die konkrete Ausgestaltung der am 07.09.1983 geschlossenen notariellen Verträge verhandelt.

Von daher wäre zu erwarten gewesen, dass im Zusammenhang mit der Bestimmung der Laufzeit der Leibrente ("bis zu ihrem Tode") das Erlöschen im Fall der Wiederheirat der Berechtigten vorgesehen worden wäre, wenn dies tatsächlich Vertragsgrundlage hätte werden sollen. Im Übrigen führen Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage nur dann zur Anpassung des Vertrages gemäß § 242 BGB, wenn das Festhalten an der unveränderten Regelung nicht mehr zumutbar ist (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Rdnr. 131), die Abänderung mithin erforderlich ist, um den von den Parteien mit der Vereinbarung verfolgten Zweck zu erreichen. Wie bereits ausgeführt, entsprach die Vereinbarung einer lebenslangen Rente - ohne Rücksicht auf eine eventuelle Wiederverheiratung der Beklagten - den Interessen beider Parteien, da die Leibrente nicht nur Versorgungscharakter hatte, sondern auch ein Entgelt für die Übertragung von im Alleineigentum der Beklagten stehenden Vermögensgegenständen darstellte, deren Erwerb diese durch ihre Hausfrauentätigkeit mit ermöglicht hatte. Im Hinblick hierauf ist durch die spätere Heirat der Beklagten kein Umstand eingetreten, der eine Abänderung der bestehenden Vereinbarung zwingend erforderlich erscheinen lässt.

Der Kläger hat auch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass bei ihm eine solche Veränderung in seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eingetreten ist, dass die Weitererfüllung des Vertrages sein eigenes wirtschaftliches Dasein gefährden würde (vgl. Ermann, a.a.O., § 1585 c Rdnr. 25). Zwar wirft das von ihm weiterhin betriebene Ingenieurbüro für Baustatik nach seinem Vortrag nur so wenig Gewinn ab, dass er keine Einkommenssteuer mehr zahlen muss, und bezieht er daneben nur eine Altersrente in Höhe von 524,69 DM. Nicht dargelegt hat der Kläger aber, welche (Miet-)Einnahmen er aus seinem Grundvermögen - etwa dem Grundstück in H; möglicherweise ist auch weiteres Grundvermögen vorhanden - zieht; eventuell bestehen daneben auch Lebensversicherungen oder ähnliche zur Versorgung im Alter dienende Geldanlagen.

Hierzu fehlt jeder Vortrag, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Festhalten an der Vereinbarung vom 07.09.1983 schlechthin unzumutbar wäre. Auf sonstige inzwischen eingetretene Verschiebungen der Vertragsgrundlage kann der Kläger sich nicht berufen, da der Einwand einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse dadurch, dass die Parteien den Unterhalt in Form einer Leibrente vereinbart haben, vertraglich ausgeschlossen worden ist.

Für eine Zulassung der Revision gemäß §§ 621 d Abs. 1, 546 Abs. 1 ZPO sieht der Senat keinen Anlass. Die Sache ist weder von grundsätzlicher Bedeutung noch weicht die vorliegende Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.


Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 453.177,50 DM festgesetzt.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht